# taz.de -- Das Montagsinterview: "Eine fürchterliche Erfahrung"
       
       > Brigitte Fronzek wollte Spitzenkandidatin der SPD Schleswig-Holstein
       > werden und scheiterte. Ein Gespräch über demütigende E-Mails,
       > deprimierende Abstimmungen und ihre Arbeit in der Stadtverwaltung.
       
 (IMG) Bild: Zu Beginn ihrer Amtszeit hatten manche Männer noch Schwierigkeiten, sich etwas von ihr sagen zu lassen: Brigitte Fronzek.
       
       taz: Frau Fronzek, Sie wollten Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein
       werden – jetzt sitzen Sie immer noch im Elmshorner Rathaus. Sind Sie
       frustriert? 
       
       Brigitte Fronzek: Es geht so. Die Niederlage im SPD-Kandidatenrennen war
       hart. Aber dass das nun der Weltuntergang für mich war, kann ich nun auch
       nicht behaupten.
       
       Sie haben sich in den Zweikampf um die Spitzenkandidatur zwischen dem
       SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner und dem damaligen Kieler
       Oberbürgermeister Torsten Albig eingemischt. Warum? 
       
       Ich wollte nicht, dass dieser Mitgliederentscheid zu einem Duell wird. Das
       führt dazu, dass man sich gegenseitig schlecht macht. Und wenn ich meinen
       Werdegang angucke, dann bin ich für die Stelle als Ministerpräsidentin sehr
       geeignet.
       
       Das hat nicht geklappt. Aus einem Duell wurde ein Duell mit Beiwerk. 
       
       Ja, das hat mich sehr gewundert. Unmittelbar nach Bekanntgabe der
       Kandidatur bekam ich E-Mails, in denen stand, dass meine Kandidatur nur
       eine Scheinbewerbung sei, um Albig Stimmen wegzunehmen. Das ging so weit,
       dass sogar Freunde mich gefragt haben: Warum willst du Ralf Stegner helfen?
       Das wollte ich überhaupt nicht!
       
       Gab es Druck? 
       
       Ja, allerdings nur per E-Mail und nur von der Gefolgschaft von Torsten
       Albig. Ich solle gefälligst meine Kandidatur zurückziehen, haben die
       geschrieben. Was diese Bewerbung denn überhaupt solle, mich wolle doch
       sowieso keiner. Torsten Albig hat mir versichert, er habe davon nichts
       gewusst. Ich habe keinen Anlass, ihm nicht zu glauben.
       
       Wie sind Sie damit umgegangen? 
       
       Ich habe es schlicht ignoriert. Als ich dann merkte, das geht nicht weg und
       hat ganz große Kreise ergriffen,habe ich versucht, offensiv zu werden und
       diese Sachen öffentlich gemacht.
       
       Haben Sie persönliche Angriffe erlebt? 
       
       Nö, das war ja das Angenehme daran, nicht ernst genommen zu werden: Man hat
       sich keine Mühe gegeben, mich anzugreifen.
       
       Wie ging es Ihnen während der Kandidatur? 
       
       Während das lief, war ich streckenweise völlig verunsichert. Ich habe mich
       gefragt, warum ich das wohl gemacht habe. Vor allem die ganze Arbeit! Ich
       habe für jede der 16 Vorstellungsrunden eine neue oder deutlich veränderte
       Rede gehalten. Und dann waren manche Abstimmungsergebnisse für mich völlig
       unbefriedigend. Wie kann es angehen, dass ich bei der Probeabstimmung nach
       der Vorstellungsrunde in Lensahn nur sieben Stimmen bekommen habe, während
       Stegner und Albig weit über 100 erhielten? Das war schon schwierig.
       
       Was haben Sie nach der Abstimmung in Lensahn gemacht? 
       
       Ich habe auf der Rückfahrt mit meinen Unterstützern kurz darüber geredet
       und dann den Tag einfach abgehakt. Doch das reichte nicht. Das ist einfach
       eine fürchterliche Erfahrung. Am folgenden Wochenende habe ich das dann mit
       meinem Mann diskutiert. Er hat vorschlagen, dass ich mich mehr anstrenge.
       
       Hat Sie die Kandidatur verändert? 
       
       Ja. Das durchgestanden zu haben, das überlebt zu haben, hat mir in der
       täglichen Arbeit viel gebracht. Ich habe viel mehr reflektiert, wo ich
       politisch stehe. Ich bin jetzt durchsetzungsstärker.
       
       Werden Sie der Gefahr einer solchen schweren Niederlage in Zukunft aus dem
       Weg gehen? 
       
       Ich kandidiere nirgendwo mehr.
       
       Auch nach der Niederlage im Mitgliederentscheid hätten Sie noch nach Kiel
       gehen können. Sie waren als Sozialministerin im Gespräch. Warum sind Sie
       noch hier? 
       
       Merkwürdigerweise war alles im Gespräch. Auch das Innen- und
       Justizministerium. Mir ist bei den Koalitionsverhandlungen aufgefallen,
       dass ich zeit meines Lebens selbstbestimmt gearbeitet habe. Ich habe
       gemerkt, dass ich Schwierigkeiten mit dem Unterordnen habe. Und ich habe
       mich mit dem Gedanken angefreundet, nicht mehr gar so lange 80 Stunden zu
       arbeiten. Im Dezember 2013 endet meine Amtszeit, dann höre ich auf zu
       arbeiten.
       
       Sie wurden 1996 Bürgermeisterin von Elmshorn. Kamen die Mitarbeiter der
       Stadtverwaltung damals schon klar damit, eine Frau als Chefin zu haben? 
       
       Nicht alle. Ich habe das gar nicht bemerkt, bis irgendjemand mal sagte:
       „Das können Sie doch nicht machen, Herrn XY sagen, dass er sich geirrt hat.
       Das ist doch für ihn ganz furchtbar zu ertragen, das von einer Frau zu
       hören.“ Da war ich ganz überrascht.
       
       Wie sind Sie damit umgegangen? 
       
       Es blieb mir nichts anderes übrig, als solche Bedenken zu ignorieren. Ich
       kann doch nicht nur deshalb nicht sagen was ich denke, weil die Leute sich
       von einer Frau nichts sagen lassen möchten. Da mussten die durch – und ich
       auch.
       
       Und wie hat das funktioniert? 
       
       Vieles hat sich durch altersbedingtes Ausscheiden von Mitarbeitern
       erledigt. Das ist eine Generationsfrage. Als ich hier anfing, gab es zwölf
       Ämter und davon wurde ein einziges von einer Frau geleitet. Inzwischen
       haben wir nur noch zehn Ämter, aber sieben werden jetzt von Frauen
       geleitet.
       
       Weibliche Führungskräfte zu finden, war für Sie also kein Problem? 
       
       Wie Sie sehen, geht das ganz einfach. Das Problem ist, dass man
       Auswahlverfahren auch so gestalten kann, dass es nur die Männer werden.
       
       Wie macht man das? 
       
       Indem man einfach nur auf die Dienstzeiten guckt. Und da Frauen ja immer
       mal drei Jahre aussetzen oder weniger arbeiten, wenn sie Kinder zu betreuen
       haben, fallen sie aus dem Raster.
       
       Wie lange sollte man Bürgermeister einer Stadt bleiben? 
       
       Nicht länger als 18 Jahre. Ich habe mir bei der letzten Wahl gut überlegt,
       ob ich noch mal kandidiere. Aber wir hatten damals so viele angefangenen
       Projekte, ich hatte Angst, dass es vielleicht nichts mehr wird, wenn ich
       nicht mehr dabei bin.
       
       Das Problem werden Sie doch im nächsten Jahr wieder haben, wenn ihre
       Amtszeit endet. 
       
       Dann habe ich das Wichtigste durchgezogen. Es hat ja auch einen bestimmten
       Reiz, nach 18 Jahren das Stadtfest nicht mehr eröffnen zu müssen.
       
       Ist das nervig? 
       
       Es macht auch Spaß. Aber es hat in der Wiederholung dann durchaus
       Schwierigkeiten.
       
       Warum sind Sie eigentlich in der SPD? 
       
       Ich finde es richtig, wofür die SPD steht. Aber es liegt auch in der
       Familie. Es sind alle mit 17 eingetreten! Mein Opa, mein Vater, mein Sohn,
       ich.
       
       Das heißt, dass ihre Familie auch Erfahrung mit der Verfolgung in der
       NS-Zeit gemacht hat? 
       
       Väterlicherseits war meine Familie sozialdemokratisch, schon immer,
       mütterlicherseits kommunistisch. Wobei die Kommunisten natürlich mehr
       Erfahrung mit Verfolgung hatten als die Sozialdemokraten. Die haben sich
       nur ein bisschen versteckt gehalten im Dorf und die schwarz-rot-goldene
       Flagge vergraben, bis der Krieg vorbei war. Meine kommunistische Großmutter
       war im Konzentrationslager.
       
       Wie hat Sie das beeinflusst? 
       
       Im Umgang mit Neonazis hat mich das geprägt. Außerdem hat das dazu geführt,
       dass ich mich mit voller Kraft für die Demokratie einsetze.
       
       Mit Neonazis auseinandersetzen mussten Sie sich am Anfang ihrer Amtszeit. 
       
       Ja, das war ein importiertes Problem. Die kamen 1999 und 2000 hierher nach
       Elmshorn, um Aufmärsche zu machen. Mich als Bürgermeisterin hat das
       natürlich unglücklich gemacht, dass meine Stadt im Zusammenhang mit
       Neonazis genannt wurde. Es gab keine andere Möglichkeit als dagegenzuhalten
       und auf das Problem aufmerksam zu machen. Das war sehr lehrreich.
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Ich habe gelernt, dass man, wenn man gegen die Neonazis aufsteht, schnell
       alleine dasteht, vor allem wenn man exponiert auftritt. Ein Teil meiner
       Nachbarn hat mit mir herumgemeckert, weil die Nazis Wurfkrallen in die
       Straßen geworfen hatten.
       
       Das haben die Ihnen vorgeworfen? 
       
       Ja! Wenn ich mich mit den Neonazis anlege, sollte ich doch dafür sorgen,
       dass die Nachbarn nicht behelligt werden. Das hat mich schon etwas
       nachdenklich gemacht. Es gibt eine große Gruppe von Menschen, die glaubt,
       wenn man ein Problem ignoriert, dann geht es weg. Die wollten, dass ich
       keine Gegendemo mache, damit es keiner mitbekommt.
       
       Das klingt nach einer klassischen Bürgermeister-Position. 
       
       Ja. Und was hat das im Osten gebracht? Nichts.
       
       Hatten Sie Erfolg? 
       
       2001 haben die Gegendemonstranten viel Unterstützung erhalten und das hat
       mir gezeigt, dass wir viel stärkere Aufklärungsarbeit leisten müssen. Dann
       sind die Menschen auch bereit, sich zu engagieren. 2001 ist auch eine
       erneute Demo der Neonazis verboten worden. Das Verbot ist vom
       Bundesverfassungsgericht nicht aufgehoben worden. Das hatte aber auch mit
       den Anschlägen auf mein Haus und auf die IG Metall zu tun. Das habe ich
       damals nicht publik gemacht. Ich wollte keine Nachahmungstäter
       herausfordern, war am Ende sehr eingeschüchtert und brauchte Polizeischutz.
       
       22 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Kummetz
       
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