# taz.de -- Anschläge im Irak: „An jedem Ort, zu jeder Zeit“
       
       > Ein irakisches Gericht verurteilt Vizepräsident al Haschemi zum Tode.
       > Derweil erschüttert eine Anschlagsserie mit mindestens 92 Toten das Land.
       
 (IMG) Bild: Ein irakischer Soldat patroulliert in Basra am Ort der Autobombenexplosion.
       
       BAGDAD dapd | Wegen des Aufbaus und Einsatzes von Todesschwadronen ist der
       irakische Vizepräsident Tarik al Haschemi in Abwesenheit zum Tod durch den
       Strang verurteilt worden. Ein Gericht in Bagdad sprach den sunnitischen
       Politiker am Sonntag schuldig, für den Tod eines Anwalts und eines
       schiitischen Vertreters der Sicherheitskräfte verantwortlich zu sein.
       
       Die Regierung warf al Haschemi zudem vor, während der politisch und
       religiös motivierten Gewaltwelle von 2005 bis 2011 im Irak bis zu 150
       Angriffe auf Regierungsmitarbeiter, Sicherheitskräfte und schiitische
       Pilger angeordnet zu haben.
       
       Während am Nachmittag bei der Urteilsverlesung im Gerichtssaal
       gespenstische Ruhe herrschte, explodierten im ganzen Land die Bomben. Bei
       einer landesweiten Anschlagsserie kamen mindestens 92 Menschen ums Leben
       und über 360 weitere wurden verletzt. Zwischen der Urteilsverkündung im
       Prozess gegen den flüchtigen al Haschemi und den Anschlägen in 13
       irakischen Städten schien nach ersten Einschätzungen kein direkter
       Zusammenhang zu bestehen. Doch die Gewalt und das Urteil gegen al Haschemi
       dürften die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten weiter verschärfen.
       
       Schon vor dem Morgengrauen begann in der Stadt Dudschail die
       Attentatswelle, die bis in die Abendstunden andauerte. Die schwersten
       Anschläge ereigneten sich am Abend in schiitischen Vierteln der Hauptstadt
       Bagdad – Stunden nach der Urteilsverkündung des Strafgerichts. Insgesamt
       kamen in Bagdad 42 Menschen ums Leben, 120 wurden verletzt. Viele der
       landesweiten Anschläge von Kirkuk im Norden bis Basra im Süden wurden mit
       Autobomben und anderen Sprengsätzen verübt. Sie richteten sich vor allem
       gegen die Sicherheitskräfte im Land.
       
       In der Stadt Dudschail stürmten Bewaffnete einen Militärposten und töteten
       nach Polizeiangaben mindestens zehn Soldaten und verwundeten acht weitere.
       Zu der Gewaltserie bekannte sich zunächst niemand. Das Innenministerium
       machte allerdings den irakischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida für
       die Anschläge und Angriffe verantwortlich. „Die Angriffe auf Märkte und
       Moscheen sollen konfessionelle und politische Spannungen provozieren“, hieß
       es in einer Erklärung des Ministeriums. „Unser Krieg gegen den Terrorismus
       geht weiter und wir sind bereit.“
       
       ## Mangel an Sicherheit
       
       In den vergangenen Jahren hatte die Gewalt im Irak zwar abgenommen, doch
       Aufständische verüben immer wieder Anschläge. „Diese Angriffe zeigen, dass
       die Al-Kaida zu jeder Zeit und an jedem Ort zuschlagen kann“, sagte der
       Grundschullehrer Ali Salem in Bagdad. „Der Mangel an Sicherheit könnte uns
       weit zurückwerfen.“
       
       Al Haschemi wurde am Sonntagnachmittag unter anderem für schuldig befunden,
       für den Tod eines Anwalts und eines schiitischen Vertreters der
       Sicherheitskräfte verantwortlich zu sein. Sein Schwiegersohn Ahmed Kahtan
       wurde ebenfalls zum Tode verurteilt. Die Anklage gegen al Haschemi war im
       Dezember 2011 erhoben worden, woraufhin der Vizepräsident in die Türkei
       floh und sich seitdem dort im Exil aufhält.
       
       Nach einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu in
       Ankara lehnte al Haschemi eine Stellungnahme zu dem Urteilsspruch ab,
       kündigte aber an, „dieses Problem in einer Erklärung anzugehen“. Den
       Prozess hatte er in der Vergangenheit wiederholt als politisch motivierten
       Feldzug der von Schiiten kontrollierten Regierung in Bagdad kritisiert.
       Sollte er in seine Heimat zurückkehren, könnte der Fall nach irakischem
       Recht neu verhandelt werden. Die beiden in Abwesenheit verurteilten Männer
       haben 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen.
       
       Die Vorwürfe gegen al Haschemi haben die ohnehin bestehenden Spannungen
       zwischen Sunniten und Kurden einerseits und den politisch dominierenden
       Schiiten andererseits verschärft. Kritiker werfen dem schiitischen
       Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki vor, er strebe ein Machtmonopol an. Die
       irakische Regierung, deren Zusammensetzung nach Anteilen der sunnitischen,
       kurdischen und schiitischen Bevölkerung austariert ist, ist politisch
       nahezu gelähmt.
       
       10 Sep 2012
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
       
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