# taz.de -- Krieg im Osten des Kongo: M23-Rebellen vor den Toren Gomas
       
       > Die Aufständischen der M23 drängen Regierungstruppen zurück und stehen am
       > Rand der Provinzhauptstadt Goma. UN-Kampfeinsätze nützten nichts.
       
 (IMG) Bild: Selbstbewusst: M23-Kämpfer im eroberten Kibati, nördlich von Goma.
       
       GOMA taz | Bernadette Maombi sitzt auf dem Boden und weint leise vor sich
       hin. „Ich bin müde und habe Hunger“, schluchzt sie und hält sich den Bauch.
       Die 16-Jährige hockt im Innenhof der UN-Basis in Munigi, am Nordrand von
       Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik
       Kongo.
       
       Am Morgen hat sie sich hierher zu den UN-Blauhelmen geflüchtet, als die
       Rebellen der M23 (Bewegung des 23.März) das Flüchtlingslager Kanyarucina in
       der nahegelegenen Vorstadtsiedlung Kibati angriffen. Monatelang hatten sich
       in Kibati hochgerüstete Regierungssoldaten und Rebellen gegenübergestanden,
       die einen zur Verteidigung Gomas, die anderen zum Vormarsch auf die
       Millionenstadt. Monatelang hatte Maombi hier in ihrem selbst gebauten Zelt
       aus Bambusstengeln und Bananenblättern gehaust, gemeinsam mit ihrer Mutter
       und ihren Geschwistern und weiteren 70.000 Vertriebenen. „Dann regnete es
       heute Morgen Bomben, und wir sind alle schnell davongelaufen“, sagt sie und
       reibt sich den Rotz von der Nase. „Meine Mutter und Geschwister habe ich in
       all dem Chaos verloren.“
       
       Am Donnerstag hatten die Kämpfe zwischen den M23-Rebellen und Kongos
       Regierungsarmee nach über drei Monaten Waffenstillstand wieder begonnen.
       Nach einem ersten Rückschlag bewegen sich die Rebellen seit Samstag
       kontinuierlich auf die Millionenstadt Goma zu. Die Regierungsarmee ist
       offensichtlich auf der Flucht.
       
       Außerhalb der UN-Station, in welcher Maombi mit 250 weiteren Frauen und
       Kindern Schutz sucht, marschieren an diesem Sonntagmittag bereits die
       ersten Rebellenkämpfer auf. Es sind Hunderte. Sie sind in bester Laune und
       besser bewaffnet denn je, mit vielen Runden Munition um die Schultern.
       Einige lassen sich erschöpft ins Gras am Wegrand fallen. Sie sind fast am
       Ziel. Vom Hügel aus können sie Goma sehen. „Wir haben noch keinen Befehl,
       weiter vorzumarschieren“, erklärt der ranghöchste Offizier.
       
       ## Verwüstetes Flüchtlinglager
       
       Nur wenige Kilometer weiter sieht das Flüchtlingslager Kanyarucina aus wie
       ein Schlachtfeld. Im Chaos der Flucht haben die Menschen alles stehen und
       liegen lassen, was sie nicht tragen konnten: Wasserkanister, Kochgeschirr,
       Decken, Matratzen, Plastiktüten. Wo bis am Tag zuvor noch 70.000
       Vertriebene im Elend hausten, stehen jetzt nur noch die Gerüste der
       improvisierten Unterkünfte – die Plastikplanen haben die Menschen
       mitgenommen. Alle sind geflohen.
       
       Goma selbst, die sonst so geschäftige Millionenstadt, wirkt wie eine
       Geisterstadt. Kaum eine zivile Menschenseele ist auf den staubigen Straßen.
       Die meisten Leute verstecken sich in ihren Häusern. Im Laufe des Sonntags
       kommen immer mehr Einheiten der flüchtigen Regierungsarmee von der Front in
       die Innenstadt und verteilen sich. Mit ihren Panzern stehen sie an
       strategischen Punkten in der Stadt. Aber es ist nicht klar, ob sie kämpfen
       würden, sollten die Rebellen vormarschieren. Beobachter befürchten vielmehr
       Plünderungen und Übergriffe in der Nacht: Die jungen Soldaten sind nach
       ihrer Niederlage schwer frustriert und außerdem führungslos. Alle höheren
       Offiziere haben sich in die Kleinstadt Sake 30 Kilometer weiter westlich
       gerettet, zur „Einsatzbesprechung“. Schwere Waffen und Kampfhubschrauber
       wurden nach Bukavu am südlichen Ufer des Kivusees verlegt. Die lokalen
       Politiker sollen in die große UN-Basis geflüchtet sein.
       
       ## Nutzlose UN-Mission
       
       Die UN-Mission im Kongo (Monusco) hatte versichert, die Zivilbevölkerung
       der Stadt zu beschützen. Doch man sieht nur sehr wenige Blauhelme auf den
       Straßen. Am Samstag hatten die UN-Truppen noch Kampfhubschraubereinsätze
       gegen die M23 geflogen. 600 Bomben wurden verschossen, heißt es – alles für
       nichts. Am Sonntag gab es nur noch einen einzigen Einsatz, als M23-Kämpfer
       die UN-Basis in Kibati beschossen.
       
       Goma liegt an der Grenze zu Ruanda. Am Grenzübergang in die ruandische
       Zwillingsstadt Gisenyi stehen Menschen mit Koffern und Reisetaschen in
       langen Schlangen, um sich in Sicherheit zu bringen.
       
       Während sich Goma auf eine angstvolle Nacht vorbereitet, wartet die M23,
       was ihr militärischer Vorstoß ihr politisch einbringt. „Wir wollen nicht
       weiter nach Goma hinein“, erklärt Rebellensprecher Kazarama der taz draußen
       an der Front. „Wir bleiben auf unserer Position, vier Kilometer vor Goma.
       Die eine Million Einwohner von Goma sollen sich beruhigen. Wir haben auch
       Familie dort, wir wollen nicht den Krieg nach Goma tragen. Wir hoffen, dass
       die Regierung jetzt einsieht, dass sie mit uns verhandeln muss.“
       
       18 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
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