# taz.de -- Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Vorpommersche „Diaspora“
       
       > Seit dem Mittelalter war der Landstrich nördlich und südlich der Peene
       > Pommern. In der DDR war damit Schluss, dann kam neuer Stolz und jetzt die
       > Gebietsreform.
       
       Bernhard Pollok ist Stadtvertreter, Christdemokrat und Vorpommer. Als
       solcher sieht er die neue Landkreiskarte Mecklenburg-Vorpommens gar nicht
       gern. Denn mit der Kreisgebietsreform geriet der langjährige frühere
       Präsident der Demminer Stadtvertretung plötzlich in eine Art vorpommersche
       Diaspora im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.
       
       Eine schlimme Vorstellung für einen Mann, der gewissermaßen von
       Vorpommerntum beseelt ist. Er und andere Gleichgesinnte im hohen Norden des
       heutigen Großkreises hatten bis zum Schluss als „Freundeskreis Vorpommern“
       versucht, ihre Stadt und möglichst auch die umliegenden Dörfer in den
       neuen, benachbarten Kreis Vorpommern-Greifswald zu bringen.
       
       So wie die Gebietsreform aber lief, soll nun in der Mecklenburgischen
       Seenplatte zusammenwachsen, was nach Ansicht des Freundeskreises nicht
       zusammengehört. Jedenfalls nicht innerhalb eines Landkreises.
       
       Der Streit darum hielt in der früheren Kreisstadt Demmin jahrelang an und
       das Ende war keineswegs ausgemacht. Eine Umfrage des Nordkuriers,
       Leserbriefe, Redebeiträge bei öffentlichen Diskussionen, im früheren
       Kreistag und im Demminer Rathaus geben Anlass zu Schätzungen, dass sich
       Befürworter und Gegner des Vorpommern-Gedankens nahezu die Waage hielten.
       Auch historisch bedingt. Denn seit dem Mittelalter war der Landstrich
       nördlich und südlich der Peene Pommern – zuerst im Herzogtum, nach dem
       Dreißigjährigen Krieg dann als Teil Schwedens, zuletzt als preußische
       Provinz bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
       
       In der DDR aber, die mit Blick auf das polnische Hinterpommern vor
       Revisionismusvorwürfen zitterte und in deren offizieller Diktion sich
       Vertreibungen eher wie einvernehmliche Umsiedlungen ausnahmen, war der
       Begriff Vorpommern tabu. Die Vorpommern durften keine Vorpommern mehr sein
       und wurden kurzerhand zu Mecklenburger deklariert. Bis nach der Wende das
       Pendel in eine neue Richtung schwang und Vorpommern auch in Demmin mit
       Slogans wie „Wir sind nicht der Hinterhof Mecklenburgs“ sogar ein eigenes
       Bundesland forderten. Aus dem bekanntlich nichts wurde.
       
       Solch landsmannschaftliche Tümelei mag man belächeln, aber wie würden wohl
       die bayerischen Schwaben oder Franken reagieren, wenn sie sich aus
       fadenscheinigen ideologischen Gründen plötzlich nicht mehr so nennen
       dürften? Die Franken, das muss man sich mal vorstellen. Wo die angeblich
       doch in dem Gedanken leben, nicht München sei die Hauptstadt der Welt,
       sondern Nürnberg, und als Clubberer mit den Bayern schon gleich gar nichts
       am Hut haben.
       
       So weit würden die Vorpommern nicht gehen, auch nicht in der Seenplatte.
       Sie halten Demmin nicht für die Hauptstadt von irgendwas und dem FC Hansa
       Rostock blieben sie, mecklenburgisch hin oder her, notfalls bis in die
       Kreisliga treu. Auch Bernhard Pollok, der sich als Katholik im
       protestantischen beziehungsweise konfessionslosen Nordosten gut mit
       Diaspora auskennt, weiß, dass an Kreisgrenzen keine Schlagbäume stehen und
       Verwaltungseinheiten nicht an Identitäten kratzen müssen.
       
       „Wir sind nicht zu Mecklenburgern gemacht worden“, gibt er zu, „sondern
       Vorpommern geblieben.“ Aber schöner wär's halt doch gewesen, so als
       Vorpommern unter sich.
       
       25 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Wagner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußballkrawalle
       
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