# taz.de -- Kommentar zum OECD-Bildungsbericht: Bildungsbürger schotten sich ab
       
       > Die Hochschule zementiert die Ungleichheit in der Gesellschaft.
       > Akademikerkinder gehen zur Uni, die anderen begnügen sich mit einer
       > Lehre.
       
 (IMG) Bild: Bleibt in Münster eine Baustelle: Die Förderung von sogenannten Bildungsaufsteigern.
       
       BERLIN taz | Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer - und die
       Schuldigen sind schnell ausgemacht: Es sind die Unternehmen, die
       Niedriglöhne zahlen; es ist der Staat, der Sozialleistungen streicht, oder
       einfach die Globalisierung. Der neue OECD-Bericht zur Bildung zeigt, dass
       es vor allem eine Institution gibt, die dafür sorgt, dass die Gesellschaft
       auseinanderdriftet: die Hochschule.
       
       Sie ist eben nicht der unschuldige Verwalter der Erkenntnis, kein heiliger
       Ort des Schönen, Wahren, Guten – sondern ein Ungleichmacher ersten Grades.
       Die Gehälter der Akademiker eilen dem Rest der Bevölkerung davon. Ihr
       Einkommensvorsprung ist in den vergangenen zehn Jahren in den OECD-Ländern
       gewachsen, vor allem in Deutschland. Der Soziologe, der Taxi fährt, und der
       promovierte Historiker auf Hartz IV – beide sind vor allem eins: ein
       Gerücht. Akademikerschwemme? Fehlanzeige. Unter Hochschulabsolventen
       herrscht nahezu Vollbeschäftigung.
       
       Besonders bitter ist, dass sich diese Vorteile vor allem diejenigen zu
       sichern vermögen, die ohnehin privilegiert sind: Eine [1][Studie] der
       privaten Vodafone-Stiftung hatte diese Woche bereits gezeigt, dass junge
       Leute, deren Eltern selbst nie studiert haben, vor dem Gang an die
       Hochschulen zurückschrecken – selbst dann, wenn sie eigentlich könnten. Und
       die Studienscheue der Bildungsfernen vergrößert sich sogar.
       
       Nun bescheinigt auch die OECD Deutschland, dass der soziale Aufstieg hier
       seltener gelingt als in anderen Ländern. So zementiert unser Bildungssystem
       Ungleichheit: Die Arzttochter schreibt sich für Medizin ein, heiratet
       später einen gut verdienenden Juristen, den sie von der Uni kennt, und
       gemeinsam können beide außerdem auf ein hohes Erbe hoffen. Der Sohn der
       Verkäuferin im Supermarkt macht derweil eine Lehre.
       
       Es gibt viele Gründe, warum das so ist. Es liegt am Gymnasium, in dem sich
       das Bildungsbürgertum abschottet und das leider partout nicht
       wegzureformieren ist. Es liegt aber eben auch an den Hochschulen, die sich
       lieber Exzellenz-Uni schimpfen als Lehranstalt der Massen sein zu wollen.
       Den Kindern der Nicht-Akademiker signalisiert man damit: Versucht es erst
       gar nicht.
       
       Ungerecht ist das, aber auch ineffizient. Denn so gelangen nicht die
       Talentiertesten in die bestbezahlten Berufe, sondern die, die schon immer
       dort waren. Der begabte Sohn der Verkäuferin bleibt hinter seinen
       Möglichkeiten zurück. An seiner Stelle sitzen lauter Akademikerkinder in
       den Hörsälen, die vielleicht mit einer Lehre besser fahren würden.
       
       11 Sep 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.vodafone-stiftung.de/publikationmodul/detail/46.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Kramer
       
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