# taz.de -- Wahlrecht gerecht: Rütteln an der Hürde
       
       > In Schleswig-Holstein gibt es eine Diskussion über die
       > Fünf-Prozent-Hürde. Die Junge Union will die Ausnahmen für den SSW
       > wegklagen.
       
 (IMG) Bild: Bei der jüngsten Wahl reichten 65.000 Stimmen, um hier einzuziehen: Plenarsaal des Kieler Landtags.
       
       KIEL taz | Sie ist die größte Herausforderung für Menschen mit alternativen
       politischen Ideen: die Fünf-Prozent-Hürde. Sie soll dafür sorgen, dass das
       Parlament nicht zersplittert. Die Regel gilt auch in Schleswig-Holstein,
       mit einer Ausnahme für die Parteien der Minderheiten – noch.
       
       Jetzt gibt es Ideen für Veränderungen von zwei Seiten: Die Junge Union
       möchte, dass die Fünf-Prozent-Hürde ausnahmslos gilt und klagt gegen die
       Privilegien der Dänen-Partei Südschleswigscher Wählerverband (SSW). Die
       Piraten wollen die Hürde abschaffen – so steht es seit dem Parteitag am
       vergangenen Wochenende in ihrem Landesgrundsatzprogramm.
       
       Bei der vergangenen Landtagswahl reichten rund 65.000 Stimmen, um in den
       Kieler Landtag einzuziehen. Linkspartei, Familienpartei, NPD, Freie Wähler
       und die Maritime Union Deutschland schafften das nicht. Dem SSW reichte
       dank der Ausnahmeregel für Minderheitenparteien 61.000 Stimmen, um mit drei
       Abgeordnete ins Parlament zu schicken. Mit den Mandaten, die nur auf Grund
       dieser Sonderregel zustande gekommen sind, bildet er die
       Regierungskoalition mit SPD und Grünen.
       
       Das ärgert den CDU-Nachwuchs – vier führende Mitglieder des Kieler
       Landesverbands um den Vorsitzenden Frederik Heinz ziehen deshalb mit einer
       Wahlbeschwerde vor das Landesverfassungsgericht. Sie lehnen die
       Ausnahmeregel generell ab, weil sie den Gleichbehandlungsgrundsatz
       verletze.
       
       Speziell stellen die vier Jungunionisten auch in Frage, dass der SSW
       überhaupt die Kriterien für die Ausnahme erfüllt: „Das ist nicht mehr die
       Partei der dänischen Minderheit“, sagt Trutz Graf Kerssenbrock, ehemaliger
       CDU-Landtagsabgeordneter und der Anwalt der vier Kläger. Der SSW sei eine
       allgemeinpolitische Regionalpartei, die ihre Privilegien ausnutze, wenn sie
       etwa in Südholstein Werbung mache, wo fast keine Mitglieder der dänischen
       Minderheit lebten. Außerdem sei die Partei auch personell gar keine
       Minderheitenpartei: „Der Fraktionsvorsitzende im Landtag Lars Harms hat mit
       der dänischen Minderheit überhaupt nichts zu tun“, sagt Kerssenbrock. Harms
       bezeichnet sich als Friese.
       
       Politisch könnte man die Sonderregeln für den SSW recht einfach ändern –
       die entsprechenden Passagen im Landeswahlgesetz müssten einfach gestrichen
       werden. Doch dafür sind keine Mehrheiten in Sicht. Die JU-Mutterpartei CDU
       unterstützt offiziell nicht einmal die Klage.
       
       Die Piraten dagegen wollen die Hürde ganz abschaffen. Die Abschaffung der
       Sperrklausel würde die Lernfähigkeit und Lebendigkeit des politischen
       Systems Schleswig-Holsteins stärken – so steht es seit dem Wochenende im
       Grundsatzprogramm der Partei. Patrick Breyer, Piraten-Fraktionschef im
       Landtag, glaubt, dass man auch ohne diese Regel Regierungsmehrheiten
       findet. Er wünscht sich, dass Wählerstimmen für kleine Parteien nicht mehr
       wertlos verfallen. Breyer argumentiert auch, dass die Abschaffung die „viel
       kritisierte Privilegierung des SSW beseitigt, ohne die Vertretung der
       dänischen Minderheit im Landtag zu erschweren“.
       
       Mit so einer Lösung kann sich die Junge Union in Kiel nicht anfreunden – im
       Gegensatz zum SSW, der eine Absenkung oder Abschaffung der
       Fünf-Prozent-Hürde unterstützen würde. JU-Landeschef Heinz warnt vor
       „Weimarer Verhältnissen“ – ein Synonym für die Unregierbarkeit des Landes.
       
       „Um die Regierungsfähigkeit zu sichern, braucht man keine
       Fünf-Prozent-Hürde“, sagt Joachim Behnke, Wahlrechtsexperte und
       Politikprofessor an der Zeppelin University Friedrichshafen. Er hat den
       Landtag bei der letzten Wahlrechtsreform beraten. Im internationalen
       Vergleich sei das Quorum hoch, in andren Ländern liege die Grenze bei zwei
       bis drei Prozent. Selbst wenn man den Zugang zum Parlament vollkommen
       freigebe, bleibe eine effektive Hürde von rund ein bis zwei Prozent. Sie
       ergibt sich aus der der Größe des Parlaments: In einem Landtag ohne
       Fünf-Prozent-Hürde mit 69 Sitzen wären Kleinstparteien, die etwa ein halbes
       Prozent erreichten, auch nicht vertreten.
       
       17 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Kummetz
       
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