# taz.de -- New-York-Marathon findet statt: Das Chaos ist programmiert
       
       > Trotz der Sturmschäden wird der New-York-Marathon ausgetragen. Der Lauf
       > wird als „Symbol des Durchhaltevermögens“ verkauft.
       
 (IMG) Bild: Dauerläufer auf der Queensboro Bridge über den East River: „New York ist mit keinem anderen Marathon zu vergleichen“.
       
       Vielleicht hat Gerard van de Veen einfach Glück gehabt. Sein Direktflug von
       Amsterdam nach New York ist ebenso planmäßig verlaufen wie die Anreise
       seines ausdauernden Mandanten Wilson Kipsang, der über Nairobi und London
       in das sturmgeschädigte New York gekommen ist.
       
       Der niederländische Athletenvertreter und sein kenianischer Spitzenläufer
       sind vor Ort vom Veranstalter zwar nicht so stürmisch begrüßt worden wie
       der verheerende Wirbelsturm durch die Straßen von Manhattan fegte, aber der
       Marathon-Dritte der Olympischen Spiele soll gemeinsam mit seinem Landsmann
       Moses Mosop über die anspruchsvollen 42,195 Kilometer für eine Zeit um 2:06
       Stunden garantieren.
       
       „New York ist mit keinem anderen Marathon zu vergleichen. Dieses Rennen ist
       sehr speziell“, sagt van de Veen. Erst recht die diesjährige Veranstaltung.
       Denn es ist angesichts der Wetterunbilden allemal diskussionswürdig, dass
       diese Stadt ihr seit 1976 ausgetragenes Lauf-Event nicht fällen lässt und
       unverändert nach Höchstleistung lechzt.
       
       „Der Marathon war immer ein besonderer Tag als Symbol der Lebensfreude und
       des Durchhaltevermögens dieser Stadt“, glaubt Rennchefin Mary Wittenberg.
       Dafür hagelt es Kritik. Die einen sagen, dass diese Entscheidung
       „Ressourcen raubt“ (Lokalpolitikerin Liz Krueger), die anderen, dass „nicht
       die Zeit für eine Parade ist“ (Stadtbezirkspräsident James Molinaro).
       
       ## Unmögliche ANreise
       
       Zum umstrittenen Start an der gewaltigen Verrazano Narrows Bridge scheint
       zudem das Chaos programmiert: Etliche der angekündigten 20.000
       Hobbyathleten aus der ganzen Welt können gar nicht anreisen; und wie die
       Massen am Sonntag nach Staten Island kommen sollen, obwohl weder eine Fähre
       noch die U-Bahn verkehrt, ist ein Rätsel.
       
       Fest steht: 47.000 Finisher wie im Vorjahr wird es nicht geben. Wittenberg
       insistiert, dass das Marathon-Mekka schon alles erlebt habe. Wenn die
       geschäftstüchtige Frau, die den verhinderten Teilnehmern nicht mal 347
       Dollar Startgeld zurückerstatten will, sich da mal nicht täuscht.
       
       Denn mächtig viel Wind haben in der Marathon-Szene auch die diesjährigen
       Dopingenthüllungen entfacht. Seitdem der des Dopings überführte kenianische
       Weltklasseläufer Mathew Kisorio gegenüber der ARD aussagte, verdichten sich
       die Indizien des umfassenden Betrugs. Dass es in der
       Marathon-Weltbestenliste erneut von Kenianern und Äthiopiern wimmelt –
       aktuell sind die ersten 58 Plätze bei den Männern zwischen beiden Ländern
       paritätisch verteilt – ist nicht neu.
       
       Verdächtig ist aber, dass deren Zeiten im Schnitt rund drei Minuten besser
       sind als vor zehn Jahren. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Der in der
       WDR-Doping-Redaktion tätige Hajo Seppelt vermutet: „Die sportlichen Erfolge
       bringen in Kenia so einen erheblichen sozialen Aufstieg mit sich, dass der
       Anreiz zu manipulieren enorm groß ist.“
       
       ## Medikamente gegen geringes Entgeld
       
       Offenbar haben sich direkt in der Nähe der Trainingszentren im kenianischen
       Hochland Ärzte niedergelassen, die den Athleten gegen ein geringes Entgelt
       Medikamente geben. Nur auf außerordentlichem Talent, hartem Training und
       günstigen Höhenlagen basiert die absurde Tempojagd nach Seppelts intensiven
       Recherchen nicht. Oder doch?
       
       „Es ist eine sehr gefährliche Diskussion im Gange, in der es zu viele
       Gerüchte gibt“, entgegnet Manager van de Veen. Der frühere
       Immobilienhändler verweist reflexartig darauf, dass Kipsang genau wie sein
       Spitzenläufer Geoffrey Mutai, der diesjährige Berlin-Sieger, ständigen
       Dopingkontrollen unterzogen würden.
       
       Aber was sind die wert, wenn der Leichtathletik-Weltverband bis heute keine
       funktionierenden Blutkontrollen garantieren kann? Der Dopingexperte Bengt
       Saltin bemängelte bereits, „dass die Kenianer viel höhere Blutwerte
       aufweisen als früher“. Die Branche ist ungeachtet der Wetterturbulenzen vor
       dem Klassiker in New York in ziemlicher Aufregung.
       
       Das Management um Weltrekordhalter Patrick Makau reagierte nach seinem
       gescheiterten Rekordversuch in Frankfurt mit einer aktionistisch anmutenden
       Rechtfertigungsarie. Und der kenianische Verband möchte das Problem auf
       seine Weise lösen: Der zwielichtige Verbandspräsident Isaiah Kiplagat hat
       die Enthüllungsjournalisten aus Europa nicht nur beschimpft, sondern will
       ihnen künftig auch ein Einreiseverbot erteilen.
       
       1 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Hellmann
       
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