# taz.de -- Bauen in Bremen: Hässlicher Wohnen
       
       > Der Bremer "Bauherrenpreis" zeigt, was hier als vorbildliche und
       > wegweisende Architektur gelten soll - möglichst konforme Häuser mit hohem
       > Energieverbrauch.
       
 (IMG) Bild: Der Jury hat an diesen Wohnsilos mit Bettenburg-Charme das "maritime Flair" besonders hervorgehoben.
       
       Die Latte hängt hoch beim [1][Bremer „Bauherrenpreis“], rein theoretisch
       zumindest. Architektonisch „wegweisend“ soll es sein. „Vorbildlich“ in
       mehrerlei Hinsicht – in gestalterischer, aber auch in technischer,
       ökonomischer, ökologischer und sozialer. In der Jury, die das zu beurteilen
       hatte, sitzen neben ArchitektInnen, VertreterInnen des Bauressorts,
       Bremerhavens und aller Bürgerschaftsfraktionen. Immerhin 40 Bewerbungen gab
       es, das sind mehr als bei früheren Wettbewerben dieser Art. Alle sind sie
       ab Dienstag im [2][Wilhelm-Wagenfeld-Haus] zu sehen. Das Bauressort lobt
       das „Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit“. Auch Michael Frenz,
       Präsident der [3][Architektenkammer] ist zufrieden: „Fast alle“ der Häuser
       besäßen „in der einen oder anderen“ Weise „Vorbildcharakter“. Eine
       „Leistungsschau“ zeitgenössischer Architektur also.
       
       Worin diese Leistung besteht, erstmal rein äußerlich, kann man am besten im
       Überblick sehen. In der Mehrheit sind es neu gebaute Ein und
       Zweifamilienhäuser, die hier zu sehen sind. Doch was für sich genommen als
       sogenanntes Architektenhaus individuell erscheint, offenbart in der
       Ausstellung als Stil der Gegenwart erschreckende Eintönigkeit, ja
       Einfallslosigkeit.
       
       Das Äußere folgt praktisch ausnahmslos dem, was im Mainstream der
       ArchitektInnen gerade als zeitgeistig, als schick gilt: Ein Flachdach ist
       quasi Pflicht, so viel 70er-Jahre-Retro-Look muss ein. Darunter kommen
       stets klare Kanten, und strikte geometrische Formen vermitteln
       Bunker-Charme. Immer wieder und gerne werden die Gebäude mit
       Bauhaus-Zitaten versehen und natürlich mit Fenstern, die über Eck gehen.
       Alles ist kalt und klar, streng und steril. Abweisend. Bestenfalls ist
       manches äußerlich mit Backsteinoptik verklinkert, ein wenig in sich
       verschachtelt oder mit bunt angemalten Quadern versehen, die wie angeklebt
       aussehen.
       
       Fast alle dieser Häuser sind hochpreisig, haben Baukosten von bis zu 3.000
       Euro pro Quadratmeter. Viele davon stehen auf dem Stadtwerder oder in der
       Überseestadt – sie belegen, wo in den letzten Jahren der Schwerpunkt der
       Stadtentwicklung lag und warum die Frage nach bezahlbarem Wohnraum derzeit
       gerade eine so dringliche ist. Bis 2020 wird von 15.000 fehlenden Wohnungen
       ausgegangen, die Zahl der Sozialwohnungen in Bremen ist seit 1991 von fast
       80.000 kontinuierlich auf zuletzt weniger als 10.000 gefallen. Ideen, wie
       das Problem angesichts knapper Mittel zu lösen ist – gibt es hier praktisch
       keine.
       
       Auch auf andere Materialien, Baustroh etwa oder zumindest Holz wird in
       Bremen nicht so wert gelegt, überhaupt nimmt man es mit der
       Energieeffizienz nicht so genau. Vorbildliche, Passiv oder
       Niedrigenergiehäuser sucht man in der Ausstellung vergebens. Von einem
       Plus-Energie-Haus ganz zu schweigen. Dabei hätte sich manch Bauherr das
       leisten können, und es gibt solche Neubauten, etwa einen in Horn-Lehe, der
       im Sommer Richtfest feierte. Das grüne Bauressort hätte ihn fast
       verhindert.
       
       Der Energieverbrauch dessen, was hier zu sehen ist, rangiert also nicht
       etwa in den Kategorien A oder gar A++, um es mal auf eine bekannte Formel
       zu bringen. Sondern bestenfalls in der Kategorie B, bei Preisträgern darf
       es auch gern mal C sein. Nur alte, unsanierte Häuser schneiden noch
       schlechter ab. Bezeichnenderweise ist eines der Energie-effizientesten
       Häuser im gelobten Wettbewerb das ehemalige Polizeihaus in Peterswerder,
       Anfang des vorigen Jahrhunderts gebaut. Zum Vergleich: Der Sieger in der
       Kategorie „Einfamilienhaus“, eine Burg mit vier Türmen namens
       „Wasserkunst“, nahe der umgedrehten Kommode gelegen, verbraucht mehr als
       das doppelte.
       
       Irgendwann wird die Zeit auch über diese Häuser hinweggehen.
       
       10 Sep 2012
       
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