# taz.de -- Umstrittene Karriere: Wenig Frieden in Friedehorst
       
       > Christian Frühwald wird Vorsteher der Stiftung Friedehorst. Vor zwei
       > Jahren soll er als Personaldezernent Aussagen eines Missbrauchsopfers
       > zurückgehalten haben.
       
 (IMG) Bild: Christian Frühwald wechselt seinen Job.
       
       Die größte Diakonische Einrichtung im Land Bremen, Stiftung Friedehorst in
       Lesum, bekommt mit Pastor Christian Frühwald am 1. Oktober einen neuen
       Vorsteher. Gegen den promovierten Theologen hat sein ehemaliger
       Arbeitgeber, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ende Juli
       ein Disziplinarverfahren eingeleitet: Frühwald soll als
       EKM-Personaldezernent dem Hinweis eines Opfers sexueller Übergriffe durch
       einen ehemaligen Pfarrer nicht sofort nachgegangen sein.
       
       Der 44-Jährige Frühwald ist momentan noch Personal-Geschäftsführer und
       Sprecher der Geschäftsführung am Diako-Krankenhaus in Rotenburg/ Wümme und
       verlässt das Haus nach nur elf Monaten, mitten im Fusionsverfahren mit der
       Frankfurter Agaplesion AG. „Ich bedauere den avisierten Stellenwechsel nach
       so kurzer Zeit ausdrücklich“, äußerte sich dazu Superintendent und
       Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Peter Daub.
       
       Frühwald ist es freilich gewohnt, einen schlechten Eindruck zu
       hinterlassen. Kurz vor seinem Wechsel nach Rotenburg verkündete er auf dem
       Dresdner Kirchentag, jeder sei selbst Schuld, wenn er ein berufsbedingtes
       Burn-out bekäme. Da war sein Ruf bei KollegInnen und Kirchenmitgliedern
       bereits angeschlagen: 2010 versuchte er, den Magedeburger Domprediger
       Giselher Quast, eine wichtige Figur der friedlichen Revolution, nach 30
       Dienstjahren aus dem Amt zu entfernen. Vorm Kirchengericht scheiterte er
       damit genauso wie vier Jahre zuvor in einem anderen Fall: Da soll er in
       unlauterer Weise in ein Abberufungsverfahren eingegriffen und Namen in
       einem für das Verfahren wichtigen Dokument verändert haben. Die
       Urteilsbegründung verwies damals auf „die fehlerhaften Entscheidungen von
       Frühwald, die ein faires und korrektes Verfahren verhindert“ hatten.
       
       Das Kirchengericht beschäftigt sich indes auch mit Friedehorst: Allein in
       den letzten sechs Monaten haben sich dort rund 100 Verfahren mit laut
       Mitarbeitervertretung (MAV) unzulässigen Neu-Anstellungen beschäftigt.
       Während von den 1.600 MitarbeiterInnen die einen nämlich nach dem
       Diakonie-Tarif AVR bezahlt werden, gibt’s für die neu Eingestellten bei
       gleicher Arbeit rund 20 Prozent weniger, weil sie über die
       Friedehorst-eigene Leiharbeitsfirma Parat Personal und Service GmbH
       angestellt sind.
       
       Bereits 2005 urteilte dazu das Gericht: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit,
       alles andere widerspreche der Idee der christlichen Dienstgemeinschaft.
       Friedehorst beeindruckt das bis heute nicht. Würde man, so sagte im
       vergangenen Jahr Hans-Peter Reeb, damaliger Vorsteher der Pflege- und
       Reha-Einrichtung, alle Mitarbeiter nach AVR bezahlen, so müsse Friedehorst
       innerhalb kurzer Zeit Insolvenz anmelden. Das widerspricht laut MAV dem
       teuren Unterhalt des Friedehorst-eigenen Nebelthau-Gymnasiums, das jedes
       Jahr mit rund 250.000 Euro von der Stiftung bezuschusst wird.
       
       Nicht nur wegen ihrer Beschäftigungspolitik ist die Stiftung wiederholt in
       die Schlagzeilen geraten, sondern auch wegen des Verdachts auf
       Abrechnungsbetrug in Höhe von 600.000 Euro. Der hat sich nicht bestätigt
       und inzwischen hat Friedehorst der Sozialbehörde knapp eine halbe Million
       Euro zurückgezahlt, aber merkwürdig lief das dennoch im letzten Sommer: Das
       Unternehmen hatte Aufforderungen, entsprechende Unstimmigkeiten
       aufzuklären, mehrfach ignoriert. Erst aufgrund dessen schaltete der
       Sozialstaatsrat die Antikorruptionsstelle und die Staatsanwaltschaft ein.
       
       Und dann gab es da noch die Entlassung Hans-Peter Reebs. „Darüber liegt
       nach wie vor der Mantel des Schweigens“, sagt MAV-Vorsitzender Helmut
       Schümann. Bis heute weiß niemand, warum Reeb im März gehen musste, und auch
       er selbst schweigt dazu.
       
       Aus Friedehorst hieß es dazu lediglich, man habe sich „in gegenseitigem
       Einvernehmen getrennt“. Das geschah so kurzfristig, dass Reebs Stelle
       seither unbesetzt ist. Die wartet nun auf Christian Frühwald, der zum gegen
       ihn eingeleiteten Disziplinarverfahren sagt: „Die Vorwürfe sind haltlos.
       Ich bin ja eher dafür bekannt, bezüglich dieses Themas überhaupt erst eine
       Linie in die EKM gebracht zu haben.“
       
       Wenn jedoch eine entsprechende Aussage eines Opfers im Raum stünde, sei es
       völlig richtig, ein Diziplinarverfahren zur Klärung einzuleiten. Das habe
       die EKM allerdings ohne vorherige Kontaktaufnahme eingeleitet: „Warum sie
       das getan hat, weiß ich nicht. Zu diesem Fall kann ich nur sagen: Man kann
       nur das machen, was das Opfer auch möchte.“ Das sei damals nicht bereit
       gewesen, gegenüber einem Juristen auszusagen.
       
       Und Christian Frühwald wiederum ist offenbar nicht dazu bereit, seinen
       neuen Arbeitgeber über das Disziplinarverfahren zu informieren: Obwohl die
       EKM eine entsprechende Meldung bereits am 30. Juli veröffentlich hatte,
       sagte Friedehorst-Sprecherin Sabine Henkel: „Wir können uns dazu nicht
       äußern.“ Der Grund: Sie habe erst durch die taz vom laufenden Verfahren
       erfahren.
       
       Nachtrag: Christian Frühwald wurde durch das Verwaltungsgericht der
       Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) am 17.8.2014 von dem Vorwurf einer
       Amtspflichtsverletzung freigesprochen. Das Urteil wurde am 31.10.2014
       rechtskräftig.
       
       17 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Diakonische Werke: Wer Gutes tut, darf kassieren
       
       Kirchliche Einrichtungen der „freien Wohlfahrtspflege“ sollen Sonderrechte
       als Tendenzbetriebe aufgeben, findet die SPD.
       
 (DIR) Kommentar über Kirchen-Personalien: Ein passender Deckel
       
       Der Ruf von Christian Frühwald ist genauso angeschlagen wie der Ruf der
       Stiftung Friedehorst: Da passen zwei zusammen wie ein Topf und ein Deckel.