# taz.de -- Debatte USA: Krieg den Amerikanerinnen
       
       > Romneys Vizekandidat Paul Ryan plant einen gnadenlosen Feldzug gegen
       > Geringverdienende. Die Einschnitte im US-Sozialsystem würden vor allem
       > Frauen treffen.
       
 (IMG) Bild: Noch hat sie gut lachen: US-Fan bei den olympischen Sommerspielen.
       
       Sie müssen schon unter einem Stein leben, um verpasst zu haben, dass Mitt
       Romney den Kongressmann Paul Ryan als sein Vizekandidaten benannt hat.
       Sofort gingen die Spekulationen los: Was bringt Ryan für Romney? Eine
       Sache, die er ihm mit Sicherheit nicht bringt: Stimmen von Frauen.
       
       So vage und flipflopmäßig der Republikaner bei vielen Themen bislang blieb,
       mit seinem Vizekandidaten hat sich Romney zumindest in Sachen Frauen und
       Ökonomie eindeutig festgelegt. Sollten die Haushaltpläne von Ryan das
       Präsidentensiegel erhalten, werden viele Frauen buchstäblich arm dran sein.
       Und zwar deshalb:
       
       ## 8 Punkte gegen die Aufklärung
       
       1. Die staatliche Gesundheitsfürsorge (Medicaid) versorgt nahezu 19
       Millionen Geringverdienerinnen, sie machen 70 Prozent der Bedürftigen aus.
       Jeder Schlag gegen das Gesundheitsprogramm ist damit ein Schlag vor allem
       gegen Frauen, die von Niedriglöhnen leben. Und genau das hat Ryan vor: Er
       will das Budget der staatlichen Gesundheitshilfe in den nächsten zehn
       Jahren um mehr als 20 Prozent kürzen und in eine Art Blockstipendium
       umwandeln. Das erlaubt den Bedürftigen, das Geld auszugeben, wie sie
       möchten – anders als jetzt, wo sie an bestimmte Regeln gebunden sind. Das
       Urban Institute schätzt, dass damit bis zum Jahr 2021 etwa 14 bis 27
       Millionen Menschen von Medicaid ausgeschlossen werden können.
       
       Mehr noch: Ryans Haushaltsplan will den Affordable Care Act (ACA)
       abschaffen und damit auch die Ausweitung der staatlichen medizinischen
       Hilfe, die ja bereits von mehreren Staaten verweigert wird. Ohne Ausweitung
       aber werden 17 Millionen Amerikaner ohne Medicaid bleiben. Wiederum trifft
       dieses Vorhaben insbesondere Frauen. Geschätzte weitere 13,5 Millionen
       Amerikanerinnen sollten nämlich aufgenommen werden – die Ausweitung bis
       2016 voraussetzt. Ryans Haushalt wird sicherstellen, dass sie ohne
       Krankenschutz bleiben.
       
       2. Die Sozialversicherungen. Für ein Drittel der weiblichen
       Bezugsberechtigten über 65 Jahre ist sie die einzige Einnahmequelle. (Im
       Vergleich zu einem Viertel Männer.) Ryans Pläne fordern nicht explizit eine
       Kürzung, sondern er hat einen Vorstoß unterzeichnet, der eine partielle
       Privatisierung der Sozialversicherung fordert. Die Hälfte der
       Einkommensteuerbeiträge soll auf ein privates Rentenkonto fließen. Sie
       erinnern sich noch daran, wie der letzte Börsencrash die Rentenfonds
       vernichtet hat? Das kann jederzeit wieder passieren – womit alle, die auf
       eine Sozialversicherung angewiesen sind, ohne Rücklagen dastünden.
       
       3. Ein weiteres Sicherheitsnetz, das für Frauen extrem wichtig ist, ist die
       staatliche Krankenversicherung. Im Vergleich zu Männern leben mehr als
       doppelt so viele Frauen über 65 Jahre in Armut. Ryans Haushaltsplan sieht
       vor, das Berechtigungsalter für Medicare auf 67 anzuheben, während er
       gleichzeitig den ACA außer Kraft setzt, was bedeutet, dass die Leute
       zwischen 65 und 67 weder Medicare noch Zugang zur Krankenversicherung oder
       irgendwelchen Zuschüssen haben, die ihnen dabei helfen, die Arztrechnungen
       zu zahlen. Für Geringverdienende bleiben dann nur noch die privaten
       Versicherer, die sie sich nicht leisten können – und das in einem Alter, in
       dem die Krankenversorgung zunehmend wichtiger wird.
       
       ## Warum sollten Arme essen?
       
       4. Insgesamt beabsichtigt Ryan 16 Prozent weniger für die Programme gegen
       die Armut ausgeben. Unter anderem bedeutet das in den nächsten 10 Jahren
       drastische Kürzungen von bis zu 133,5 Milliarden US-Dollar bei SNAP, einer
       staatlichen Organisation, die kostenloses Essen für Arme anbietet.
       
       Laut National Women’s Law Center waren 2010 über 60 Prozent der
       SNAP-EmpfängerInnen ältere Frauen. Über die Hälfte der Haushalte, die von
       dem Essensprogramm abhängen, sind Alleinerziehende, und davon sind wieder
       90 Prozent Frauen.
       
       5. Ryans Haushalt würde auch bei TANF drastisch kürzen, dem Programm, das
       die staatliche Wohlfahrt ersetzt hat. Auch hier waren die Empfänger 2009 zu
       85 Prozent Frauen.
       
       6. Kinderversorgung, Bildungstraining für Kinder aus armen Familien (Head
       Start), Jobtraining, Hilfe bei der Wohnungssuche etc. dürften um 291
       Milliarden gekürzt werden.
       
       ## Zurück ins 20. Jahrhundert
       
       7. Verhütung. Ryans Haltung zur Geburtenkontrolle stammt aus einem anderen
       Jahrhundert. So ist er dagegen, dass religiöse Arbeitgeber Versicherungen
       anbieten, die auch Verhütungsmittel abdecken. Überhaupt lehnt er staatlich
       unterstützte Familienplanung ab. Mindestens viermal stimmte Ryan dafür,
       dass Planned Partenthood, eine wichtige Organisation, die Verhütungsmittel
       insbesondere für geringverdienende Frauen ausgibt, die staatliche Förderung
       entzogen wird. Er wertet Verhütung als Angriff auf das Leben und möchte sie
       für illegal erklären.
       
       Verhütung ist aber nicht nur eine soziale Frage, sondern für Millionen von
       Frauen ist sie auch ein ökonomisches Problem. Die Forschung hat eine
       Verbindung ausgemacht zwischen der Möglichkeit der Geburtenkontrolle und
       der ansteigenden weiblichen Beschäftigung. 1950 standen 18 Millionen Frauen
       dem amerikanischen Arbeitsmarkt zur Verfügung. Seit Verbreitung der Pille
       hat sich die Zahl der erwerbstätigen Frauen auf 66 Millionen verdreifacht.
       Ryan setzt alles dran, uns in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts
       zurückzuversetzen.
       
       8. Er ist kein Freund der Idee, dass gleiche Arbeit auch gleich bezahlt
       werden sollte und hat entsprechend gegen das Gesetz von Lilly Ledbetter
       votiert, das Frauen mehr Zeit zugesteht, wenn sie vor Gericht ziehen
       möchten, um gegen eine vermeintliche Diskriminierung seitens des
       Arbeitgebers zu klagen.
       
       Die New Yorker Bloggerin Vanessa Valenti zählte jüngst viele weitere Punkte
       auf, die Ryans Politik zu einem Alptraum für jeden aufgeklärten Amerikaner
       machen – angefangen bei seinem Widerstand gegen die Heirat von
       Homosexuellen bis hin zu katastrophalen Entscheidungen in Sachen
       MigrantInnen.
       
       Aber mit seinem Haushaltsplänen hat er bereits jetzt klargestellt: Sollte
       er der zweite Mann im Land werden, können sich insbesondere die
       Amerikanerinnen auf einen Wirtschaftskrieg gegen sie einstellen.
       
       16 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bryce Covert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
       
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