# taz.de -- Streit um Schiedsrichter in Italien: Verdacht auf „Sudditanza“
       
       > Beim Spiel zwischen Calcio und Juventus wird ein Tor fälschlicherweise
       > nicht gegeben. Nun tobt eine Debatte um die Nähe von Schiedsrichtern zu
       > großen Fußballklubs.
       
 (IMG) Bild: Auf dem Spielfeld blieb es sportlich, doch das Stadion explodierte.
       
       BERLIN taz | Ein Nicht-Tor regt Italien auf. Zuerst hatte Linienrichter
       Luca Maggiani am Sonntagmittag in Catania den Treffer von Bergessio, der
       für den Gastgeber stürmt, noch als regulär anerkannt und die Fahne in
       Richtung Mittelkreis geschwenkt. Nach einer Beratung mit Schiri Andrea
       Gervasoni aber ließ er sich vom Gegenteil überzeugen und entschied
       fälschlicherweise auf Abseits.
       
       Als der Spielstand zwischend Catania Calcio und Juventus Turin beim 0:0
       verblieb, explodierte das Stadio Massimino, wo in der Vergangenheit nach
       Randalen ein Polizist ums Leben kam, schier. Zum Glück bewahrten die
       erregten Gemüter ein Mindestmaß an Selbstbeherrschung, so dass es nicht zu
       Gewalttaten kam.
       
       Für ein großes Nachspiel hat aber auch dieses Ereignis gesorgt. Catanias
       Präsident Pulvirenti vermutete in der Hitze der ersten Empörung nämlich die
       berühmte „Sudditanza“. Jene Ergebenheit der Schiedsrichter gegenüber den
       Großen, die im Jahre 2006 ans Licht kam, als Juventus-Manager Luciano Moggi
       über sein Bestechungssystem aussagen musste.
       
       Die späteren Untersuchungen hatten zwar auch eine bedenkliche Nähe von
       Verantwortlichen der Mailänder Großclubs zu den Schiedsrichtern und eine
       Art „Mitschwimmkorruption“ von mittelgroßen Clubs wie der Fiorentina und
       kleinen wie Messina ergeben. Moggi blieb aber zu Recht die Zentralgestalt
       des Skandals. Und Juventus hatte seinen Schandfleck weg.
       
       Das Ereignis in Catania – Juve gewann das Spiel mit einem selbst
       zweifelhaften Treffer 1:0 – ließ den „Sudditanza“-Geist aber deshalb aus
       der Flasche weichen, weil Catanias Präsident ein paar Auswechselspieler von
       Juventus erregt auf das Schiedsrichtergespann einreden sah. „Wenn das auf
       der anderen Seite geschehen wäre, hätte es drei Platzverweise für uns
       gesetzt“, erklärte der erzürnte Pulvirenti.
       
       ## „Schwerer Fehler“ festgestellt
       
       Ob die Pfeifenmänner sich von den Bianconeri beeinflussen ließen, ja, was
       überhaupt die Ursache für den Entscheidungswechsel war, ist bislang eine
       großes Geheimnis. Fakt ist, dass Schiedsrichterkoordinator Stefano Braschi
       einen „schweren Fehler“ feststellte und sich entschuldigte. Fakt ist auch,
       dass Linienrichter Maggiani am nächsten Spieltag aussetzt.
       
       „Er wird wohl den ganzen nächsten Monat nicht pfeifen“, vermutet die
       Gazzetta dello Sport. Und aus Irland brachte das Sportblatt die Nachricht,
       dass der Wettanbieter Paddy Power jene Wetter, die einen Sieg für Catania
       gesetzt hatten, ebenfalls auszahlte. „Manchmal ist ein Resultat so
       ungerecht, dass es einfach richtig ist, den Einsatz zu erstatten“, zitiert
       die Gazzetta Paddy Power.
       
       Das ist prima Werbung, aber auch eine gute Einschätzung der Sachlage.
       Inter-Präsident Massimo Moratti betätigt sich derweil als
       Brandbeschleuniger, merkte er doch an: „Einen gewissen Eindruck hat das
       Spiel in Catania ja schon gemacht, aber ich möchte die an sich schon nicht
       besonders große Sympathie beider Fanlager nicht verschärfen, um gefährliche
       Entwicklungen zu vermeiden.“
       
       Mit dem Gedankenspiel – „Wir wären bei einer Niederlage von Juve bis auf
       einen Punkt herangerutscht“ – entfachte er das Feuer wieder, das er
       angeblich eindämmen wollte. Juventus, die „Alte Dame“, durch etliche
       Skandale schon in Verruf geraten, verhält sich ebenso wenig mit Grandezza.
       
       Mit keinem Wort ging Präsident Agnelli auf das Fehlverhalten eigener
       Spieler – das Bestürmen der Schiedsrichter – ein. Er beklagte aber die
       „feindselige Atmosphäre“ gegen Juve-Spieler und -Betreuer, die
       Sportdirektor Marotta sogar zum Verlassen der Tribüne gebracht hatte. Und
       er erinnerte daran, dass Catania unter ähnlichem Schiedsrichterpech in der
       Vorwoche im Stadio San Siro gelitten habe, dort aber nicht so ein Sturm der
       Empörung ausgebrochen sei. Immer sind die anderen die Schlimmen.
       
       30 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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