# taz.de -- Kolumne Boston Buddies: Realität gewordene Lauren-Werbung
       
       > Der Preppy-Chic mit Bundfaltenhosen und Polo-Shirt-Kragen lebt an der
       > Küste Rhode Islands. Musikalische Reisebegleiter: Kenny, Ralph und
       > Taylor.
       
       „Come over, come over, come over, come over...“ Kenny Chesney schmachtet
       mich an. Mich und alle anderen „Country 102.5 WKLB“-Hörer, dem Radiosender
       in Boston für die besten Country-Songs, den ganzen Tag. Warum nicht?
       
       Ich lasse das Radio eine Autofahrt lang nur auf dieser Frequenz laufen,
       einen Teil amerikanischer Musikkultur erleben. Eigentlich bin ich auf dem
       Weg an Rhode Islands Küste, reiche Amerikaner in der Sommerfrische
       bestaunen. Die kein Country hören. NIEMALS. Moderner Country ist was für
       den mittleren Westen, Ohio, Kentucky, Nashville – klar. Hart arbeitende
       Malocher, die abends einen Whiskey an der Bar kippen. Soweit das Klischee.
       
       „Pour’ me something tall and strong, make it a ‚Hurricane’ before I go
       insane. It’s only half past twelve but I don’t care. It’s five o’clock
       somewhere.“ Klischee bestätigt. Im Auto muss der Country-Wahnsinn jedoch
       nüchtern ausgehalten werden.
       
       Zum Glück ist die neureiche, country-freie Zone nicht allzu weit entfernt.
       Knapp zwei Stunden dudelt’s immer gleich auf 102.5 – Worte, die einen Song
       garantiert in die Dauerrotation katapultieren: „love“, „drink“, „bar“ und
       jegliche Umschreibung von „Sex“, die der nach außen dargestellten
       amerikanischem Prüderie entspricht. „I don’t think I can take this bed
       getting any colder.“
       
       ## Wie auf den Werbeplakaten
       
       Endlich, Newport. Nur noch eine Brückenüberfahrt entfernt. Am anderen Ende
       beginnt die Realität gewordene Ralph-Lauren-Werbung. Perfekte Familien in
       ihrem perfekten Sommerurlaub. Der Mann lässig in Chinos und mit Ray Ban,
       die Gattin entspannt im Freizeitlook im faltenfreien Polo und die
       braungebrannten Kinder mit Marken ausgestattet von Kopf bis Fuß.
       Longchamp-Tasche schon für die Kleinsten inbegriffen. Und das in
       hundertfacher Ausführung, nur winzige Details variieren.
       
       Ganz wie auf den Werbeplakaten. In diesem Teil der Küste von Rhode Islands
       gibt es keine Armut. Dafür protzige alte Villen vor wundervoller
       Steilküsten-Kulisse. Fast unerträglich schön. Ich denke an Fitzgeralds
       Great Gatsby, aufwändige Partys, die roaring 20ies. Das
       Preppy-Chic-Jüngelchen in Bundfaltenshorts und hochgeschlagenem Hemdkragen,
       das mit seinem iPad fotografiert, zerstört das Bild. Wobei er vielleicht
       der Gatsby der Zukunft ist.
       
       Weniger geheimnisvoll, dafür umso reicher. Die entsprechende Yacht zum
       Lebensstil liegt auf der anderen Seite von Newport, im Hafen. Im
       Sonnenuntergang glitzern die weißen Monstren im Wasser – noch so ein
       bestätigtes Klischee. Musik weht herüber. Country? In dieser Welt natürlich
       nicht. Doch die Illusion von Perfektion verkaufen sie beide. “So tell me
       what I gotta do to win you over. ... And every time you reach for me you'll
       find a hand out. Ohhh.”
       
       Hach, den Herzschmerz den können die Kollegen mit dem Cowboyhut schon
       besser als Newport-Player. Kurz bin ich versucht, der Illusion zu
       verfallen, es scheint so einfach, so leicht. Die Versuchung dauert
       zweieinhalb Minuten. Die Fahrt sehr viel länger. Aus Versuchung wird
       schnell wieder Disziplin, bis zum Ende durchzuhalten. „We are never ever
       getting back together, we are never ever getting back together ... Like
       ever.“ Taylor Swift ist sich sicher.
       
       Ich mir am Ende des Tages auch. Die Country-Buddies und ich – wir kommen
       nicht noch einmal zusammen. Der Wagen steht, die Musik ist aus – ich mache
       mir einen Drink.
       
       26 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Havertz
       
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