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> Alles über die zu einem Flüstern gesenkte Stimme.
(IMG) Bild: Wer flüstert, der lügt – wer aber schrill flüstert, der lügt schon nicht mehr, der fabuliert sich eins zurecht.
Als Marie von Ebner-Eschenbach 1887 in ihrer Erzählung „Das Gemeindekind“
einen Mann auftreten ließ, dessen Stimme sich „zu einem geheimnisvollen
Geflüster“ senkte, konnte noch niemand ahnen, dass damit eine Lawine ins
Rollen kam.
Schon sechzig Jahre später riss sie Hans Fallada mit: „Der Geistliche
senkte seine Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern“, heißt es in seinem
Roman „Jeder stirbt für sich allein“, und bereits 1966 schlossen die Leser
von Otto Taubers Roman „Wer nicht mehr stirbt, ist tot“ mit der nächsten zu
einem Flüstern gesenkten Stimme Bekanntschaft, und zwar in dem Satz: „Er
senkte seine Stimme zu einem Flüstern.“
Im 21. Jahrhundert ist es um die zu einem Flüstern gesenkte Stimme nicht
stiller geworden. Wir begegnen ihr 2001 in Minette Walters Kriminalroman
„Das Echo“ von 2001 („Die Stimme senkte sich zu einem drohenden Flüstern“),
2005 in Frank Schätzings Bestseller „Tod und Teufel“ („Er senkte seine
Stimme zu einem Flüstern“) und 2012 sowohl in Kate Furnivalls Epos „Die
Sehnsucht der Konkubine“ („Babitski senkte seine Stimme zu einem Flüstern“)
als auch in T. S. Orgels Standardwerk „Orks vs. Zwerge“ („Er senkte seine
Stimme zu einem heiseren Flüstern“) und nicht zuletzt in Sina Beerwalds
Psychothriller „Hypnose“ („Er senkte seine Stimme zu einem heiseren
Flüstern“).
Der Gefahr der Klischeebildung sind die Autoren im Laufe der Zeit mit
stetig wachsendem Einfallsreichtum ausgewichen. Es ist wahrlich
bemerkenswert, wohin eine Stimme sinken kann – „zu einem angstvollen
Flüstern“ (Leo Perutz: „Der Meister des jüngsten Tages“, 1923), „zu einem
verschwörerischen Flüstern“ (Fritz von Hermanovsky-Orlando: „Das
Maskenspiel der Genien“, 1929), „zu einem wehmütigen Flüstern“ (Karl Bartz:
„Lilienbanner und Preußenaar“, 1940), „zu einem unverständlichen Geflüster“
(Franz Carl Weiskopf: „Abschied vom Frieden“, 1950), „zu einem
geschäftsmäßigen Gelehrtenton“ (Alfred Paul Schmidt: „Das Kommen des Johnny
Ray“, 1976), „zu einem vertraulichen Flüstern“ (Werner Waldhoff: „Der
tiefere Grund des Meeres“, 1987), „zu einem melodramatischen Flüstern“
(Aaron Elkins: „Fluch!“, 1993), „zu einem bedrohlichen Flüstern“ (Tanja
Kinkel: „Unter dem Zwillingsstern“, 2000), „zu einem verführerischen
Raunen“ (Sasha Lord: „Zauber deiner Sehnsucht“, 2007), „zu einem monotonen
Summen“ (Connie Mason: „Rivalen der Liebe“, 2007), „zu einem ängstlichen
Flüstern“ (Friedhelm Kober: „Freyas Tränen oder Meine Zeit mit Atilla“,
2007), „zu einem gefährlichen Flüstern“ (Friedhelm Kober: „Freyas Tränen.
Teil III: Im Auftrag der Nornen“, 2009), „zu einem gefährlichen Raunen“
(Lena Falkenhagen: „Das Mädchen und der Schwarze Tod“, 2009), „zu einem
kehligen Flüstern“ (Christina Dodd: „Nachtschwarze Küsse“, 2009), „zu einem
wütenden Flüstern“ (Diana Gabaldon: „Echo der Hoffnung“, 2009), „zu einem
hypnotischen Flüstern“ (Christopher Paolini: „Eragon – Das Vermächtnis der
Drachenreiter“, 2009), „zu einem maskulinen Bariton“ (Christian Güde:
„Homunculus“, 2009), „zu einem gefährlichen Grollen“ (Jennifer Apodaca:
„Ladykiller“, 2009), „zu einem Knurren“ (J. F. Gump: „Die Farang-Affäre“,
2010), „zu einem kaum verständlichen Flüstern“ (Sergej Lukanenko: „Das
Schlangenschwert“, 2010), „zu einem entsetzten Flüstern“ (Charlotte Thomas:
„Die Lagune des Löwen“, 2011), „zu einem eisigen Flüstern“ (Lisa J. Smith:
„Visionen der Nacht – Der tödliche Bann“, 2011), „zu einem beschwörenden
Flüstern“ (Katharina Seck: „Schattenwende“, 2011), „zu einem gebrochenen
Flüstern“ (Jess Haines: „The Others – Sie sind unter uns“, 2011), „zu einem
gezischten Flüstern“ (J. B. Stanley: „Licence To Grill“, 2011), „zu einem
geheimnisvollen Murmeln“ (Torsten Fink: „Drachensturm“, 2011), „zu einem
tiefen, beängstigenden Singsang“ (Anna Bishop: „Dunkelheit“, 2011), „zu
einem aufreizenden Flüstern“ (Jennifer Roberson: „Dämonenkind“, 2012), „zu
einem sanften Wispern“ (C. L. Wilson: „Die finstere Macht der Tairen Soul“,
2012) und erstaunlicherweise auch „zu einem lauten Flüstern, das alle hören
konnten“ (Dennis L. McKiernan: „Elfenschiffe“, 2012).
Aus den vielen, nur für ungeschulte Ohren allzu gleichförmig zu einem
Flüstern gesenkten Stimmen stechen zwei besonders grell heraus. Die eine
findet sich in Edi Grafs 2010 publiziertem Krimi „Bombenspiel“: „Der
Warzige fasste ihn scharf ins Auge und senkte seine Stimme zu einem
Flüstern, das fast vom Rauschen des Wassers verschluckt wurde.“ Tiefer ins
Laszive spielt die 2011 von Sybille Knauss in ihrem Roman „Fremdling“
zitierte Stimme: „Wie weit man gehen kann, sagte er, und seine Stimme
senkte sich zu einem Flüstern, das von unfehlbarer Erotik war.“
Wie sagte doch Pippi Langstrumpf? „Man muss sich viel anhören, bevor einem
die Ohren abfallen.“
2 Nov 2012
## AUTOREN
(DIR) Gerhard Henschel
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