# taz.de -- Aus dem Verkehr gezogen: Senat völlig radlos
       
       > Der Senat streicht die Stelle des Fahrradbeauftragten. Vertreter von
       > Fahrradverbänden kritisieren das - und fordern sogar eine hauptamtliche
       > Stelle.
       
 (IMG) Bild: Das sind dem Senat die liebsten Fahrräder.
       
       Die Senatspläne sind kühn: 20 Prozent aller Wege in Berlin sollen im Jahre
       2025 mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Dieses Ziel erscheint noch
       ehrgeiziger vor dem Hintergrund einer anderen Entscheidung: Die Stelle des
       Fahrradbeauftragten wird nach fast einjähriger Suche nicht neu besetzt.
       Stattdessen soll von nun an Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD)
       die Interessen der radelnden Stadt vertreten.
       
       „Der Posten des Radverkehrsbeauftragten wird in dieser Legislaturperiode
       nicht mehr besetzt“, sagte die Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung,
       Petra Rohland, der taz. Damit bestätigte die Behörde bereits, was eine
       mündliche Anfrage der Grünen-Fraktion nahegelegt hatte: Die Suche wird
       eingestellt, die Stelle de facto gestrichen. Die Behörde begründet das mit
       der Schwierigkeit, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den Posten
       zu finden, für den nur eine geringe Aufwandsentschädigung gezahlt wird.
       Zudem würden die Belange der RadfahrerInnen und FußgängerInnen in der
       Verkehrsverwaltung „gleichwertig“ berücksichtigt. Man habe „in allen
       Bereichen“ Personal, das sich damit beschäftigt“, so Rohland.
       
       „Ich finde diese Entscheidung misslich“, sagte der verkehrspolitische
       Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, der die Anfrage gestellt hatte, zur
       taz. „Der Fahrradverkehr in der Stadt hat sich verdoppelt und gleichzeitig
       wird der Posten des Fahrradbeauftragten gestrichen.“ Die Stelle sei
       wichtig, da der Fahrradbeauftragte einen Blick von außen habe und als
       Ansprechpartner für die radelnde Bevölkerung gegenüber der Politik Probleme
       im Radverkehr aufzeigen könne.
       
       Wie nötig diese Funktion ist, macht ein Blick auf die Statistik deutlich:
       Der Anteil der Radfahrer im Straßenverkehr liegt bei bis zu 15 Prozent –
       Tendenz weiter steigend. Gleichzeitig erhöhte sich im vergangenen Jahr die
       Zahl der Unfälle mit Fahrradbeteiligung um 19 Prozent. Die größte Gefahr
       für Radfahrer gehe von rechts abbiegenden Autos bei Kreuzungen aus, hatte
       Verkehrssenator Michael Müller (SPD) Anfang September gesagt.
       
       Arvid Krenz, der bis Oktober 2011 Fahrradbeauftragter des Senats war, kann
       die Streichung des Postens zu einem gewissen Grad nachvollziehen. „Der
       Wirkungsrahmen des Fahrradbeauftragten war begrenzt“, sagte Krenz der taz.
       Er selbst sei nicht mehr mit der Bearbeitung der Anfrage hinterhergekommen,
       da er hauptberuflich einen anderen Job hatte. Trotzdem sei die Streichung
       ein Rückschritt. „Auch für die Außenwirkung von Berlin ist das eine
       schwerwiegende Entscheidung.“
       
       Für eine vernünftige Fahrradpolitik bedürfe es eines Koordinators, der
       hauptamtlich angestellt sei und zudem Weisungsbefugnis habe. „Zwar gibt es
       schon jetzt Personal, das sich auch um Fahrradthemen kümmert – aber eben
       nicht ausschließlich.“ Diese Forderung wird auch vom Allgemeinen Deutschen
       Fahrradclub (ADFC) unterstützt. In Frankfurt am Main gebe es beispielsweise
       ein ganzes Fahrradbüro mit vier hauptamtlich Beschäftigten im Dienste der
       Stadt, sagte die ADFC-Landesvorsitzende Eva-Maria Scheel.
       
       Dazu ist jedoch eine Anhebung des Budgets notwendig. Während der
       diesjährigen Haushaltsberatungen konnte ein weiteres Zusammenschrumpfen der
       5,5 Millionen Euro für den Bau neuer und die Sanierung bereits bestehender
       Radwege gerade noch verhindert werden.
       
       Die Senatsverwaltung sieht externen Sachverstand und kritische Anregungen
       indes durch das Beratungsgremium „FahrRat“ abgedeckt, dem rund 30 Vertreter
       aus Behörden, Umwelt- und Verkehrsverbänden sowie weitere externe Experten
       angehören. „Der FahrRat bewirkt auf jeden Fall etwas“, sagt dazu der
       ehemalige Fahrradbeauftragte Arvid Krenz. „Allerdings trifft der sich nur
       ein- bis zweimal im Jahr.“ Auch der ADFC, der dem Gremium grundsätzlich
       positiv gegenübersteht, sieht im „FahrRat“ nur eine Zwischenlösung für die
       Vertretung der Radler-Belange.
       
       Dass nun Staatssekretär Gaebler das Amt des Fahrradbeauftragten übernehmen
       soll, findet Benno Koch, der den Posten bis 2009 innehatte, problematisch.
       „Ich hatte Anfang des Jahres an Herrn Gaebler eine Anfrage zum Thema Rad
       und Bahn geschickt – auf die Antwort warte ich bis heute“, sagte Koch der
       taz. „So etwas ist nicht die Aufgabe eines Verkehrsstaatssekretärs, der
       dafür keine Zeit hat – sondern die eines Fahrradbeauftragten.“
       
       4 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kulms
       
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