# taz.de -- Waffenschmiede in Oberndorf blockiert: Alle 14 Minuten ein Toter
       
       > Das Orchester „Lebenslaute“ blockiert den Waffenhersteller Heckler &
       > Koch. Aus deren Chefetage lässt sich niemand blicken.
       
 (IMG) Bild: Musikalischer Protest vor den Werkstoren von Heckler & Koch.
       
       OBERNDORF AM NECKAR taz | 14 Minuten. Solange sollten die Mitarbeiter von
       Heckler & Koch doch bitte innehalten und der Menschen gedenken, die durch
       die von ihnen hergestellten Schusswaffen zu Tode kommen. Weil alle 14
       Minuten ein Mensch durch eine Waffen aus dem Hause Heckler & Koch in
       Oberndorf zu Tode kommt. Das zu Schichtbeginn um fünf Uhr früh, eine Bitte
       an die Arbeiter, geäußert von Musikern, die mit Stücken von Schubert und
       Händel musizierend die fünf Werkstore blockierten. Die Arbeiter kamen der
       Bitte nicht nach.
       
       Die Szene spielte sich am Montag früh zum unangekündigten Teil der
       Konzertblockade des Orchesters „Lebenslaute“ ab. Fünf Stunden dauerte die
       Belagerung der fünf Werkstore von Heckler & Koch. Einige Arbeiter gelangen
       über Schleichwege vorbei auf das Werksgelände, es gelingt keine
       vollständige Blockade des Haupttors. Dennoch scheint der Betrieb gestört.
       Die Mitarbeiter-Parkplätze vor dem Werksgelände sehen leer aus. Offenbar
       waren viele erst gar nicht gekommen. Montagsbetrieb in der Waffenschmiede
       auf Sparflamme.
       
       Pünktlich um 10 Uhr stimmten Chor und Orchester mit der Händel-Arie
       „Waffenhandwerk schafft nur Unheil“ den offiziellen Teil vor dem
       Haupteingang an. So lautet das Motto für die Konzertaktion des
       „Lebenslaute“-Orchesters, das einmal im Jahr mit klassischer Musik an
       ungewöhnlichen Orten wie Atommüllagern und Militärübungsgeländen für
       Frieden und Menschenrechte demonstriert. Über hundert Instrumentalisten und
       Chorsänger aus dem Bundesgebiet und aus Österreich haben sich in diesem
       Jahr auf die Aktion in Oberndorf vorbereitet. Sie ist Teil einer
       mehrtägigen bundesweiten Kampagne gegen Rüstungsexporte.
       
       ## Waffen trotz Embargo
       
       Der sogenannte Kleinwaffenhersteller Heckler & Koch ist einer der
       bedeutendsten Infanteriewaffenhersteller in Deutschland. Immer werden seine
       Waffen in Staaten gefunden, die mit einem Waffen-Embargo belegt sind. Die
       Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem, weil im vergangenen Jahr
       Heckler-Waffen auf einem Gaddafi-Stützpunkt in Libyen gefunden worden
       waren. Exportschlager sind unter anderem die Schnellfeuergewehre G3 und
       G36. „Der Begriff Kleinwaffen ist eine Verniedlichung“, sagt die
       Bratschistin Barbara Rodi nach dem ersten Stück in Mikrofon. „Tatsächlich
       sind es Massenvernichtungswaffen, denn durch diese werden die meisten
       Menschen auf der Welt getötet.“
       
       Rodi erhält Applaus, rund 200 Zuhörer sind zur Konzertaktion gekommen,
       viele davon aus der Umgebung, aus Stuttgart und Schwäbisch Gmünd. Darunter
       viele ältere – untypisches Publikum für Straßenblockade-Aktionen, aber
       typisch für „Lebenslaute“, die mit klassischer Musik bürgerliches Publikum
       anziehen. „Das Tolle ist, das die nicht nur spontan mal Musik machen,
       sondern dass alles so professionell einstudiert ist“, munkelt ein Mann
       seinem Nachbarn zu.
       
       Nach weiteren Stücken Schubert und Pasquais' Friedensoratorium fordern
       „Lebenslaute“-Musiker am Mikrofon Rüstungskonversion, die Umstellung der
       Produktion auf zivile Güter. Heckler & Koch habe das schon zweimal getan,
       nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg. Mitarbeiter des
       Sicherheitsdienstes der Firma verfolgen gleichmütig das Programm, aus der
       Chefetage lässt sich an diesem Tag niemand blicken. Man hat sich wohl
       entschieden, abzuwarten und auszusitzen.
       
       ## Waffen für die „Guten“
       
       Abseits des begeisterten Publikums haben sich einige Oberndörfer
       aufgestellt, die das Geschehen bissig verfolgen. Ex-Heckler-Mitarbeiter,
       wie sich herausstellt, die sich mit ihrem früheren Arbeitgeber
       solidarisieren wollen. „Ich bin stolz, dort gearbeitet zu haben, das ist
       eine ganz soziale Firma“, sagt einer. „Heckler & Koch ist doch ein kleines
       Würstchen, warum geht es immer gegen die?“, fragt eine Frau.
       Rüstungskonversion? – sie winken ab. Auf Autos oder Nähmaschinen umstellen?
       Das hätte die Firma alles schon ausprobiert, es würde sich nicht tragen,
       der Markt sei gesättigt. Außerdem produzierten Heckler & Koch doch für
       Polizei und Bundeswehr. Die „Guten“ gewissermaßen. Krieg werde es sowieso
       immer geben. „Das kann man doch in der Bibel lesen!“, sagt die Frau.
       
       Vorn vor dem Werkstor wird derweil die Abschaffung der Bundeswehr
       gefordert. Dann geht das Orchester zu den „unklassischen“ Stücken über,
       gibt ein Lied der Punkband Chumbawumba sowie das Volkslied Guantanamera zum
       besten. Die Stimmung wird gelöster. Ein „Rüstungsbeauftragter“ der
       Bundesregierung weiht ein Denkmal ein für den Firmengründer Mauser und
       verkündet die Schließung von Heckler & Koch zum 31.3.2013 – „aufgrund von
       Protesten der Bevölkerung“. Es ist eine Comedy-Einlage, die direkt in die
       Mittagspause fällt, als Mitarbeiter aus den grauen Hallen strömen und sich
       auf der anderen Seite des Werktors sammeln. Am Ende ertönt ein Walzer, bei
       Heckler & Koch wird getanzt.
       
       3 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nancy Waldmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Heckler und Koch
       
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