# taz.de -- Kochen im Jugendclub: Champignons von der Tafel
       
       > Die Arbeiterwohlfahrt bietet im Jugendklub Heimfeld jeden Tag kostenloses
       > Essen an. Zubereitet wird es von den Jugendlichen selbst. Doch das Geld
       > ist knapp.
       
 (IMG) Bild: Bezahlen muss keiner - nur mithelfen.
       
       Seine Haare trägt Dennis ein bisschen schräg. Dazu schwarze Sportklamotten
       und rote Turnschuhe. Der Junge aus dem Harburger Stadtteil Heimfeld wirkt
       schmal, aber er hat wache Augen. Und er ist neugierig: Von den
       Jugendlichen, die an diesem Freitagnachmittag im Jugendclub Heimfeld sind,
       ist Dennis der einzige, der Lust hat, mit Drazen Vasiljevic im
       Lebensmittelmarkt einkaufen zu gehen. In welchem Regal steht die Sahne? Was
       für einen Käse kauft man am besten, welches Mehl?
       
       Dennis darf mit dem Portemonnaie seines Betreuers bezahlen: Das sei,
       erklärt der ihm auf dem Heimweg, die „Projektkasse“ von „Essen und mehr“.
       Unter der Woche kochen im Jugendklub Jugendliche unter Vasiljevics
       Anleitung, sonnabends und sonntags bietet er für 6- bis 12-Jährige eine
       Mahlzeit an, die er zusammen mit Älteren zubereitet. Bezahlen muss keiner
       der Gäste, werktags sollen sie aber mitmachen.
       
       Vasiljevic überzeugt an diesem Nachmittag drei Jungs im Teeniealter, ein
       anspruchsvolles Menü auf die Beine zu stellen: Zur Pilzpfanne gibt es
       selbst gemachte Oregano-Käse-Baguettes und Salat. Neben Dennis machen
       dessen Zwillingsbruder Kevin und Leon mit. Vasiljevic behält den Betrieb im
       Auge, die eigentlichen Arbeiten verrichten die drei Jungs. Der große Berg
       Champignons ist eine Spende der Harburger Tafel.
       
       Kinder, die am Wochenende kommen, hätten oft noch nichts gegessen, sagt
       Vasiljevic: „Nee, ich hab’ keine Lust“, laute die Standardantwort. Der Club
       der Arbeiterwohlfahrt, inmitten von Alt und Neubauten, von Sozialwohnungen
       und Eigenheimen, ist ein offenes Angebot – jeder kann kommen und gehen,
       wann er will.
       
       Kevin lernt, wie man den Strunk mit einem gezielten Schlag aus dem
       Salatkopf holt. Diffizilere Arbeiten – Salatdressing zubereiten, gebackene
       Baguettes aus dem Ofen holen – erledigt Vasiljevic selbst, der eigentlich
       Elektriker ist und 20 Jahre Sauna-Meister hinter sich hat. Was er jetzt
       mache, sei wenigstens sinnvoll, sagt er.
       
       „Was gibt’s zu essen?“ Als die Uhr auf sieben geht, schauen immer mehr
       Jugendliche zur Küchentür hinein. Kevin deckt eine große Tafel für
       mindestens ein Dutzend Mitesser, Vasiljevic schmeißt schnell noch ein paar
       Reserve-Baguettes in den Ofen – eigentlich will er nur Frisches servieren,
       aber hungrig aufstehen soll auch keiner.
       
       Was Vasiljevic hier jeden Tag auf die Beine stellt, ist mühsam finanziert.
       25 Euro hat er, um rund einem Dutzend Jugendlichen täglich eine warme
       Mahlzeit zu zuzubereiten. Anneke Otten, Leiterin des Hauses, kümmert sich
       um die Finanzierung des Projekts, das es seit 1999 gibt. „Heimfeld ist ein
       sehr lebendiger Stadtteil“, sagt sie, „die Vernetzung der sozialen
       Initiativen untereinander ist sehr gut.“
       
       Harburg, sagt Otten, sei der Stadtteil mit den meisten übergewichtigen
       Kindern bei der Einschulungsuntersuchung. Aber nicht, weil die Leute im
       Überfluss lebten, sondern weil sie sich falsch ernährten. Zugleich sei der
       Gegensatz zwischen Ansprüchen und Wirklichkeit erschreckend: „Hier laufen
       Neunjährige mit einem iPhone herum.“
       
       20 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Berno Timm
       
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