# taz.de -- Kampagne für Genossenschaften: Wer in Tschechien rechts wählt
       
       > Die heutige tschechische Regierung ist nicht vom Himmel gefallen. Sie
       > stellt die extreme Folge einer Weltanschauung dar, die für einen kleinen
       > Teil der Gesellschaft typisch ist.
       
 (IMG) Bild: Wer wählt hier rechts? Prag.
       
       BRÜNN kulturní noviny | Die letzten zwei Jahre haben den Eindruck endgültig
       widerlegt, dass an der chronischen Unfähigkeit der hiesigen Rechten die
       Partei ODS oder Václav Klaus schuld sind. Es zeigt sich, dass sie der
       tschechischen Rechten immanent ist. Aus diesem Grunde sind alle Versuche
       gescheitert, eine seriöse konservative Partei zu etablieren, die nicht
       korrupt wäre und die die These verstehen würde, dass der Staat den Bürgern
       dienen soll und nicht umgekehrt.
       
       Das Problem besteht nämlich vor allem in der Mentalität des Rechtswählers.
       Es geht weder um einen faschistoiden Ignoranten noch um einen Mafioso, wie
       sich ihn einige linksorientierte Intellektuelle gerne vorstellen. Er ist
       ein normaler Mensch, sagen wir ein Mann in den mittleren Jahren, mit einer
       kleinen Firma, die er gleich nach dem Schulabschluss mit vollem Optimismus
       gegründet hat.
       
       In der letzten Zeit stockt es jedoch ein bisschen und der Mann verdient nur
       so viel, dass er seine Raten zahlen kann. Er ist genug intelligent, so dass
       er die immer verrückteren Aussagen der Wahnsinnigen aus der Burg nicht
       ernst nimmt. Er hasst die Kommunisten, weil es in der Zeit ihrer Herrschaft
       keine Freiheit gegeben hat, jetzt denkt er aber, dass einige Leute zu viele
       Freiheiten haben.
       
       Alle Linksparteien hat er im Verdacht, dass sie die Verhältnisse aus der
       Zeit vor 1989 wiederherstellen wollen, und ebenso lehnt er die Parteien der
       Mitte ab. Er verlässt sich nur auf sich selbst und ist skeptisch gegenüber
       allen höheren Entitäten, wegen denen er sich einschränken sollte, sei es
       Gott (Die Volkspartei) oder die Natur (Die Grünen). Die Korruption geht ihm
       zwar auf die Nerven, im Geschäft macht er sich jedoch längst keine
       Illusionen mehr, dass sich das Fair-Play lohnt. Er hat einen gewissen Sinn
       für soziale Gerechtigkeit – dieser manifestiert sich in der Regel so, dass
       er einem netten afrikanischen Kind seine Ausbildung zahlt (was die Probleme
       in Afrika keinesfalls lösen könnte).
       
       ## Das Leben als Kampf
       
       Seinen bedürftigen Mitbürgern hilft er jedoch nicht, denn sie können nicht
       so rührend dankbar sein. Von der Solidarität hat er schon was gehört,
       versteht sie jedoch wie einen im Voraus bezahlten Solotanz beim Tanzabend:
       weil ich gezahlt habe, soll mein Lied gespielt werden. Er wäre sehr
       verärgert, wenn man ihn Egoist nennen würde, denn er bemüht sich, seine
       Familie zu versorgen, und damit begründet er manche Kompromisse, die er
       eingeht.
       
       Ein häufig unterschätzter Vorteil von Sozialdarwinismus besteht darin, dass
       zu dessen Verständnis ein sehr simpler Verstand genügt. Außerdem ist der
       radikale Individualismus eine bequeme Lebenseinstellung, die keine
       limitierenden Skrupel kennt. Das Leben als Kampf zu verstehen, bei dem der
       Tüchtigste gewinnt, hängt damit zusammen, dass in einigen Menschen immer
       noch ein kleiner Junge steckt – der wirtschaftliche Wettbewerb ist
       heutzutage so deformiert, dass das Prinzip von Arbeit und Verdienst zum
       Kitsch geworden ist.
       
       Wenn sich an den Formeln aus den Kursen für Manager auch solch ein
       komplexer Organismus wie die menschliche Gesellschaft zu orientieren
       beginnt, kann es übel ausgehen. Der Kult der oberflächlich begriffenen
       Ökonomie führt dazu, dass die Mittelschicht bei allen Wahlen jedem
       Hochstapler einen Blankoscheck ausstellt, wenn er sich für den Anhänger der
       Rechten ausgibt.
       
       Da der Wähler der Rechten immer arbeitet, hat er nicht viel Zeit zum
       Nachdenken. Die Medien sind sich dessen bewusst und bieten ihm alle Themen
       in einer solchen Form an, dass sie schon auf den kleinsten gemeinsamen
       Nenner gebracht sind. Die Griechen seien faul, Moslems grausam, Russen
       böse, Gewerkschaftler schmutziges Gesindel, die Europäische Union sei
       kommunistisch, die Intellektuellen seien Parasiten und der Staat sei ein
       schlechter Unternehmer. An der Krise sind immer nur die Anderen schuld.
       
       ## Die Linke schweigt
       
       Die Neigung, ständig an den Jahresabschluss zu denken, führt dazu, dass die
       Kleinunternehmer ein ständiges Gefühl beunruhigt, für jemanden zu zahlen.
       Ihre Lebenseinstellung hat mit dem laut verkündeten Konservativismus nicht
       viel gemeinsam, es handelt sich eher um eine Analogie zu der
       kommunistischen Utopie: wenn die Arbeitenden die Parasiten los werden
       (Rentner und Arbeitslose), kommt das Paradies auf Erden.
       
       Die tschechische Linke schwelgt leider in einem Gefühl moralischer
       Überlegenheit und der Wähler der Rechten interessiert sie nicht. Es ist ein
       großer Fehler, denn es wäre angebracht, einige Vorurteile und Chimären
       gegenüber der linken Politik geduldig und sachlich zu widerlegen.
       
       Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Rechtswähler beim nächsten Urnengang
       weder der kompromittierten Partei ODS noch der misanthropischen TOP 09
       seine Stimme gibt, sondern der recycelten Partei Věci veřejné, deren
       geheimnisvoller Mäzen wiederum optimistische Wahlprognosen gewährleistet.
       Der Rechtswähler muss manchmal daran erinnert werden, dass Steuern nicht
       als Strafe gemeint sind.
       
       Aus Steuergeldern wird manches bezahlt, was den Unternehmen ihr
       Funktionieren ermöglicht und was kein Einzelner besorgen kann. Zum Beispiel
       den Straßen- und Eisenbahnbau oder die Polizei, die die Kriminalität im
       erträglichen Maße hält. Es lohnt sich genauso, ins Schulwesen zu
       investieren, das qualifizierte Arbeitskräfte hervorbringt und auch ins
       Gesundheitswesen, das für gute Kondition dieser Arbeitskräfte sorgt. Auch
       die Sozialhilfe wird nicht aus reinem Altruismus ausgezahlt; der
       Rechtswähler ist ebenso wie ein armer Mensch ein potenzieller Empfänger.
       Auch deshalb kann man bei uns immer noch Geld verdienen.
       
       Das alles ist aber keinesfalls selbstverständlich: man kann das am Beispiel
       der südamerikanischen Länder oder der Nachfolgestaaten der Sowietunion
       beobachten, die den Anordnungen der Weltbank folgen müssen. Für libertäre
       Experimente würden wir dann alle büßen: auch diejenigen, die sie für eine
       Rettung halten.
       
       Der Autor ist Dichter, Publizist, Übersetzer und Redakteur bei der Zeitung
       „Kulturní noviny“. Übersetzung von Tomáš Procházka.
       
       9 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jakub Grombíř
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rechter Populismus
       
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