# taz.de -- Streit der Woche: "Die EU muss der Maßstab bleiben"
       
       > Braucht die Türkei Europa? Nein, sagt Aylin Selçuk vom Verein "DeuKische
       > Generation e.V.". EU-Kommissar Štefan Füle widerspricht.
       
 (IMG) Bild: Türkei und Europa: Wer braucht hier wen?
       
       „Die EU muss der Maßstab für den Reformprozess in der Türkei bleiben“, sagt
       der EU-Erweiterungskommissar Štefan Füle im „Streit der Woche“ in der
       sonntaz auf die Frage, ob die Türkei Europa braucht.
       
       Deshalb sei es im Interesse der Türkei und der EU, dass die
       Beitrittsverhandlungen neuen Schwung bekämen – um die Türkei auf dem Weg zu
       einem modernen, säkularen Staat zu unterstützen. Er betont, dass die
       Beziehungen zwischen der Türkei und der EU nicht darauf reduziert werden
       dürfen, wer den anderen nötiger hat.
       
       Cem Özdemir, Vorsitzender der Grünen, wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel
       und ihrem „unsichtbaren Außenminister“ Guido Westerwelle unterdessen vor,
       dass sie „mit ihrer Verzögerungstaktik“ zum Stocken der offiziellen
       Beitrittsverhandlungen beigetragen haben. Der Beitrittsprozess sei der
       wirksamste Rahmen für die Umsetzung EU-bezogener Reformen in der Türkei und
       damit „einer demokratisch-rechtsstaatlichen Entwicklung“. Er kritisierte,
       dass die türkischen Gerichte die Gesetze zunehmend missbrauchten, um die
       Meinungs- und Pressefreiheit zu beschränken.
       
       Sevim Dağdelen, Linkspartei, entgegnet, dass der angebliche
       Demokratisierungseffekt, den die Beitrittsverhandlungen haben sollen,
       ausgeblieben ist: Stattdessen „sitzen mittlerweile über 10.000
       Oppositionelle und 100 Journalisten in Haft“. Die AKP-Regierung habe es
       sich im EU-Beitrittsprozess gut eingerichtet. „Braucht diese Türkei diese
       EU? Nein!“
       
       ## „Als ,Deutschländer' wird man heute eher bemitleidet“
       
       Aylin Selçuk, Vorsitzende der „DeuKische Generation e.V.“, findet, dass die
       Türkei Europa aus einem anderen Grund nicht (mehr) braucht: „Die Wirtschaft
       boomt, das Bruttoinlandsprodukt steigt, die Menschen sind jung.“ Das
       Streben nach Europa liege in der Vergangenheit. „Als ,Deutschländer' wurde
       man früher beneidet, heute eher bemitleidet. Für viele Europäer ist Berlin
       eine Metropole. Doch wenn man erst einmal in Istanbul war, erscheint Berlin
       eher kleinstädtisch.“
       
       Der Sättigungsgrad an Bevormundung und Zurückweisung durch „Europa“ ist
       erreicht, meint Klaus Kreiser, emeritierter Professor für Turkologie und
       Buchautor. Maßnahmen, die den Spielraum der Militärführung einengten, und
       die „kurdische Öffnung“ seien auch ohne Druck aus „Europa“
       zustandegekommen. Laut Kreiser würde kein türkisches Parlament
       Souveränitätsrechte abgeben, was mit einer Vollmitgliedschaft in der EU
       verbunden wäre. Doch auch außerhalb der EU sei ein „Wandel durch
       Annäherung“ der Türkei an europäischen Normen und Institutionen möglich.
       
       Die sonntaz-Frage „Braucht die Türkei Europa?“ beantworten außerdem Dagmar
       Roth-Behrendt, SPD, Abgeordnete im Europaparlament, und Gregor Holek,
       Schwellenländerexperte bei Raiffeisen Capital Management – in der sonntaz
       vom 27./28. Oktober 2012.
       
       29 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ceyhan Genç
       
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 (DIR) Streit der Woche: Braucht die Türkei Europa?
       
       Die Türkei wächst wirtschaftlich und emanzipiert sich. Vom möglichen oder
       unmöglichen EU-Beitritt spricht kaum noch jemand. Ist das gut so?