# taz.de -- Kurt Krömer mit neuer Show: Clown im höheren Dienst
       
       > Bevor Kurt Krömer seine erste Show im RBB bekam, schrubbte er
       > Treppenhäuser. Seitdem ist er furchtlos. Nun startet die neue Show, in
       > der es sogar ein bisschen um Politik geht.
       
 (IMG) Bild: Kurt Krömer, von unten betrachtet.
       
       Diese Journaille! Interessiert sich wieder nur für Oberflächlichkeiten.
       Typisch! „Inhalte sind euch scheißegal“, redet sich Kurt Krömer in
       Kurt-Krömer-Rage. „Ich quatsche in Interviews 95 Prozent über die Frage,
       warum ich keine lustigen bunten Anzüge mehr trage.“ Und, warum trägt er
       keine lustigen bunten Anzüge mehr? „Weil das scheiße aussieht.“
       
       Zu seiner letzten Sendung, die ja eine Talkshowpersiflage gewesen sei, habe
       es gepasst, „dass der Moderator eben nicht so aussieht wie Markus Lanz,
       schon durch seine Kleidung klar macht: Hier stimmt irgendetwas nicht.“ Aber
       nun sei es eben Zeit für eine Veränderung gewesen, nicht nur optisch, wie
       Krömer gleich klarstellt, in der Hoffnung auf einen Themenwechsel. Ein
       bisschen muss er sich noch gedulden.
       
       Das Berliner Ensemble in Berlin-Mitte vor ein paar Tagen. Im Hof sitzt
       Krömer – in einem strahlend weißen Hemd mit Manschettenknöpfen und
       Hosenträgern, darunter eine schlichte schwarze Hose. Der Seitenscheitel ist
       weg, genau wie das übergroße Kassengestell. So laufe er auch privat rum.
       „Das Publikum interessiert es einen Scheißdreck, was ich anhabe“, glaubt
       Krömer. „Das ist eine reine Journalistenfrage.“ Ein mieses Programm könne
       auch ein noch so greller Anzug nicht retten.
       
       Krömer trinkt Rhabarber-Limo. Im Hintergrund lärmt eine Kreissäge – aber
       nur noch eine Minute, wie Krömers Manager in Erfahrung bringt. „Lass uns
       dann noch über Kleidung reden, die eine Minute“, feixt Krömer. „Dann hast
       du das eh nicht auf Band.“ Ach nee, jetzt ist auch mal gut mit den
       Anzugfragen.
       
       Hier, im von Bertolt Brecht gegründeten Theater am Schiffbauerdamm,
       zeichnet Kurt Krömer seine neue Sendung „Krömer – Late Night Show“ auf. Der
       Ort hat offenbar abgefärbt: „Ich möchte kontroverse Themen anpacken“, sagt
       Krömer, der in die erste Sendung Linke-Politiker Gregor Gysi eingeladen
       hat, um mit ihm über den Afghanistankrieg zu diskutieren.
       
       ## Werten will er nicht
       
       Krömer und Politik? „Es ist, Gott bewahre, kein politisches Kabarett, aber
       die Themen sind schon relevanter geworden“, sagt er und relativiert das
       gleich, „betrachtet mit der Naivität eines Vierjährigen.“ Werten wolle er
       nicht.
       
       Bei der Aufzeichnung am nächsten Tag relativiert sich dann auch diese
       Ansage schnell – auch wenn er vor ausverkauftem Haus sein Ehrenwort gibt,
       „dass der große Schabernack und der kleine Klamauk hier Hausverbot haben.“
       Just in dem Moment kugelt Dirk Bach im Goldoverall zur Tür rein. Krömer ist
       eben immer noch Krömer. Und auch wenn er Bach gleich wieder fortscheucht:
       Mehr als für Gysis Meinung zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr
       interessiert sich Krömer für die Beziehung von dessen Parteifreunden Oskar
       Lafontaine und Sahra Wagenknecht. Und wie immer für jede Pointe, die nicht
       bei drei auf den Bäumen ist.
       
       „Ick bin der einzige deutsche Komiker, der je in Afghanistan war“, sagt er,
       „nach Guido Westerwelle.“ Das Publikum johlt, wie schon auf Truppenbesuch
       am Hindukusch. So auftrumpfend-distanzlos lieben sie ihren Kurti, der auch
       einem Bundeswehrausbilder gegenüber nicht kuscht, wie ein Einspieler zeigt.
       Auch diese mit der Obrigkeit Katz und Maus spielenden Elemente kommen einem
       bekannt vor.
       
       ## Berüchtigte Nichtinterviews
       
       Natürlich kriegt auch Studiogast Gysi noch sein Fett weg. „Und, haben Se
       auch mal Lust, ernsthaft in die Politik zu gehen?“, fragt er ihn in einem
       seiner berüchtigten Nichtinterviews, wofür sich Gysi später schmallippig
       revanchieren wird: „Sie sind auf Ihre Art schon sehr komisch.“
       
       Krömer braucht Gäste wie Gysi, Gäste, die mitspielen, die nicht einknicken
       vor seiner Schlagfertigkeit und der Nibelungentreue des Publikums.
       Irgendwann setzt Gysi sich auf Krömers Platz, dreht den Spieß um: Wann er
       gemerkt habe, dass er auf die Bühne gehöre, fragt Gysi Krömer. „Das
       Publikum hat dit zum Beispiel zehn Jahre nicht gemerkt“, antwortet der
       ungerührt und erzählt von seinen ersten vergeigten Auftritten, in einem
       Kino etwa, vor der Sneak Preview. „Wann kommt denn der Komiker?“, habe
       einer währenddessen in den Saal gerufen. Autsch.
       
       Kurt Krömer, 1974 als Alexander Bojcan in Berlin-Neukölln geboren, macht
       keinen Hehl aus früheren Verletzungen, „meine ersten Nummern waren ja auch
       Mist“. Freimütig erzählt er vom Ende einer Beziehung mit 18. Ihre
       Begründung: „Weißt du, du stellst einfach nichts dar.“
       
       Damals jobbte Krömer nach einer abgebrochenen Lehre als Putzmann, verdiente
       580 Mark im Monat. Das heute, als erfolgreichster Clown Deutschlands zu
       erzählen, ist nicht kokett, sondern Grundierung seiner Komik, ihr
       Nährboden. „Ganz unten – das Thema hat mir leider der Wallraff
       weggeschnappt“, witzelt Krömer. Der musste sich dafür nicht mal verkleiden.
       
       Die Karrierewende brachte für ihn erst die Erkenntnis, „dass die Leute
       genau das hören wollten, dass ich keine Kohle hatte, heute wieder der
       Gerichtsvollzieher da war und nichts zum Pfänden gefunden hat.“ Er selbst
       sei der Witz, hat Krömer mal gesagt. Als er die hohle Pose des
       Erfolgreichen aufgab, kam der – Erfolg. Und blieb. Zehn Jahre später habe
       es nun eben wieder „Klick gemacht“ und er habe mit dem politischen Akzent
       wieder eine Stufe weiter gehen wollen.
       
       ## Angst vor gar nichts
       
       Nach fünf Staffeln hat er dafür „Krömer – Die internationale Show“
       aufgegeben und sich über die Reaktionen gewundert: „Selbstmord“ hätten das
       manche in der Branche genannt. „Der Aufschrei hat mir gezeigt: Man gibt in
       Deutschland offenbar nicht freiwillig seine Sendung ab.“ Angst, wieder in
       der Bedeutungslosigkeit zu versinken, vergessen zu werden, hatte Krömer
       nicht. Oder sie hat nicht gewonnen. Wovor er überhaupt Angst hat?
       „Eigentlich vor nichts“, antwortet Krömer. Schlimmer als Treppenhäuser
       schrubben kann es kaum werden.
       
       Es kam sogar noch besser. Der RBB hatte gleich signalisiert, Krömer eine
       neue Sendung geben zu wollen. Am Samstagabend. „Wie eine Beamtenlaufbahn“
       sei das. „Ich habe mich hochgedient.“ Krömer weiß, dass es für einen
       ernsthaften Spaßmacher wie ihn kaum weiter aufwärtsgehen kann. „Die höchste
       Gehaltsstufe habe ich jetzt erreicht, meinen Anarchosendeplatz nach dem
       ’Wort zum Sonntag‘“, sagt er, „ich darf jetzt nur nicht größenwahnsinnig
       werden und ’Wetten, dass ..?‘ übernehmen wollen.“ Das wäre aber ohnehin
       nicht seine Welt.
       
       Überhaupt scheint Krömer nicht übermäßig kamerageil zu sein. In den letzten
       Monaten hat er an 120 Abenden sein Soloprogramm gespielt und sich ansonsten
       bedeckt gehalten. „Man sollte Künstler sowieso eher daran messen, was sie
       nicht machen, nicht daran, was sie machen.“
       
       ## Innerlich unabhängig
       
       Er habe in letzter Zeit einige publicityträchtige Einladungen abgelehnt,
       „nicht aus einer großartigen Haltung heraus, sondern weil ich einfach sage:
       Finde ich kacke. Muss ich jetzt nicht haben.“ Diese innere Unabhängigkeit
       besitzen nicht viele in der Branche, in der der eigene Marktwert auch über
       die Zahl der in den Klatschspalten veröffentlichten Fotos definiert wird.
       
       Gegen Ende der ersten „Krömer – Late Night Show“ hocken der Gastgeber, Gysi
       und Helge Schneider zusammen, trinken Bier aus Plastikflaschen und
       schweigen sich an. „Ick mag dit, wenn die Stimmung voll im Keller ist“,
       sagt Krömer. „Humor muss nicht lustig sein.“ Mittlerweile mag das auch das
       Publikum, applaudiert, wo es eigentlich nichts zu applaudieren gibt. Krömer
       hat seine Wunden in seine Waffen verwandelt. Das ist sein eigentlicher
       Triumph, den er in solchen Momenten auskostet. Ja, auch so sehen Sieger
       aus.
       
       Beim Abschied im Hof des Berliner Ensembles fällt Krömers Blick auf die
       krakeligen Notizen des Interviewers. Jetzt fällt ihm doch noch was ein,
       wovor er Angst hat: „Der größte Horror für mich wäre, wenn du mir meine
       Moderationskarten schreiben würdest.“ Lacher. Händedruck. Abgang Krömer.
       
       „Krömer - Late Night Show“ (Sa., 23.15 Uhr, ARD)
       
       18 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
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