# taz.de -- Die Wahrheit: Unzustellbare Wurst
       
       > Schwabinger Krawall: Es sei widersinnig, schimpft Reithofer, ein großes
       > Postamt abzureißen, um an seiner Stelle hässliche Wohnschachteln zu
       > errichten...
       
       Es sei widersinnig, schimpft Herr Reithofer, ein großes Postamt abzureißen,
       um an seiner Stelle hässliche Wohnschachteln für zugereiste
       Kaffee-Togo-Familien aus Westpreußen zu errichten und dann in eines dieser
       sogenannten Häuser ein fünfmal kleineres Postamt mit fünfmal weniger
       Personal hineinzubauen, in dem man sich in eine kilometerlange Schlange
       stellen müsse, bis man schwarz werde, um schließlich zu erfahren, das
       gewünschte Paket sei bereits am Sankt-Nimmerleins-Tag an den Absender
       zurückgeschickt worden, weil man es nicht rechtzeitig abgeholt habe, was
       auch gar nicht gehe, weil das lächerliche Amt außer samstags nur zu Zeiten
       geöffnet habe, wo Menschen wie er einer geregelten Berufstätigkeit
       nachgingen.
       
       Im Übrigen müsse man den Zinnober sowieso bloß mitmachen, weil der neue
       Paketbote zu faul sei, in den vierten Stock heraufzusteigen, und deshalb
       immer nur Zettel in den Briefkasten schmeiße und sich davonmache.
       
       Seine Frau meint, er solle sich lieber nicht so aufregen, zumal er zu den
       üblichen Paketzustellungszeiten ja sowieso nie daheim sei, aber Herr
       Reithofer regt sich nur noch mehr auf und brüllt, er lasse sich nicht von
       einem windigen Boten vorschreiben, wann er das Haus verlassen dürfe.
       Deshalb habe er sich am Montag freigenommen, weil er da die alljährliche
       Lieferung von Presssack und Würsten von seinem Onkel Adalbert aus der
       Oberpfalz erwarte. Dann werde er den faulen Paketburschen abpassen und zur
       Rede stellen.
       
       Am Montag steht Herr Reithofer noch früher auf als sonst und postiert sich
       im Morgengrauen am Küchenfensterbrett. Erst am frühen Nachmittag, als der
       Hunger übermächtig wird und er seine Armgelenke kaum noch spürt, verlässt
       er seinen Jägerstand, um Brotzeit zu machen. Da hört er das unverkennbare
       Geräusch einer Lieferwagenschiebetür und stürmt mit dem triumphalen Ausruf,
       das habe er sich doch gleich gedacht, zur Wohnungstür hinaus.
       
       Es gelingt ihm, den Paketboten vor dem Haus mit dem Päckchen unter dem Arm
       zu stellen und ihm selbiges nach einem kurzen, heftigen Handgemenge zu
       entreißen. Während der Bote in sein Auto flüchtet und mit quietschenden
       Reifen enteilt, stapft Herr Reithofer mit stolzgeschwellter Brust wieder
       hinauf und verkündet seiner Frau, diesem Lumpenpack habe er gezeigt, wo der
       Bartl den Most hole.
       
       Frau Reithofer wirkt nicht überzeugt, erst recht nicht, als er das Paket
       geöffnet hat und ihm aber nicht die erwarteten Kaminwurzen und Mettwürste
       entnimmt, sondern ein undefinierbares Elektrogerät mit Tasten und Zubehör,
       das, wie er bei genauerer Betrachtung der Verpackung feststellt, gar nicht
       an ihn adressiert ist, sondern an einen Doktor Hinrichs.
       
       Das könne mal passieren, findet Herr Reithofer, stellt das mit Tesafilm
       wieder zugeklebte Päckchen samt zwei Flaschen Maibock vor die Tür des
       offenbar neu zugezogenen Herrn Hinrichs im zweiten Stock und sagt zu seiner
       Frau, so habe man das früher immer gemacht, und sein unzuverlässiger Onkel
       solle ihm den Buckel hinunterrutschen und seine Würste selber essen.
       
       24 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Sailer
       
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