# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Der letzte schöne Tag
       
       > Das geht alles von ihrer Freizeit ab: So schnell kann kein Prozessor
       > laufen wie der Sommer vergeht.
       
       Wow. „Doppelt so schneller Prozessor, doppelt so viel Freizeit.“ Man kann
       ja viel Schmarrn in seine Werbung hineinfabulieren. Wussten Sie zum
       Beispiel, warum man Erkältungen oft so schwer wieder los wird? Schuld sind
       Schleimmonster! Die turnen lustig in den Lungenflügeln herum, und wenn man
       einen speziellen Medizinsaft säuft, dann fegt es sie förmlich hinweg und
       man hustet die Monster einfach aus. Oder wenn Sie Ihrem Kind Hipp
       Kindermilch geben, dann kriegt es noch stärkere Knochen als alle anderen
       Kinder und kann Sie besser verteidigen, wenn es dann mal hart auf hart
       kommt bei den Verteilungskämpfen, zumindest gegen die schwächliche Brut vom
       Nachbarn, die seinerzeit zu knickerig für Hipp Kindermilch waren.
       Geschenkt.
       
       Aber „Doppelt so schneller Prozessor, doppelt so viel Freizeit“ – das ist
       fies, das geht tief, weil es sehr manipulativ mit einem sehr sensiblen
       Thema spielt. Ich las den Spruch auf einem Plakat der berühmt-berüchtigten
       Computerherstellungsfirma Apple Inc., während mir ein netter Mitarbeiter
       erklärte, was an meinem neu erworbenen Gerät alles noch nicht
       funktionierte, was natürlich alles von meiner Freizeit abging.
       
       Geht dieser Slogan davon aus, dass wir armen Computerwürmer weite Teile
       unserer Arbeitszeit – oder zumindest doppelt so viel, wie wir später dem
       Tag noch an Freizeit abzuringen vermögen – damit verbringen, auf
       schneckenlahme Prozessoren zu warten? Und wenn diese Wartezeit halbiert
       wird, dann ist um 14 Uhr schon keine Arbeit mehr übrig und die Kiste wird
       zugeklappt, und mit einem Feierabendliedlein auf den Lippen geht’s hinaus
       in den Wald? Also: Dass man seine Freizeit tatsächlich ohne Prozessor
       verbringt?
       
       Aber wer macht das schon noch, und höchstwahrscheinlich ist das Gegenteil
       gemeint: Wer seine Freizeitaktivitäten nur schön über diesen Prozessor
       laufen und sich nicht von zeitraubendem Analog-Schnickschnack wie
       Schwammerlsuchen ablenken lässt, kriegt bei optimaler Ausnutzung der
       Rechenleistung bis zu zweimal so viel Aktivität in seiner Freizeit unter.
       Die Freizeitleistungsbilanz verdoppelt sich quasi.
       
       Wie auch immer: Es funktioniert nicht. Ich sitze hier in meinem
       Home-Office-Außenposten unterm Küchenfenster im Hinterhof, und diese
       Kolumne schreibt sich genauso langsam wie mit dem alten Prozessor. Und in
       einer Tour kommen Hausnachbarn durch die Tür und satteln ihre Fahrräder für
       einen kleinen Ausflug an die Isar, „solange noch die Sonne scheint“,
       Herrgott! „Genieß den letzten schönen Tag“, ruft mir eine Nachbarin zu, die
       wohl entweder denkt, es könne für mich etwas Genussvolles haben, an einem
       Sonnentag irgendwo in einem Schatteneck in meinen Computer zu starren. Oder
       dass ich hier eh nur am gamen bin.
       
       „Was machst du?“ Ihr Sohn, dessen iPod Touch letztens mit der Post
       angekommen ist, lugt auf meinen Bildschirm und scheint enttäuscht, als er
       nur Buchstaben sieht. Wie kann man seinen Prozessor nur so unterfordern?
       Klar, dass der da nicht zur Hochleistung aufläuft. Und dann wird’s eben nix
       mit der doppelten Freizeit.
       
       20 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josef Winkler
       
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