# taz.de -- Berliner Szenen: Schönes Trostpflaster
       
       > Berlin ist wild und gefährlich. Und unsere AutorInnen sind immer
       > mittendrin. Ihre schrecklichsten, schönsten und absurdesten Momente in
       > der Großstadt erzählen sie hier.
       
       Meine Freundin will nur noch mal kurz nach den Kartoffeln schauen und hebt
       den Deckel vom Schnellkochtopf an. Eine Wasserdampfsäule schießt raus,
       Sarah taumelt zurück und zieht sich die Hose runter. Auf dem Unterarm und
       den Oberschenkeln sind rote Streifen. „Ist nicht schlimm“, sagt sie. Ich
       reiße das Waschlappenpaket auf, halte die bunten Tücher unter den
       Wasserhahn und gebe sie Sarah. „Das wird gleich richtig wehtun“, sage ich
       beinahe beschwörend. Ich hatte mich vor drei Jahren ziemlich böse mit
       heißem Wasser verbrüht und irrte anschließend eine halbe Stunde durch
       Lichtenberg, um einen Arzt zu suchen. Ein paar Minuten später hat meine
       Freundin Tränen in den Augen. Weil Sonntagabend ist, sage ich: „Wir fahren
       jetzt ins Krankenhaus!“, und rufe ein Taxi.
       
       Zum Glück ist es nicht weit. „Sie müssten jetzt eigentlich unter der kalten
       Dusche stehen“, sagt der Arzt in der Notaufnahme zu meiner Freundin. Ich
       sage kleinlaut: „Scheiße, ich dachte, es sei besser, gleich herzukommen.“
       Selbst die Feuerwehr würde einen erst mal unter die Dusche schicken. „Die
       haben ja auch keine Dusche in ihrem Wagen“, sagt der Arzt und grinst.
       „Sollen wir jetzt wieder nach Hause fahren?“, frage ich. „Nee, jetzt isses
       zu spät“, wiederholt der Doc. „Lass es, er versteht uns nicht“, sagt meine
       Freundin entnervt. Doch dann bittet der Arzt sie doch rein, ich soll
       draußen bleiben. Im Wartesaal hockt ein Dutzend Menschen, auf dem kleinen
       Fernseher läuft eine Reise-Doku. Ich mache mir derweil Vorwürfe. Nach 15
       Minuten kommt Sarah wieder raus. Sie hat Pflaster bekommen und
       Schmerzmittel. „Sind nur Verbrennungen ersten Grades, da sieht man bald
       nichts mehr“, sagt Sarah, als sie mein trauriges Gesicht sieht. Plötzlich
       ist es ein wunderbarer Abendspaziergang zurück nach Hause. Der Wirsingkohl
       und die Kartoffeln sind noch warm. Und schmecken richtig gut.
       
       22 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kulms
       
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