# taz.de -- Reaktionen aufs US-Fernsehduell: Obamas Rhetorik von 2008
       
       > „Gute Debatte“, „vorsichtig“, „Mangel an Leadership“: Was StudentInnen
       > vom Auftritt des US-Präsidenten und seines Herausforderers halten.
       
 (IMG) Bild: Alles schon gelaufen? Junge AmerikanerInnen in Denver.
       
       WASHINGTON taz | „Four more years“, skandiert eine kleine Gruppe im rechten
       Teil des Raums. „USA-USA“ schallt es von einer anderen Gruppe von der
       linken Hälfte des „Continental Ballroom“ zurück. Es klingt wie eine
       Pflichtübung.
       
       Mehrere hundert junge Leute haben 90 Minuten höflich zugehört. Kaum ist die
       erste Presidential Debate vorbei, drängen sie eilig aus dem Saal im dritten
       Stock der George Washington University hinaus. Es ging um Arbeitsplätze, um
       Steuern und um Gesundheitspolitik.
       
       Die jungen Leute an der Renommieruniversität können am 6. November zum
       ersten Mal einen Präsidenten wählen. Sie haben erlebt, wie Mitt Romney, von
       dem kaum jemand einen guten Debattenauftritt erwartet hatte, den Ton
       bestimmt hat und fast ununterbrochen in der Offensive war. Wie Präsident
       Barack Obama fast ununterbrochen defensiv blieb. Und oft den Eindruck
       vermittelte, er wäre lieber ganz woanders.
       
       Und sie haben erlebt, wie Moderator Jim Lehrer genauso gut hätte abwesend
       sein können. „Bleibt höflich“, hat ein Organisator die StudentInnen zu
       Beginn des Abends gemahnt. Doch das war nicht nötig. Kein einziger Moment
       der Debatte lockt das junge Publikum aus der Reserve.
       
       ## Aufbruchstimmung des Jahres 2008? Fehlanzeige!
       
       Als Obama 100.000 neue Jobs für MathematikerInnen und
       NaturwissenschaftlerInnen ankündigt, klatschen die demokratischen
       StudentInnen artig. Als Romney das private Unternehmertum als bessere
       Alternative auch für die Gesundheitsversorgung von RentnerInnen lobt und
       versichert, dass er das starke Militär beibehalten will, klatschen die
       RepublikanerInnen.
       
       Manche von ihnen tragen dunkelblaue T-Shirts mit dem republikanischen
       Elefantenlogo. Manche schwenken vorgedruckte Kartons auf denen von einem
       „Comeback“ die Rede ist. Einer trägt den Namen eines längst toten
       Politikers in großen Lettern: „Ronald Reagan for President“. Romney oder
       Obamas Konterfei trägt niemand.
       
       An die Aufbruchstimmung des Jahres 2008 erinnert nichts. „Wir erleben Obama
       seit vier Jahren. Und wir hören Romneys Wahlkampf seit vielen Monaten“,
       versucht die 20jährige Brittney Warrick eine Erklärung, „fast alle haben
       ihre Entscheidung längst gefällt.“ Sie kommt aus Florida, studiert
       internationale Beziehungen und will später im Bereich „nationale
       Sicherheit“ arbeiten. Sie weiß seit langem, dass sie demokratisch wählt.
       
       Die gleichaltrige Soziologiestudentin Tyler Eastman, ebenfalls Demokratin,
       hat Romney als extrem nervös erlebt: „zitternd und schwitzend“. Doch
       Jonathan Carfagno hat einen grundsätzlich anderen Eindruck am Ende dieses
       Abends: „Es war eine sehr gute Debatte“, meint der junge Republikaner. Den
       Politikstudenten hat überrascht, wie „vorsichtig“ der Präsident war. Nach
       seiner Ansicht versucht Obama es erneut mit der „Rhetorik von 2008“. Doch
       das, so meint der Student, „kann 2012 nicht funktionieren.“
       
       ## Obamas Notizen
       
       Die George Washington University hat jährliche Studiengebühren in Höhe von
       56.000 Dollar. Selbst für StipendiatInnen ist der Eigenanteil noch hoch.
       Die StudentInnen der Universität geben sich pragmatisch. Auch jene, die
       sich selbst als links bezeichnen, kritisieren die Occupy-Bewegung als zu
       wenig „erfolgsorientiert“.
       
       Spencer Dixon, Präsident der jungen DemokratInnen an der Universität,
       stammt aus einer demokratischen Familie. Und bezeichnet sich selbst als
       „moderater“ als seine Eltern. Der 20jährige ist bereits in mehreren Swing
       States unterwegs gewesen, um Wahlkampf für Obama zu machen. Die
       Gesundheitsreform, die Verhinderung einer zweiten großen Depression und der
       Abzug aus dem Irak sowie die Abwicklung des Afghanistankriegs sind dabei
       seine wichtigsten Argumente für die Wiederwahl des Präsidenten.
       
       Spencer Dixon sagt am Anfang des Abends, dass er hofft, dass der Präsident
       seine Bilanz in der Debatte anführt. Doch Obama tut das nur in Sachen
       Gesundheitsreform. Die verteidigt er in der Debatte. Erinnert daran, dass
       StudentInnen künftig bis zum Alter von 26 Jahren bei ihren Eltern
       versichert bleiben können und dass Krankenversicherungen niemanden mehr
       wegen bestehender chronischer Krankheiten ausschließen dürfen.
       
       Doch in allen anderen Punkten lässt er Romney fast unwidersprochen
       gewähren. Er schaut seinen Herausforderer kaum an. Und blickt auch nicht
       oft in die Kamera, sondern schaut stattdessen in seine Notizen, als müsste
       er sich mitten in seiner wichtigsten Debatte seit Jahren erst einstimmen.
       Obama erwähnt nicht einmal die Rettung der US-Autoindustrie, durch seine
       Intervention. Und er sagt auch nichts über die inzwischen berüchtigten „47
       Prozent“, mit denen Romney erst kürzlich Negativschlagzeilen gemacht hat.
       
       ## „Mangel an Leadership“
       
       Vor SponsorInnen, mit denen er sich unbeobachtet glaubte, sagte Romney,
       dass die „47 Prozent“, die ihn ohnehin nicht wählen würden, von
       Sozialleistungen „abhängig“ seien, „keine Einkommenssteuern“ zahlten“ und
       er sich nicht um sie kümmern werde. Obama erwähnt auch nicht sein
       Engagement für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen.
       
       Im Continental Ballroom sagt der 19jährige Republikaner Mike Morgan, dass
       die Gesundheitsversorgung in den USA „viele gute Dinge“ enthalte. Zum
       Beispiel, so erklärt der Student, würde jeder, der mit einer Schusswunde in
       einer Notaufnahmestation ankäme, behandelt werden. Unabhängig davon, ob er
       eine Krankenversicherung habe, oder nicht.
       
       Für Mike Morgan, der gegenwärtig studentische Politik an der Universität
       macht, und eines Tages in der Gesundheitsversorgung arbeiten will, zeichnet
       sich Präsident Obamas erste Amtszeit durch einen „Mangel an Leadership“
       aus. Von Romney erwartet der junge Mann in der ersten Debatte, dass der
       „intelligent ist und zeigt, dass er die Wirtschaft und die internationalen
       Geschäfte führen kann“.
       
       ## Enttäuschung über Obamas Auftritt
       
       Wie Romney das machen will, verrät er in der Debatte nicht. Er will Obamas
       Gesundheitsreform – „Obamacare“ – an seinem ersten Amtstag abschaffen. Und
       sagt, dass er eine Alternative hat. Sagt aber nicht, worin die besteht. Er
       will auch Obamas etwas strengere Regeln für Wall-Street abschaffen und
       ersetzen. Sagt aber nicht, womit. Cancelt den Journalisten mehrfach ab.
       Kündigt an, dass er die Subventionen für seinen öffentlichen Fernsehsender
       abschaffen wird. Und behandelt den Präsidenten der USA, wie einen dummen
       Jungen, der lügt.
       
       Obama schaut unterdessen auf seine Notizen. Während die StudentInnen in der
       George Washington University auf dem Heimweg sind, beginnen die
       Spin-DoktorInnen von Romney und Obama ihre Interpretationsarbeit des
       Abends. Alle ersten Reaktionen zeigen, dass Romney der Gewinner der Debatte
       ist. Linke DemokratInnen machen keinen Hehl aus ihre Enttäuschung über
       Obamas Auftritt. Und sein Berater David Plouffe versichert, es gehe nicht
       um einen Kampf und um aggressives Auftreten in der Debatte, sondern um die
       Substanz.
       
       4 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
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