# taz.de -- Neues Album von Sophie Hunger: Es ist eine Unruhe in ihr
       
       > Sophie Hunger ist der größte Popexport der Schweiz. Nun erscheint ihr
       > neues Album „The Danger of Light“. Eine spannende Mischung aus Jazz,
       > Folk, Rock und Blues.
       
 (IMG) Bild: Für Sophie Hunger hat Musik mit Bewustlosigkeit zu tun: „Sie passiert einfach“.
       
       Die Zeit ist schuld. Daran, dass sich alles ändert, dass alles ständig
       erneuert wird. Daran, dass Sophie Hunger ihre Beziehung jetzt mit einem
       Lied beendet: „30 ist das neue 20 / Der Mann ist die neue Frau / Freiheit
       ist das neue Gefängnis / Und Reich ist das neue Schlau / Drum wenn du bald
       nach Hause kommst, dann bin ich nicht mehr hier / Ich kann nicht bleiben,
       wie ich bin, trotz dir“, singt sie auf ihrem neuen Album „The Danger of
       Light“. Wenn sich alles ständig ändert, dann können auch wir nicht im
       Stillstand verharren. Was für ein Trennungsgrund.
       
       Mit ihrem Debütalbum gelang Sophie Hunger 2008 auch gleich der
       internationale Durchbruch. Bei den großen Jazzfestivals in Montreux und
       Montreal spielte sie in ausverkauften Hallen – sensationell für eine
       Mittzwanzigerin aus der Schweiz. Die Feuilletons lieben die hübsche Frau
       mit der umwerfenden Stimme und den bedeutungsschweren Songs. In ihrer
       Heimat stiegen ihre letzten beiden Alben sofort auf Platz eins der Charts
       ein. Das könnte auch „The Danger of Light“ wieder schaffen.
       
       Die 29-jährige Hunger sitzt in einer Altbauwohnung in Berlin-Mitte. Es ist
       der erste Promotag für ihr viertes Album. Mit Hunger über ihre Musik zu
       reden ist fast unmöglich. „Musik hat mit Bewusstlosigkeit zu tun. Sie
       passiert einfach“, sagt sie. „Es ist so eine Unruhe in mir. Plötzlich ist
       da ein Wort, ein Rhythmus oder eine Idee, und die fließen zusammen in ein
       Stück.“
       
       Hunger spricht abgehackt. Sie macht lange Pausen, überlegt, wählt ihre
       Worte mit Bedacht. Sie sucht. Nach dem guten Leben, der gerechten
       Gesellschaft, einem Verständnis für andere. Ihre Musik ist dabei in
       gewisser Hinsicht ihre Fährte. Eine, die sie selbst nicht ganz versteht.
       Worum es auf dem neuen Album geht, weiß sie (noch) nicht. Vielleicht wird
       sie das nie erfahren, sagt sie. Und fügt hinzu: „Mir wäre lieber, wenn Sie
       mir diese Frage beantworten.“ Nun gut. „The Danger of Light“ thematisiert
       die unaufhaltsame Veränderung. „Is it true / Is it true that we’re turning?
       / And when you are turning so am I? / So tell me when you see me.“
       
       ## Positive Veränderungen
       
       Sophie Hungers Songs handeln von der Angst, sich selbst in der Bewegung zu
       verlieren. Aber es geht auch darum, Veränderung als etwas Positives zu
       begreifen. Anfang und Ende, Trauer und Hoffnung – Sophie Hunger mag in
       ihrer Musik Ambivalenzen. Und sie selbst? Wie verändert sich Sophie Hunger?
       
       Die Aufnahmen zu „The Danger of Light“ waren in vielerlei Hinsicht eine
       Veränderung für Hunger. Entstanden ist das Album an drei verschiedenen
       Orten, jeweils mit anderen Musikern. In Südfrankreich spielte sie mit ihrer
       regulären Band zusammen. Anschließend, in Los Angeles, kamen Musiker aus
       unterschiedlichen Szenen dazu: Josh Klinghoffer, der sonst bei den Red Hot
       Chili Peppers und für PJ Harvey Gitarre spielt. Nathaniel Walcott, Pianist
       und Trompeter bei Bright Eyes. In Montreal schließlich verpasste Hunger dem
       Album den letzten Schliff. Ausgerechnet in wilden Livesessions, eingespielt
       auf Bandmaschine, so dass eine digitale Nachbearbeitung kaum mehr möglich
       war. „Ich bin kein Studiomensch“, sagt sie. „Dafür bin ich zu
       unkonzentriert. Ich brauche den Livemoment, bei dem es nicht auf
       Genauigkeit ankommt.“
       
       Orte und Menschen haben auf „The Danger of Light“ ihre Spuren hinterlassen.
       Hungers Musik hat noch nie in einen bestimmte Schublade gepasst. Auch jetzt
       oszilliert sie wieder zwischen Jazz, Rock, Folk und Blues. „Perpetrator“,
       zum Beispiel, könnte abends in einer Hotelbar laufen: jazziges Piano,
       ruhiger Bass, gedämpfte Trompete. „Heharun“ hat eine Gitarre, wie sie alte
       Bluessänger in einer rauchigen Kneipe spielen würden. In „LikeLikeLike“
       wiederum gibt Hunger das kleine Mädchen und singt von geheimer Verehrung.
       
       Überhaupt, diese Stimme! Sie fleht, sie wütet, sie jubelt, sie wärmt. Mal
       ist sie so zart, dass sie fast im Instrumentennebel verschwimmt, dann
       erobert sie sich mit voller Kraft die Hoheit über die Stücke zurück. Und so
       ist eben doch nicht alles neu bei Sophie Hunger. „Um mi ume verändre sich
       d’Farbe, aber I bi immer gliech“ singt sie auf Schweizerdeutsch.
       
       In das finale Crescendo aus Klavier, Gitarre und Cello des eingangs
       erwähnten Trennungsstücks spricht sie am Ende kaum hörbar: „Komm trotzdem
       nach Hause / Komm bitte nach Hause zu mir“. Wenn sich alles ständig ändert,
       heißt das noch lange nicht, dass wir uns ändern müssen. Stillstand ist kein
       Trennungsgrund.
       
       ## Sophie Hunger, „The Danger of Light“ (Two Gentleman/Roughtrade)
       
       9 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Fromm
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Punkrock
       
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