# taz.de -- Alternative Nobelpreise 2012: Geehrter Widerstand
       
       > Die „Alternativen Nobelpreisträger 2012“ stehen fest. Unter den Geehrten
       > ist ein US-Politologe und eine afghanische Menschenrechtsaktivistin.
       
 (IMG) Bild: Preisträgerin Simar Samar ist die Vorsitzende der afghanischen Menschenrechtsorganisation AIHCR.
       
       STOCKHOLM taz | Im Frühjahr 2011 schlagen autoritäre Regime in Libyen und
       Bahrain gewaltsam Demonstrationen nieder. Zum Einsatz kommen auch britische
       Waffen. Die Regierung in London verurteilt diesen Waffeneinsatz während
       gleichzeitig Premierminister David Cameron begleitet von den Vertretern von
       acht Waffenfirmen zu Staatsbesuch in mehreren Ländern des mittleren Ostens
       unterwegs ist.
       
       „[1][Campaign Against Arms Trade]“ (CAAT, Kampagne gegen Waffenhandel)
       machte dieses Doppelspiel bekannt. Die Empörung in der britischen
       Öffentlichkeit war groß. „Die Heuchelei geht weiter“ titelte beispielsweise
       Daily Mail.
       
       Die Friedensgruppe CAAT wird nun mit dem „Alternativen Nobelpreis“ geehrt –
       dafür, wie sie das öffentliche Bewusstsein für die Rüstungsexporte der
       britischen Waffenschmieden wachgerüttelt, die Heuchelei und die tödlichen
       Folgen des Waffenhandels bloßgestellt habe.
       
       Die weiteren am Donnerstag in Stockholm bekanntgegebenen PreisträgerInnen
       der diesjährigen „Right Livelihood Awards“ sind der
       US-Politikwissenschaftler Gene Sharp und die afghanische Ärztin und
       Politikern Sima Samar. Der Ehrenpreis geht an den türkischen
       Umweltaktivisten Hayrettin Karaca und die von ihm mitgegründete
       Umweltschutzorganisation TEMA.
       
       Gewaltfreier Widerstand und „people power“ statt Waffengebrauch stehen mit
       der Wahl von CATT und Gene Sharp diesmal im Zentrum der zum 33. Mal
       vergebenen Preise. Mit seinem zwischen 1973 und 1985 erschienenen
       3-bändigen Werk „The Politics of Nonviolent Action“ hat Sharp so etwas wie
       die „Bibel“ für einen handlungsorientierten Ansatz zu gewaltfreier Aktion
       geschrieben. Der 84-jährige Wissenschaftler, der „Machiavelli der
       Gewaltlosigkeit“ genannt wird, habe gewaltlose Revolutionen „als
       erfolgreiche Instrumente des politischen Wandels etabliert“, heißt es in
       der Laudatio der „Right Livelihood“-Stiftung.
       
       Schon als Doktorand habe er begonnen „historische Fälle von gewaltlosem
       Protest zu untersuchen, um zu verstehen, wie diese Techniken
       funktionieren“. Naheliegend, dass er sein erstes Buch über Mahatma Gandhi
       verfasste als er im Alter von 25 Jahren eine neunmonatige Haftstrafe wegen
       Kriegsdienstverweigerung absitzen musste. Sein „Civilian-Based Defense“ war
       Anfang der 1990er Jahre ein Leitfaden der baltischen Befreiungsbewegungen
       gegen die Sowjetunion.
       
       ## Anleitung zur Demokratie
       
       In mittlerweile 27 Sprachen übersetzt wurde Sharps 93-seitiges Heft „From
       Dictatorship to Democracy“. Neben seinem 2010 veröffentlichten „198 Methods
       of Nonviolent Action“ – alle Schriften können von der Website der von ihm
       gegründeten [2][Albert Einstein Institution] heruntergeladen werden – wurde
       es zu einer vielgebrauchten Anleitung für Demokratie-AktivistInnen in aller
       Welt.
       
       „Ein Engagement, das sie ständiger Lebensgefahr aussetzt.“ Das gilt laut
       Preisbegründung für die Vorsitzende der afghanischen
       Menschenrechtsorgansiation AIHRC, Sima Samar. Die, so ihre eigenen Worte,
       „glaubt, dass Versöhnung nicht gegen Gerechtigkeit eingetauscht werden
       sollte und dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen nicht wegen eines
       kurzfristigen politischen Gewinns erneut zu Opfern gemacht werden sollten.
       „Wir müssen den Wünschen des afghanischen Volkes folgen, das sich einer
       Amnestie für Menschenrechtsverbrecher widersetzt.“
       
       Die 55-jährige Samar arbeitet nicht nur für Menschenrechte. Als Ärztin hat
       Afghanistans ehemalige erste Ministerin für Frauenangelegenheiten die
       Shuhada-Organisation gegründet und aufgebaut, die mittlerweile über 100
       Schulen, sowie 12 Ambulanzen und 3 Krankenhäusern betreibt, welche sich
       hauptsächlich der Gesundheitsversorgung von Frauen und Mädchen widmen.
       
       Beispielhaft für den „Right Livelihood“ Stiftungszweck – „praktische und
       beispielhafte Antworten auf die dringendsten Herausforderungen unserer
       Zeit“ ehren zu wollen – ist auch der diesjährige Ehrenpreis.
       Umweltzerstörung im allgemeinen, Bodenerosion im besonderen waren es, die
       den türkischen Geschäftsmann Hayrettin Karaca zu einem Umweltaktivisten und
       „den Großvater der türkischen Umweltschutzbewegung“ – so die Laudatio –
       machten.
       
       Die von dem mittlerweile 90-jährigen 1992 mitgegründete [3][TEMA-Stiftung]
       versuche die Öffentlichkeit speziell auf die Bodenerosion, die Abholzung,
       den Verlust der Biodiversität und die Klimaveränderung aufmerksam zu
       machen. 150 Demonstrationsprojekte über nachhaltige Entwicklung und
       Landmanagement wurden von TEMA durchgeführt, 10 Millionen Baum-Setzlinge
       gepflanzt. „Hart gekämpft, dass die Türkei sich nicht in Wüsten und Steine
       verwandelt“, habe Karaca, „und dafür die Erde wiederzubeleben, die im
       Todeskampf liegt“, schrieb der Schriftsteller Yaşar Kemal.
       
       Mit dem jetzigen Preis will die Stockholmer Stiftung auch auf ein aktuelles
       Gerichtsverfahren aufmerksam machen: Die Staatsanwaltschaft wirft Karaca
       und BewohnerInnen eines Dorfes in der Kozak-Region illegalen Eingriff in
       Privateigentum vor, weil sie 2010 gegen die Goldabbaupläne einer
       Grubengesellschaft protestiert hatten. Ihnen drohen Haftstrafen bis zu 6
       Jahren.
       
       27 Sep 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.caat.org.uk/
 (DIR) [2] http://www.aeinstein.org/
 (DIR) [3] http://www.tema.org.tr/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Justin Bieber
       
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