# taz.de -- Studieren hinter Gittern: Der Knast hat immer recht
       
       > Daniel W. ist Gefangener der JVA Bremen und Student. Er steht kurz vor
       > seinem Abschluss, aber aus dem wird vorerst nichts.
       
 (IMG) Bild: Gefängnismauern statt Campus: In den nächsten Monaten wird das W.s einzige Aussicht sein.
       
       BREMEN taz | Daniel W. studiert „Imaging Physics“ an der Hochschule Bremen.
       Im Februar könnte er seinen Bachelor-Abschluss machen – aber er darf nicht:
       W. ist Gefangener der JVA Bremen, und die hat ihm jetzt den
       „Ausbildungsfreigang“ entzogen. „Reine Willkür“ nennt das sein
       Vollzugshelfer Ingo Straube.
       
       Der 31-jährige W. sitzt seit drei Jahren wegen Drogenhandels im Gefängnis:
       „Das Studium ist ihm bereits vor seiner Haft so wichtig gewesen, dass er
       trotz einer Bewährungsstrafe wieder gedealt hat, um es finanzieren zu
       können“, sagt der pensionierte Psychologe Straube.
       
       „Zwanghaft“ sei W.s Fixierung aufs Studium „und ganz klar eine Störung,
       aber nur ein solcher Mensch kann im Knast ein schweres Studium
       durchziehen.“ Das schrieb er, noch als JVA-Psychologe, auch in W.s
       Vollzugsplanung: „Der schizoide Persönlichkeitstypus (...) fördert genau
       das Berufsziel, das er zu erreichen anstrebt.“
       
       Bei W.s Urteil wurde das berücksichtigt: Strafmildernd galt „die
       beachtliche Energie, trotz emotionaler Überforderung und fehlender
       Unterstützung, eine anspruchsvolle berufliche Qualifikation zu erlangen und
       dieses Ziel auch aus der Untersuchungshaft weiterhin erfolgreich zu
       verfolgen“.
       
       So kam W. in den offenen Vollzug. Vierzig Wochenstunden nahm sein Studium
       in Anspruch, eine volle Arbeitswoche. Deshalb musste er, genau wie
       Mitgefangene, die außerhalb der JVA eine Ausbildung absolvieren, nicht im
       Knast arbeiten – außer in den Semesterferien.
       
       Doch im Sommer gab es einen Zwischenfall: „Der Gefangene“, sagt JVA-Leiter
       Carsten Bauer, „ist von seinem Freigang nicht pünktlich zurückgekehrt.“ Das
       hatte für W. den geschlossenen Vollzug zur Folge: „W. sagte, er hätte
       dringend an seinen Computer an der Uni gemusst und sei deshalb länger
       fortgeblieben.
       
       Das ist aber kein Argument, denn in erster Linie ist er Gefangener und erst
       in zweiter Student.“ Dennoch habe sich die JVA-Leitung mit W. „darauf
       geeinigt, dass er unter der Auflage, am Wochenende zu arbeiten, wieder in
       den offenen Vollzug darf“. Lediglich vor Klausuren sei er von der Arbeit
       befreit gewesen.
       
       Straube nennt diese Einigung „Erpressung“ und schrieb im August einen Brief
       an den Justizsenator, in dem er erklärte, dass die Wochenendarbeit das
       Vollzugsziel untergrabe: „Herr W. verhält sich dann, wenn seine Ausbildung
       objektiv gefährdet wird, nicht mehr souverän. Das hatte früher zu
       Delinquenz geführt (...), heute verliert er die Contenance, was im Vollzug
       rückwirkend verheerende Folgen hat.“ Das bestätigt Bauer: „W. hat
       JVA-Personal beleidigt und bedroht.“
       
       Er sei laut geworden, sagt Straube, „aber von Bedrohung kann keine Rede
       sein“. Und dann, berichtet er weiter, habe man W. wegen eines erneuten
       Vergehens vor gut zwei Wochen den Freigang wieder gestrichen: „Angeblich
       hat er die Arbeit verweigert. Dabei hatte er frei, um sich auf eine Klausur
       vorzubereiten.“ W.s behandelnde Psychologin bestätige das.
       
       Trotzdem ist vorerst Schluss mit dem Studium. „Begründung des Psychologen
       Axel Janzen, Leiter des offenen Vollzugs: Ein Studium sei bei W.
       kontraindiziert – und die JVA-Leitung schließt sich dem an“, so Straube.
       
       W. sei kein Einzelfall für „diese Willkür“. Ihm seien mehrere Fälle
       bekannt, bei denen Gefangene ohne triftigen Grund aus dem offenen Vollzug
       „abgelöst“ wurden: „Bei einem wurden Sparring-Übungen, die er beim
       Kampfsport-Training machte, als Verprügeln gedeutet.“ Obwohl hier ebenfalls
       eine bestätigte Fehlentscheidung vorgelegen habe, sei sie nicht rückgängig
       gemacht worden. Straube: „Janzen entscheidet nach Sympathie oder
       Antipathie.“
       
       Für W. bedeutet das „ein Urlaubssemester“. So bezeichnet Carsten Bauer die
       nächsten Monate, „in denen wir weitersehen werden“. Für Straube bedeutet es
       indes die Missachtung des Vollzugsplans: „Aber der Knast, der hat halt
       immer recht.“ Und eine Antwort vom Justizsenator hat er auch noch nicht
       bekommen.
       
       17 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
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