# taz.de -- Merkel soll China-Korrespondenten helfen: „Sie sollten auf ihre Familie achten“
       
       > Deutsche Korrespondenten in Peking beklagen die Verschärfung ihrer
       > Arbeitsbedingungen. Sie bitten Merkel um Hilfe, die am Donnerstag nach
       > China fliegt.
       
 (IMG) Bild: Schwierige Arbeitsbedingungen: Journalisten drängen sich um Chinas Außenminister Yang Jiechi.
       
       PEKING taz | Eigentlich war für den Besuch von Kanzlerin Angela Merkel am
       Donnerstag in Peking kein wirklich brisantes Thema vorgesehen. Wen Jiabao
       hatte vor seinem bevorstehenden Abgang als chinesischer Premierminister zu
       den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen geladen, um noch einmal
       die Freundschaft beider Länder zu beschwören.
       
       Nun bahnt sich ein Streitthema an. Die in China ansässigen Korrespondenten
       aus Deutschland (unter anderem auch der Autor) haben in einem [1][offenen
       Brief] die Kanzlerin darum gebeten, sich bei Wen für bessere
       Arbeitsbedingungen und mehr Pressefreiheit einzusetzen. „Polizei und
       Staatssicherheit behindern unverändert unsere Arbeit und drohen unverhohlen
       damit, unsere Visa nicht zu verlängern, wenn wir über „sensible“ Themen
       berichten“, beklagen die 26 China-Korrespondenten in dem Brief.
       
       Anlass für den Appell an die Kanzlerin sind eine Reihe von Drohungen gegen
       ausländische Journalisten in jüngster Zeit. So wurde einem deutschen
       Korrespondenten nach einer Recherche über parteiinterne Dokumente offen mit
       Konsequenzen gedroht. „Sie haben doch Frau und Kind. Auf deren Sicherheit
       sollten Sie achten“, warnten sie ihn.
       
       Zudem kommt es vor allem gegen Fernseh- und Hörfunkjournalisten immer
       wieder zu Übergriffen, zuletzt vor zwei Wochen gegen ein Fernsehteam der
       ARD, das nach Dreharbeiten vor einer Fabrikanlage neun Stunden lang
       festgehalten wurde. Aber auch allgemein haben sich die Arbeitsbedingungen
       für Journalisten verschlechtert. So sind viele Regionen Chinas offiziell
       für ausländische Journalisten gesperrt. Dazu zählen nicht nur Tibet,
       sondern auch andere von Tibetern besiedelte Gebiete und Teile der Region
       Xinjiang, wo die Minderheit der Uiguren lebt.
       
       ## Einladung zum „Tee trinken“
       
       Besonders gefährdet sind Interviewte und die chinesischen Mitarbeiter der
       Korrespondenten. Die chinesische Staatssicherheit lädt die Assistenten
       regelmäßig zum „Tee trinken“ ein und fordert sie auf, ihre Vorgesetzten
       auszuspionieren oder sich nicht mit kritischen Themen zu beschäftigen. In
       einer Umfrage der Vereinigung ausländischer Korrespondenten in China (FCCC)
       sagen mehr als ein Drittel der Mitglieder, dass ihre Mitarbeiter bedroht
       werden. 98 Prozent der Befragten erklärten, dass internationale Standards
       für Berichterstattung nicht gewahrt werden.
       
       Einen neuen Höhepunkt haben die Restriktionen Anfang des Jahres mit der
       Ausweisung der US-Journalistin Melissa Chan vom Sender Al Jazeera erreicht
       – das erste Mal seit vierzehn Jahren. Und auch den langjährigen
       Korrespondenten des Spiegel-Verlages ließ das chinesische Außenministerium
       mehr als ein Jahr auf ein Journalistenvisum warten und haben ihm damit de
       facto ebenfalls eine Arbeitserlaubnis verweigert.
       
       Deutsche Korrespondenten, die lange in Peking arbeiten, halten die heutigen
       Bedingungen für schlimmer als vor zehn Jahren. Bundesregierungssprecher
       Steffen Seibert versicherte, die Kanzlerin werde auch dieses Mal dafür
       werben, dass eine „vitale, selbstbewusste Zivilgesellschaft und unabhängige
       Medien eine Bereicherung für ein Land wie China sind und keine Gefahr.“
       Michael Rediske der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sieht seine
       Befürchtungen bewahrheitet, die er schon während der Olympischen Spiele
       2008 in Peking hatte: „Die Spiele haben nicht zu weniger Zensur und mehr
       Medienfreiheit geführt.“
       
       Vielmehr habe Chinas Regierung die Daumenschrauben seit dem vergangenen
       Jahr wieder angezogen. Auf dem Index der Pressefreiheit, den die
       Organisation erstellt, belegt die Volksrepublik einen der hinteren Plätze.
       Nur Iran, Turkmenistan, Syrien, Eritrea und Nordkorea schränken eine freie
       Berichterstattung noch mehr ein.
       
       28 Aug 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /static/pdf/Brief_Korrespondenten.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Uiguren
 (DIR) China
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Hohe Haftstrafen gegen Uiguren in China: Zweimal lebenslang
       
       Ethnische Spannungen gehören in Nordwestchina zum Alltag. Während sich die
       Uiguren unterdrückt fühlen, sprechen die Behörden von Separatismus.
       
 (DIR) Chinesische Journalisten streiken: Zu viel Zensur
       
       In der Provinz Guangdong fordern Journalisten den Rücktritt des dortigen
       Propagandachefs. Der war sogar für chinesische Zensur-Verhältnisse zu weit
       gegangen.
       
 (DIR) Kommentar Merkel in China: Die große Chance
       
       Es ist richtig, dass die Bundeskanzlerin die Beziehungen mit China
       intensiviert hat. Sie sollte die Gelegenheit zum Menschenrechtsdialog
       nutzen.
       
 (DIR) Merkel in China: Hilfe in der Euro-Krise
       
       Mit 13 Abkommen hat der Besuch der Bundeskanzlerin und der chinesichen
       Regierung begonnen. Weitere Themen werden der Bürgerkrieg in Syrien und die
       Euro-Rettung sein.
       
 (DIR) Bundeskanzlerin Merkel besucht China: Exportweltmeister unter sich
       
       Merkels Reise zeigt die weltwirtschaftliche Bedeutung der Beziehungen
       Chinas und Deutschlands. Peking sieht die Kanzlerin bereits als „Frau
       Europa“.
       
 (DIR) Debatte Justiz in China: Die saubere Partei
       
       Den Mordprozess gegen die Frau von Bo Xilai zu manipulieren war für die KP
       relativ einfach. Im Internet für Ruhe zu sorgen ist da schon schwieriger.
       
 (DIR) Korruption in China: Der rote Geldadel
       
       Der Prozess gegen Gu Kailai hat einen Einblick in das korrupte politische
       System Chinas gegeben. Viele in den oberen Ebenen der Partei haben Vermögen
       angehäuft.
       
 (DIR) Urteil in China: Tod auf Bewährung
       
       Gu Kailai, Frau des entmachteten chinesischen Spitzenpolitikers Bo Xilai,
       ist wegen Mordes zum Tode verurteilt worden. Eine Umwandlung in lebenslange
       Haft ist in zwei Jahren möglich.