# taz.de -- Politiker-Prozess mit Irrungen: Ein Mann in zwei Paralleluniversen
       
       > Gleich zwei Frauen wollen in einem bestimmten Zeitraum mit dem
       > angeklagten ehemaligen SPD-Politiker Bülent Ciftlik aus Hamburg zusammen
       > gewesen sein: Seine Ehefrau und die Ex-Freundin.
       
 (IMG) Bild: Na, wo isser gewesen? Bei der Ex-Freundin oder der Ehefrau: der ehemalige SPD-Politiker Bülent Ciftlik.
       
       Bülent Ciftlik wirkt angespannter als sonst. Es ist der 28. Verhandlungstag
       des bereits seit Februar vor dem Hamburger Landgericht laufenden
       Strafverfahrens gegen den ehemaligen Pressesprecher und
       Bürgerschaftsabgeordneten der Hamburger SPD. Für den 40-Jährigen ist es ein
       besonderer Tag. Erstmals ist seine Ehefrau Nilay zur Vernehmung geladen.
       Ihre Aussage soll die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin Constance
       K. erschüttern. Die Spannung im Saal ist zum Greifen.
       
       Neun unterschiedliche Straftatbestände werden dem früheren Politiker von
       der Staatsanwaltschaft derzeit noch zur Last gelegt. Die meisten
       Anschuldigungen beziehen sich auf einen Prozess, in dem Ciftlik bereits im
       Sommer 2010 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Er soll eine Scheinehe
       zwischen seiner Ex-Geliebten Nicole D. und einem türkischen Bekannten
       eingefädelt haben, um diesem die drohende Ausweisung zu ersparen. Der
       Schuldspruch bedeutete das Ende der politischen Karriere des Deutschtürken.
       Bereits im Laufe der Ermittlungen hatte er sein Sprecheramt verloren, am
       Tag des Urteils flog er aus der Fraktion und klagt bis heute vor dem
       Berliner Verwaltungsgericht gegen den Ausschluss aus der SPD.
       
       Um seine drohende Verurteilung zu verhindern, soll Ciftlik laut Anklage im
       Vorfeld und während dieses ersten Verfahrens mit Zeugen Falschaussagen
       trainiert und Nicole D. gefälschte, ihn entlastende Mails heimlich auf den
       Computer gespielt haben. Hauptbelastungszeugin für diesen Kernvorwurf des
       Verfahrens ist Ciftliks ehemalige Freundin Constance K. Sie will die erste
       Hälfte des Aprils 2010 fast rund um die Uhr mit Ciftlik zusammen gewesen
       sein, ihm in dieser Zeit geholfen haben, Beweismittel zu manipulieren.
       
       „Alles erstunken und erlogen“, erbost sich Nilay Ciftlik, als Richter
       Rüdiger Göbel sie mit den Aussagen von Constance K. konfrontiert. Und dann
       erzählt die angehende Gymnasiallehrerin, dass sie in dem Zeitraum, in dem
       ihr heutiger Mann mit Hilfe von Constance K. zahlreiche Straftaten verübt
       haben soll, Tag und Nacht nicht von Ciftliks Seite gewichen sei.
       
       Am 11. April etwa, dem Tag als Bülent und Nilay sich in großer Runde
       verlobten und in kleinerer Runde den Abend in einem Lokal ausklingen
       ließen, will auch Constance K. anderorts mit Ciftlik zusammengewesen und
       kriminelle Pläne geschmiedet haben. Es gibt Bilder mit Datumseinblendungen
       von der Verlobungsfeier und die anschließend geladenen ZeugInnen bestätigen
       Nilay Ciftliks Behauptungen. Und es gibt zahlreiche Familienfeste in diesem
       April – Geburtstage und auch die Geburt von Ciftliks Neffen –, an denen die
       Anwesenheit des Angeklagten dokumentiert ist, aber auch Constance K. mit
       Ciftlik zusammen gewesen sein will. Zwei Frauen, zwei Paralleluniversen mit
       einem Angeklagten, der über Wochen permanent zeitgleich an zwei Orten
       gewesen sein soll.
       
       Als Nilay Ciftlik den Zeugenstand verlassen hat, ist Staatsanwalt Michael
       Elsner an der Reihe. Mit keinem Wort bestreitet er ihre Angaben, nur betont
       er, sie seien „nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit von Frau K. zu
       erschüttern“. Auch wenn einige der von ihr genannten „Daten mit
       Fragezeichen versehen“ werden müssten, sei am Kern ihrer Anschuldigungen
       nicht zu zweifeln. Verteidigerin Gaby Heinecke fällt Elsner in die Parade,
       betont, dass es hier nicht um die Verwechslung von Uhrzeiten oder einzelnen
       Tagen ginge und sich Constance K. zudem bei vielen Terminen eindeutig
       festgelegt habe. Da sie offensichtlich lüge, wenn sie behaupte, rund um
       Ciftliks Verlobung kaum von seiner Seite gewichen zu sein, dürften aus
       ihrer Aussage „keine den Angeklagten belastenden Tatsachenfeststellungen
       gezogen werden“. Sollte sich das Gericht Elsners Sichtweise zu eigen
       machen, sei das „das Ende jeder Verteidigungsmöglichkeit“. Dann wäre nichts
       mehr nachprüfbar und nichts zu widerlegen.
       
       31 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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