# taz.de -- Berliner Musiker „Tapete“: „Gema schränkt meine Freiheit ein“
       
       > Auch kleine Musiker können ohne die Gema von ihrer Kunst leben, sagt der
       > Berliner HipHop-Künstler Tapete. Darum sei eine Mitgliedschaft nicht
       > nötig.
       
 (IMG) Bild: Tapete (29) bietet seine Musik kostenlos zum Download an.
       
       taz: Tapete, würden Sie gern von Ihrer Musik leben können? 
       
       Tapete: Das kann ich gerade! Im Mai habe ich mich selbstständig gemacht und
       schaffe es jetzt, immer so auf null rauszukommen. Eigentlich wäre ich auch
       sauber durch den August gekommen, wären da nicht 300 Euro Strafe, die ich
       jetzt fürs Schwarzfahren bezahlen muss.
       
       Wären 300 Euro nicht ein Klacks, wenn Sie Tantiemen von der Gema bekommen
       würden? 
       
       Ach, Geld bekommst du von denen nur, wenn du bekannt bist und ständig im
       Radio gespielt wirst. Mitglied bei der Gema zu werden kam für mich schon
       nicht infrage, als ich vor sechs Jahren mein erstes Album fertiggestellt
       habe. Ich brauche keine Behörde, die mich beaufsichtigt und meine Freiheit
       einschränkt.
       
       Die große Mehrheit der 66.000 Gema-Mitglieder sind kleine, unbekannte
       Künstler. 
       
       Immer wieder wollen mir Leute verklickern, dass ihnen die Mitgliedschaft
       etwas bringt. Tut sie aber für die allermeisten nicht – es profitieren nur
       die wenigen sogenannten Großen. Ich habe das Gefühl, viele Musiker halten
       sich für vollwertiger, wenn sie Gema-Mitglied sind. Jeder hofft, dass er
       irgendwann doch noch eine fette Ausschüttung bekommt. Aber die Leute
       sollten einfach nicht mehr der Gema beitreten, und die DJs sollten keine
       lizenzierte Musik mehr auflegen. Nur dann ändert sich etwas.
       
       Sie sind also nicht in der Gema, weil Sie damit eh kein Geld verdienen
       würden. 
       
       Es geht mir vor allem um eines: Als Gema-Mitglied könnte ich mein Zeug
       nicht ohne Probleme frei ins Netz stellen. Einen richtig fetten Song, der
       gerade perfekt in die Zeit passt, nicht direkt hochladen zu dürfen – das
       ist scheiße. Mein aktuelles Album habe ich ausschließlich auf meine
       Homepage gestellt, zum freien Download. Es wurde mehr als 11.000-mal
       heruntergeladen, das ist schon beachtlich.
       
       Aber Geld haben Sie damit keines verdient. 
       
       Nein, keinen Cent. Ich denke aber schon über einen Spendenbutton für das
       nächste Mal nach: 1 Euro pro Download, freiwillig, das wäre schon in
       Ordnung. Aber auch aus den freien Downloads sind Engagements für Auftritte
       entstanden.
       
       Reichen Auftritte denn aus, um einigermaßen über die Runden zu kommen? 
       
       Im Moment geht es gerade so. Aber das ist der Weg als sogenannter kleiner
       Künstler: Du musst mit sozialen Netzwerken und guten Musikvideos auf deine
       Lieder aufmerksam machen. Dafür brauchst du Ideen und Zeit. Und dann heißt
       es: auftreten, auftreten, auftreten.
       
       Und nach jedem Auftritt müssen Sie eine Liste für die Gema ausfüllen. 
       
       Ja, immer! Selbst als gemafreier Künstler schreibe ich jedes Mal auf,
       welche Titel ich gespielt habe, samt meinem Namen und meiner Adresse. Damit
       der Veranstalter das weiterleiten kann. Und was folgt daraus? Ich bekomme
       Werbung von der Gema an meine Hausadresse geschickt! Zumindest landen die
       Briefe in Zukunft nicht mehr dort.
       
       Warum nicht? 
       
       Ich habe es geschafft, meinen Künstlernamen in den Personalausweis
       eintragen zu lassen, und kann deswegen jetzt alles mit „Tapete“
       unterschreiben. Auf meinen Gema-Listen wird nichts mehr stehen außer
       „Tapete“ und höchstens meine Postfachadresse.
       
       Dafür könnten Ihnen bald die Veranstaltungsorte ausgehen: In Berlin
       prophezeien viele Clubs, dass sie pleitegehen werden, wenn die Tarifreform
       der Gema Realität wird. 
       
       Da muss sich das Denken ebenfalls ändern. Ein Club könnte doch einen Aufruf
       starten und sagen: Wenn ihr geile gemafreie Mucke macht, dann schickt uns
       euer Zeug und wir spielen es. Ein Club, der sogar ausschließlich gemafreie
       Musik spielen würde, der würde sofort laufen.
       
       Sind Sie sicher? 
       
       Jede Wette. Das wäre eine geniale Geschäftsidee. Am liebsten würde ich das
       selbst machen.
       
       Wo soll denn die ganze freie Musik herkommen? 
       
       Viele Künstler arbeiten mit Creative-Commons-Lizenzen: Da bestimmt der
       Urheber selbst, zu welchen Bedingungen und Zwecken jemand seine Werke
       nutzen darf. Da ist richtig viel gute Musik dabei, auch wenn die Gema schon
       versucht hat, Creative Commons zu diskreditieren.
       
       Inwiefern? 
       
       Es gab mal einen Artikel auf der Gema-Homepage, in dem stand,
       Creative-Commons-Künstler seien nicht erfolgreich und die Qualität der
       Musik sei schlecht. Auch in Reaktion darauf haben mein Partner Crying Wölf
       und ich „Lip Gloss“ gemacht: Die Platte stand unter Creative Commons und
       ist gespickt mit Gema-Disses. Ich sage damit: Zeitgemäße Musik zu machen
       ist für mich das kleinste Problem, ihr Storyteller.
       
       5 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Puschner
       
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