# taz.de -- Kommentar Apple: Faszinierend unfaszinierend
       
       > Zukunftszugewandte Menschen aus aller Welt kampieren vor Apple-Läden. Sie
       > wollen ein wenig aufregendes Telefon erwerben – warum nur?
       
 (IMG) Bild: Vor dem Apple Store in New York: Warten auf den ganz großen Moment.
       
       Jetzt winden sich also wieder Schlangen zu den Apple-Geschäften dieser
       Welt, als würde ein Heiland drinnen Kranke heilen. Vor dem großen
       Apple-Laden in New York kampierten Menschen.
       
       Am Ende werden sie alle nur ein iPhone besitzen, das ein wenig länger ist
       und schneller als die vorherigen und das eine neue Software besitzt, die
       man gratis herunterladen kann, wenn man ein altes iPhone hat. Überall auf
       der Welt. Man muss dafür nicht vor einem Apple-Geschäft sitzen. Es ist
       langfristig nicht mit einer Knappheit von iPhones zu rechnen, höchstens mit
       leichten Lieferschwierigkeiten zu Beginn.
       
       Und die Wahrscheinlichkeit ist gar nicht so niedrig, dass dieses neue Gerät
       die eine oder andere Macke hat, die später korrigiert werden muss. Rational
       betrachtet wäre es sinnvoller, zu Hause im bequemen Bett zu kampieren und
       das neue iPhone 5 irgendwann im Internet zu bestellen, nachdem man die
       ersten ausführlichen Testberichte abgewartet hat. Aber was ist schon streng
       rational, wenn es um Apple geht?
       
       Apple-Geräte zählen zu den praktischsten Schmuckstücke der Welt, besonders
       das iPhone. Man kann damit mailen, die nächste Kneipe suchen, sich Notizen
       machen, Flugtickets verwalten und gleichzeitig kann man demonstrieren, dass
       man ein wirklich fortschrittlicher, zukunftszugewandter Superstyler ist,
       der etwas von Design versteht.
       
       ## Jobs bleibt der Heiland
       
       Ganz besonders weit vorne dran fühlt man sich womöglich in der Schlange vor
       dem New Yorker Apple-Store. Ein iPhone ist ein bisschen wie ein
       Designer-Ring, mit dem man Bierflaschen öffnen kann. Viel ist Image, Optik,
       aber im Kern stecken wirklich nützliche Funktionen. Das Image hat Steve
       Jobs geschaffen, der Apple-Gründer, der mit dem iPhone aber auch dem iPod
       und iTunes unser Leben verändert hat. Im Grunde bleibt er der Heiland, auf
       den die Menschen in all den Schlangen weiter warten.
       
       Apple hat für sein iPhone wieder Vorbestellungsrekorde aufgestellt, die
       vermuten lassen, dass es sein übliches Ziel erreicht: Vom neuen iPhone so
       viele Exemplare verkaufen wie von allen alten zusammen. Die Aktie steigt,
       am Börsenwert gemessen bleibt Apple das bisher teuerste Unternehmen der
       Welt. Die iPhone-Verkaufszahlen bestätigen die Zuversicht der Anleger. Das
       iPhone schließlich macht mehr als zwei Drittel von Apples Profit aus.
       
       Journalisten aus aller Welt beobachten die Schlangen vor den Apple-Läden
       und die iPhone-Präsentationen, als würde Prinzessin Kate dort ihre Brüste
       zeigen oder Prinz Harry nackt auf dem Tisch tanzen. Erinnert sich noch
       jemand an die Vorstellung des neuen Amazon-Tablets? Auch Amazon ist eine
       echt große Firma, aber Amazon ist nicht Apple. Amazons Produkte baut man
       auch nicht in jeden Hollywood-Film ein, weil sie einfach so schön aussehen.
       
       ## Nicht nur für Apple-Nerds
       
       Steve Jobs hat Produktvorstellungen zu einem Event gemacht. Das
       Interessante ist, dass ihre Bedeutung nun, nach seinem Tod, noch weiter zu
       wachsen scheint, weit über die Gruppe der kampierenden Apple-Nerds hinaus.
       Obwohl klar ist, dass am Ende niemand mehr kommen wird und „One more thing“
       sagen, um etwas Aufregendes anzukündigen.
       
       Die praktischen Angeber-Produkte werden von immer größeren Menschenmassen
       genutzt, das scheint ihrem exklusiven Image nicht zu schaden. Apple tut
       bisher unter der Leitung von Tim Cook nichts anderes, als Jobs Erbe zu
       verwalten. Effizient, solide und sehr erfolgreich. Das Erbe ist groß genug.
       Es reicht noch eine Weile.
       
       Irgendwie ist das schon faszinierend: Dass die Leute immer faszinierter
       sind von diesem Unternehmen, das gerade gar nichts Faszinierendes mehr tut.
       Auf lange Sicht ist die Frage, ob Apples Entwickler auch ohne Jobs so etwas
       wie das iPhone oder den iPod, etwas völlig Neues, auf den Markt bringen
       können, erfolgreich. Womöglich ist das aber eher eine Frage des nächsten
       Jahrzehnts.
       
       Und Foxconn, der miese Apple-Fertigungsbetrieb? Ja, Foxconn. Interessiert
       mich jetzt nicht so dramatisch. Auch das ist die Botschaft jedes verkauften
       iPhones.
       
       21 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Gernert
       
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