# taz.de -- App.net statt Twitter?: Die Zeichen der Macht
       
       > Der Kurznachrichtendienst Twitter macht sich unbeliebt, weil er die volle
       > Kontrolle über seine Nutzer will. Alternativen gewinnen an Zulauf.
       
 (IMG) Bild: Twitter behandelt Entwickler zunehmend restriktiv.
       
       Es rumort im Twitter-Reich: Entwickler ärgern sich darüber, dass der
       populäre Kurznachrichten-dienst zunehmend die Kontrolle über sein Umfeld
       erhalten will. Twitter möchte möglichst viele Nutzer auf die eigene Website
       und in die eigenen Apps für Smartphones, PCs und Tablets holen, um dort
       dann Werbung verkaufen zu können. Nutzen User Twitter dagegen auf anderen
       Wegen, ist dies nicht oder nur erschwert möglich.
       
       Dabei sorgten in den vergangenen Jahren vor allem externe Entwickler dafür,
       dass Twitter überhaupt erst so populär werden konnte, wie es heute ist.
       Twitter hatte zuletzt am Mittwoch neue Bedingungen vorgelegt, zu denen
       Entwickler Anwendungen für den Kurznachrichtendienst programmieren können.
       
       Die sogenannte [1][API] mit der Versionsnummer 1.1 bringt einige Klopfer
       mit: So müssen sich Programmierer künftig strikt an Darstellungsregeln
       halten, nach denen einzelne Tweets auf Smartphone oder PC gelangen,
       akzeptieren, dass Werbung in den Twitterströmen ausgeliefert wird und
       erhalten Vorgaben, wie viele Nutzer sie maximal haben dürfen. Wer eine
       normale Twitter-Software anbietet, die mehr als 100.000 User hat, benötigt
       demnach künftig eine explizite Erlaubnis des sozialen Netzwerks.
       
       Erste Programmierer haben daraufhin bereits die Notbremse gezogen: Die
       Mac-Version von Tweetbot, einem bereits auf dem iPhone populären
       Twitter-Programm der kleinen Firma Tapbots, ist künftig nicht mehr
       öffentlich verfügbar, eine über Wochen laufende kostenlose Betaphase wurde
       abgeblasen. Der Grund: Tapbots fürchtet, dass schon vor der eigentlichen
       Fertigstellung der Software die 100.000-Nutzer-Grenze überschritten wird
       und dann eine Bezahlversion nicht mehr verkauft werden kann.
       
       ## Keine Slots mehr für zahlende Kunden
       
       Twitter ist hier nämlich restriktiv: Ein einmal für ein Programm gezählter
       Nutzer kann auch nicht mehr so einfach abgezogen werden. Würden also
       100.000 User Tweetbot für Mac nur im Rahmen der kostenlosen Betaphase
       ausprobieren, blieben keine Slots mehr für zahlende Kunden übrig. Es sei
       nicht möglich gewesen, das Problem mit Twitter selbst zu klären, hieß es
       von Tapbots. Der Leidensdruck ist mittlerweile so groß, dass
       Alternativangebote echte Chancen bekommen.
       
       Das [2][Projekt des Entwicklers Dalton Caldwell], der ein bezahltes
       soziales Netzwerk im Stil von Twitter aufbauen will, ohne dass ein Cent von
       Werbekunden kommt, erhält großen Zulauf. 800.000 US-Dollar nahm er
       innerhalb weniger Wochen an vorab bezahlten Mitgliedsgebühren ein,
       mittlerweile wurden bereits 250.000 einzelne Botschaften im Rahmen einer
       Vorabversion von App.net veröffentlicht.
       
       Der neue Dienst hat außerdem erste externe Programme vorzuweisen. So gibt
       es Clients sowohl für Android- als auch für Apple-Handys. App.net
       funktioniert dabei sehr ähnlich wie Twitter: Kurze, 256 Zeichen lange
       Botschaften lassen sich hierüber im Web und anderswo verbreiten, man kann
       anderen Nutzern folgen und entdecken, ob User einen erwähnt haben
       („@mention“).
       
       Es dürfte nicht lange dauern, bis App.net einen ähnlich großen
       Funktionsumfang wie Twitter erreicht – der Dienst ist trotz seines jungen
       Alters bereits erstaunlich fortgeschritten und stabil. Caldwell kann sich
       außerdem vorstellen, einen gewissen Prozentsatz seiner von Nutzern
       eingesammelten Monatsgebühren mit externen Entwicklern zu teilen. Das soll
       das Angebot an App.net-Programmen verbreitern – während es bei Twitter
       augenscheinlich in die entgegengesetzte Richtung geht.
       
       ## Entwickler-Streit
       
       Es ist kaum zu erwarten, dass Twitter von heute auf morgen durch solche
       Bestrebungen untergeht – dafür ist der Dienst mit seinen weltweit über 500
       Millionen Nutzern einfach zu groß. Nutzer dürften den Streit mit den
       Entwicklern aber zunehmend mitbekommen.
       
       So war Tweetbot für Mac auch deshalb in der Szene heiß ersehnt worden, weil
       die offizielle Twitter-Software für Apple-Rechner seit vielen Monaten nicht
       mehr überarbeitet wurde – sie erfüllt nicht einmal die offiziellen
       Darstellungsrichtlinien der API 1.1. Die Auswahl an Programmen für den
       Kurznachrichtendienst wird eingeschränkt, während Nutzer zunehmend mit
       Werbebotschaften konfrontiert werden.
       
       9 Sep 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://dev.twitter.com/docs/api/1.1/overview
 (DIR) [2] /Kostenpflichtige-Facebook-Alternative/!99247
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
       ## TAGS
       
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