# taz.de -- Versickerte Spendengelder: Spendenshow im Beluga-Sog
       
       > RTL ruft heute wieder zum Spendenmarathon auf. Dabei sind vor drei Jahren
       > Spendengelder bei der Bremer Beluga-Reederei versickert.
       
 (IMG) Bild: Sammelte beim RTL-Spendenmarathon 2009 eine Million Euro für die Beluga School for Life in Thailand: Schauspielerin Miriam Pielhau (zweite von links) mit Marathon-MitstreiterInnen.
       
       HAMBURG taz | Es war eine heikle Aufgabe für Burkhard Wilke, den obersten
       Spendensiegel-Verleiher des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen
       (DZI): Wilke musste beurteilen, ob die Stiftung RTL – Wir helfen Kindern
       e.V. das begehrte Spendensiegel behalten darf – oder nicht. Das Verfahren,
       sonst eine Routine-Angelegenheit von einigen Wochen, zog sich länger als
       ein Jahr hin.
       
       Denn beim Umgang mit den Spendengeldern, die RTL bei seinem Spendenmarathon
       2009 von den Zuschauern einsammelte, ging offenbar nicht alles mit rechten
       Dingen zu: Von insgesamt einer Million Euro, die für die Beluga School for
       Life, einem Hilfsprojekt für Tsunami-Waisen in Thailand zusammenkamen,
       zweigte die ehemalige Bremer Beluga-Reederei die Hälfte ab (taz
       berichtete).
       
       Beluga existiert heute nicht mehr, gegen den damaligen Chef, Niels
       Stolberg, ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft unter anderem wegen der
       Veruntreuung von Spendengeldern. Stolberg selbst hatte das Hilfsprojekt in
       Südthailand einige Monate nach dem verheerenden Tsunami gegründet.
       
       2009 war das Geld bei der Beluga-Reederei offenbar schon ziemlich knapp.
       Bei seiner Aussage vor der Bremer Staatsanwaltschaft am 31. März 2011 soll
       Stolberg eingeräumt haben, dass bereits im Jahr 2009 „Scheinumsätze
       entstanden sind“. Der einstige Vorzeige-Reeder hatte sich beim Kauf neuer
       Schiffe übernommen. Die Bremer Landesbank wollte ganz offensichtlich keine
       neuen Kredite mehr geben, eine „Notfinanzierung“ soll sie abgelehnt haben.
       Auch erste Gespräche mit der KFW Bank, die laut Stolberg im März
       stattfanden, brachten keinen Erfolg.
       
       Es war eng bei Beluga – so eng, dass für den einstigen Gönner Stolberg
       offensichtlich das Wohlergehen der etwa 150 thailändischen Waisen nur noch
       zweitrangig war. 500.000 Euro, die RTL als erste Rate am 10. Dezember 2009
       an die Beluga School for Life überwiesen hatte, wurden dringend wieder
       benötigt, und so schrieb der damalige Prokurist der Reederei am 11.
       Dezember 2009 an die Bilanzbuchhalterinnen in einer Email, die der taz
       vorliegt: „Könntet ihr bitte die 500 TEURO als Eilzahlung an die Beluga
       Shipping zahlen.“
       
       ## Umgeleitete Spende
       
       Trotz einiger Zwischenberichte, die RTL im April, Juli und Oktober 2010 von
       der Beluga School for Life bekam, fiel offenbar niemandem auf, dass von der
       Millionenspende rund die Hälfte auf Konten der Reederei umgeleitet worden
       war. Das kam erst Mitte 2010 heraus, als ein US-Investor bei der
       Beluga-Reederei einstieg, deren Chef Niels Stolberg Anfang 2011 fristlos
       feuerte und die Staatsanwaltschaft umfangreiche Ermittlungen aufnahm, wegen
       Kreditbetrugs, Bilanzfälschung – und eben der Veruntreuung von
       Spendengeldern.
       
       RTL war alarmiert, Anja Degenhard, Vorstandsmitglied bei der Stiftung RTL –
       Wir helfen Kindern e.V., schrieb in einer Email vom 24. März 2011 an die
       Beluga-Verantwortliche für Culture & Social Sponsoring: „Uns wäre es aber
       wichtig, dass wir von euch noch eine offizielle Bestätigung bekommen, dass
       die Spendengelder, die für den laufenden Betrieb der Schule in den nächsten
       Jahren geplant waren, auch zweckentsprechend eingesetzt wurden.“ Die
       Antwort ist eher ausweichend.
       
       Dafür sprangen andere Stolberg bei. Werder-Aufsichtsratschef Willi Lemke,
       einst auch ein großer Förderer der Beluga School for Life in Thailand, gab
       sogar ein Gutachten in Auftrag, das den tatsächlichen Verbleib der Spenden
       verifizieren soll. Das Gutachten entlastet nach Ansicht der Beteiligten
       Niels Stolberg voll und ganz. Nach Auffassung der Bremer Staatsanwaltschaft
       allerdings ganz und gar nicht: Nur der Verbleib von rund 148.000 Euro der
       verschwundenen 500.000 Euro konnten aufgeklärt werden. 352.000 Euro
       Spendengelder kamen nie in Thailand an.
       
       „Jeder Cent kommt an“, trommelt dagegen RTL unverdrossen auf seiner
       Homepage für den heute beginnenden Spendenmarathon. „Jedes Jahr wird die
       Stiftung RTL – Wir helfen Kindern e.V. durch das deutsche Zentralinstitut
       für Soziale Fragen (DZI) geprüft und erhält Jahr für Jahr das begehrte
       Spendensiegel.“ Diesmal hat es deutlich länger gedauert. Das DZI tat sich
       ganz offensichtlich schwer, RTL das „Gütesiegel“ wegen der versickerten
       Beluga-Spende abzuerkennen. Das wäre eine höchst peinliche Schlappe für den
       Kölner TV-Sender. Nachfragen der taz beim DZI zum aktuellen Stand des
       Verfahrens werden monatelang schleppend, gar nicht oder ausweichend
       beantwortet. Meist heißt es, man sei noch in der Prüfung.
       
       ## Spendensiegel erneut vergeben
       
       Am 16. November kommt endlich eine E-Mail. Darin heißt es, dass der
       Organisation Stiftung RTL – Wir helfen Kindern e.v. das Spendensiegel
       erneut zuerkannt wird. Allerdings „möchte ich feststellen“, schreibt
       DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke, „dass wir im Rahmen der jetzt
       abgeschlossenen Verlängerungsprüfung in Teilbereichen der
       Organisationsführung und der Kontrollfunktionen Verbesserungsbedarf
       festgestellt haben. Der von uns festgestellte Verbesserungsbedarf betrifft
       auch die Abwicklung des Beluga-Projekts.“ Am Telefon konkretisiert Wilke,
       dass „der Vorgang“ bei RTL noch nicht abschließend bearbeitet worden sei.
       Aber der Informationsstand habe ausgereicht, um das Spendensiegel
       zuzuerkennen.
       
       Und RTL? Schrieb noch im April vergangenen Jahres: „Wir haben uns rechtlich
       davon überzeugt, dass das Procedere mit den Umbuchungen rechtlich korrekt
       ist.“ Ob das immer noch so ist, bleibt unklar. Inzwischen gibt es keine
       Auskunft mehr, weil „eine Anklageerhebung noch nicht stattgefunden hat“,
       schreibt die Vertreterin für die Presse. Und weiter: „Wir stehen in engem
       Kontakt mit der Bremer Staatsanwaltschaft.“ Von einer Strafanzeige gegen
       Beluga hat RTL bislang abgesehen.
       
       Mit den RTL-Spenden wurde in Thailand ein neues Gebäude finanziert. Doch
       für die weiterführende Schule, deren Klassen den Neubau nutzen sollten,
       haben die Verantwortlichen des mittlerweile in Hanseatic School for Life
       umbenannten Tsunami-Hilfsprojekts noch immer keine Lizenz beantragt.
       
       21 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christina Gerlach
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Niels Stolberg
       
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