# taz.de -- DIE WAHRHEIT: Ja zum Unfalltod!
       
       > Unterwegs auf der Leseautobahn.
       
 (IMG) Bild: Wer aus dem Schilderwald herausfindet, der fühlt sich wie erlöst.
       
       Eine mehrstündige Autobahnfahrt kann es, was den auf Straßenschildern und
       Verkehrszeichen angebotenen Lesestoff betrifft, locker mit den
       „Buddenbrocks“ aufnehmen. Zwar ist in den „Buddenbrocks“ manches prägnanter
       formuliert, auch ist die Story im Großen und Ganzen besser entwickelt, doch
       mengenmäßig bekommt der Benutzer einer hiesigen Autobahn genauso viel zu
       lesen wie der bildungsbeflissene Literaturfreund.
       
       Die großformatigen Hinweisschilder „Rettet den Wald!“ längs der
       Bundesautobahnen anzubringen, weist auf großes psychologisches Geschick
       hin. Denn wenn sich der Deutsche nach irgend etwas richtet, dann sind es
       Verkehrszeichen an Autobahnen. Oder schon mal von jemandem gehört, der eine
       Höchstgeschwindigkeitsangabe überschreitet? Einige gehen beim Wald retten
       sogar so weit, dass sie das Auto auf dem Seitenstreifen abstellen und zu
       Fuß weitergehen. Oder auf dem Rastplatz ein Stück in den Wald hineintreten
       und ihm Mut zusprechen: „Wird schon wieder!“
       
       Die Autobahn ist auch der richtige Ort für die grundsätzlichen Dinge des
       Lebens. Erstaunlich, dass bisher keine Werbeagentur auf den Gedanken kam,
       am Rande der Autobahn Aufsteller mit detaillierten Anleitungen für
       richtiges Zähneputzen oder einen seriös dreinblickenden Prominenten mit dem
       Spruch: „Organspende? Immer gern!“ anzubringen.
       
       Etwas weniger leicht zu konsumieren sind jene an ostdeutschen
       Autobahnbrücken angebrachten Transparente mit der Aufschrift: „Smiertelny
       wypadek, road death, Unfalltod – No!“ Wieso warnt man man nur Polen,
       Engländer und Deutsche vor dem Unfalltod? Jedes Planschbecken-Reparaturset
       wird inzwischen mit einem Begleitheft in den 23 Amtssprachen der EU
       verkauft, und bei so etwas Wichtigem begnügt man sich mit drei Sprachen!
       
       Anfangs stand da sogar nur „Smiertelny wypadek – No!“ Doch wenn der
       Deutsche etwas nicht leiden kann, dann sind es unverständliche
       Verkehrsschilder. Die logische Folge: Anhalten, zurücksetzen, noch mal ganz
       in Ruhe nachlesen. Mit Folgen, die hier nicht im Detail darzustellen sind.
       Im Verkehrsministerium verwarf man den daraufhin gemachten Vorschlag, aus
       „Smiertelny wypadek – No“ einfach ein „Smiertelny wypadek – Yes!“ oder
       „Smiertelny wypadek – uns doch egal!“ zu machen. Stattdessen ergänzte man
       den Text um die englische und die deutsche Übersetzung. Denn die Sprache
       des Unfalltodes ist international.
       
       Wer mit Kindern reist, kennt folgende Situation: „Los Kinder, geht noch mal
       beten!“ – „Ich muss aber nicht!“ – „Egal, versucht’s trotzdem!“ Kaum ist
       man auf der Autobahn, schallt’s aus dem Fond: „Ich muss ganz dringend mal
       beten!“ Man explodiert förmlich vor Wut: „Aber du hast doch gerade erst!
       Reiß dich mal ein bisschen zusammen!“ Die Gattin und Mutter mischt sich
       ein: „Wenn er aber muss!“ – „Mir egal!“ – „Soll er hier alles vollbeten,
       oder was?“
       
       Ehe es eskaliert, taucht aber zum Glück am Straßenrand das Hinweisschild
       auf die Evangelische Autobahnkirche Exter auf. Was für eine Erleichterung!
       Nie las man ein Autobahnschild lieber! Hauptsache, die Kinder sind so
       schlau und beten gleich groß.
       
       31 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Robert Niemann
       
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