# taz.de -- Zukunft von Wilhelmsburg: Wer eine Flut überlebt...
       
       > Initiativen der Elbinsel planen für die Zeit nach IBA und
       > Gartenausstellung. Eine der Sorgen ist, ob Wohnen im Stadtteil bezahlbar
       > bleibt. Linke Gruppen nicht dabei.
       
 (IMG) Bild: Sprechen über die Zukunft ihres Stadtteils: Initiativen im Wilhelmsburger Bürgerhaus.
       
       Der große Saal im Bürgerhaus Wilhelmsburg ist gut gefüllt. Ein paar hundert
       Menschen tummeln sich zwischen Ständen, essen Kuchen, trinken Kaffee, malen
       Ausschnitte aus dem Stadtplan von Wilhelmsburg bunt an. Kita-Kinder turnen
       weitestgehend unbeachtet auf der Bühne. Man kommt sich vor wie auf einer
       Messe – doch hier scheinen sich fast alle zu kennen. Es wird viel gelacht,
       sich gegenseitig auf die Schultern geklopft.
       
       Es geht hier um die Zeit nach 2013, wenn die lang geplante Internationale
       Gartenschau (IGA) und die zeitgleich stattfindende Internationale
       Bauaustellung (IBA) zu Ende sind, deretwegen die Elbinsel jahrelang im
       Fokus der Stadtplaner stand. 36 Initiativen aus dem Stadtteil sind
       gekommen. Sie hoffe, dass „initiativenübergreifende Synergien entstehen“,
       sagt Bettina Kiehn von der Stiftung Bürgerhaus Wilhelmsburg, die mit dem
       Türkischen Elternverein und dem Verein „Zukunft Elbinsel“, zu dem Treffen
       eingeladen hat.
       
       Es sind ganz praktische Dinge, die später in Untergruppen zur Sprache
       kommen. Die Muslimisch-Islamische Gemeinde zum Beispiel möchte Gebetsräume
       in den Wohnhäusern, weil die Gläubigen das bisher auf den Rasenflächen vor
       den Mietshäusern tun müssen. Sie übereichen ein Mappe mit Fotos, die die
       Lage dokumentieren. Andere Bürger sorgen sich, dass es künftig keinen
       bezahlbaren Wohnraum mehr gibt, sondern nur noch teure Prestigebauten für
       die Elite.
       
       Und auch die Nordischen Ölwerke, die am Puhsthof Fettsäuren und Glyzerin
       produzieren, sind den Wilhelmsburgern ein Dorn im Auge. „Weg mit dem
       Fettgestank“, ruft eine Frau bei der Abschlussdiskussion und erntet
       Applaus.
       
       Die verläuft sehr harmonisch. Im Großen scheinen die Wilhelmsburger
       zufrieden. Auf einigen Seiten Flipcharts reihen sich Forderungen an die
       Zeit nach IBA und IGS. Ob in Bereichen wie Kultur, Sport, Bildung oder
       Bauwesen – überall herrscht Einigkeit, dass die Stadtentwicklungsarbeit mit
       gleicher Energie fortgesetzt werden soll. Außerdem wird sich auf das
       Errichten eines Initiativen-Netzwerks mit Zentrale im Bürgerhaus
       verständigt. Konkreter wird es nicht.
       
       Einer, dem nicht so recht nach Beifall zumute ist, ist Jörg von
       Prondzinski. Schon seit Jahren engagiert er sich für die Elbinsel und ist
       über die zahme Haltung der vertretenen Initiativen verärgert: „Die Leute
       haben verdrängt, dass IBA und IGS Kinder des Senats sind.“ Aus einstigen
       Senatsgegnern sei eine „Koalition der Willigen“ geworden ohne erkennbare
       Tendenz zur Widerborstigkeit. Eher linksgerichtete Gruppierungen hätten vom
       Treffen erst aus der Zeitung erfahren, als das Veranstaltungskonzept schon
       stand.
       
       Auch Manuel Humburg vom Verein „Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg“ räumt ein,
       dass es Differenzen gibt: „Dass der Senat so viel Geld in den Stadtteil
       gepumpt hat, hat polarisiert. Wir waren vernetzt und sind durch
       Meinungsverschiedenheiten zu IBA und IGS auseinandergedriftet.“ Jetzt komme
       es darauf an, wieder zueinander zu finden, um gemeinsam die Zeit nach 2013
       gestalten zu können.
       
       Dass Geld für Bürgerbeteiligung weiter in einen der 105 Stadtteile fließt,
       ist keineswegs selbstverständlich. So antwortete der Senat kürzlich auf
       eine Anfrage der Linksfraktion, die Förderung von Beteiligungsstrukturen
       sei nicht pauschal und nur für „befristete Laufzeit“ möglich.
       
       Doch Humburg blickt optimistisch in die Zukunft. Die Wilhelmsburger hätten
       immer verstanden, auf sich aufmerksam zu machen: Ohne das Einschreiten der
       Bürger wäre die Elbinsel nach der Flut 1962 nicht als Lebensraum erhalten
       geblieben.
       
       30 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Gipp
       
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