# taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann...
       
       > … soll jetzt der CDU einen Modernisierungsschub verpassen.
       
       … soll jetzt der CDU einen Modernisierungsschub verpassen. Dafür hat die
       konservative Partei einen besonders aufgeweckten, ehrgeizigen jungen Mann
       nach vorne geschickt, den 32-jährigen Bundestagsabgeordneten Jens Spahn. In
       der Spiegel-Ausgabe der vergangenen Woche sprach Spahn über seine
       Homosexualität, seine „Art zu lieben“. Mit schwarzer Hornbrille und
       homoszeneüblichem Kurzhaarschnitt erfüllt er die Mindestvoraussetzungen für
       eine schwule street credibility.
       
       Aber das ist es nicht allein, Spahn hat auch sonst alle Phrasen des
       wohlanständigen Homosexuellen im Repertoire, gaukelt Offenheit und
       Weltläufigkeit vor hinter einer Fassade des verdrucksten Schwulen. „Ich
       habe mir doch nicht ausgesucht, schwul zu sein“, ist einer dieser Sätze,
       und dann fährt er fort: „Das war eher die Natur.“
       
       Das ist also der urbane Homo von 2012, ein armes Hascherl, das nun wirklich
       nichts dafür kann, „so“ zu sein. Hat man einen solchen Satz je von einem
       Heterosexuellen gehört? Warum sind es immer wieder die Schwulen, die heute
       noch solche Sprüche zu ihrer Entlastung vortragen und sich entschuldigen
       wollen für ihre Existenz?
       
       Spahns Parteifreund Peter Altmaier hat unlängst öffentlich vorgeführt, wie
       man sich mit solchen Verweisen lästige Fragen vom Hals hält. Es sei Gottes
       Wille, dass er weder eine Frau noch einen Mann an seiner Seite habe,
       erzählte er der Bild am Sonntag, und meinte im Spiegel-Interview in
       gleicher Angelegenheit, dass wohl die Gene schuld seien an seinem
       Single-Dasein. Auf jeden Fall will Altmaier – und da ist er sich eins mit
       Spahn – keinerlei Verantwortung übernehmen für die Dinge der Sexualität und
       der Liebe.
       
       Dazu passt wunderbar bei Spahn das restliche Phrasenrepertoire: Er wolle
       sich „als Politiker nicht über das Schwulsein definieren“, er mache „keine
       schwule Klientelpolitik“, und dieses Spiegel-Interview werde sein erstes
       und sein letztes sein in dieser Sache. Bah, denkt er sich wohl dabei,
       einmal noch reden über diesen Schweinkram, dann aber nie wieder. Denn
       Spahn, darauf legt er großen Wert, ist ein anständiger Homosexueller.
       
       Schwule gibt es, so ist das inzwischen Standard bei ihm und seinesgleichen,
       nur im Doppelpack, ihre Zweisamkeit spielt sich ab zwischen Designermöbeln
       und Haute Cuisine, Gay-Romeo-Ausflüge in Darkrooms und Fetischkeller werden
       diskret unter den handgeknüpften Perser gekehrt. „Wer heute noch meint, ein
       Doppelleben führen zu müssen, weil er schwul ist“, sagt Spahn, „den treibt
       eine Angst, die ich für unbegründet halte.“
       
       Und gibt dann noch sein Ideal preis: „Als Konservative können wir uns
       darüber freuen, wenn zwei Menschen, rechtlich verbindlich, füreinander
       Verantwortung übernehmen, in guten wie in schlechten Zeiten. Gibt es einen
       bürgerlicheren Lebensweg?“
       
       So also sieht sie aus, die „bürgerliche“ Moderne, aber keiner soll meinen,
       sie sei ein Alleinstellungsmerkmal konservativer Parteien. So einer wie
       Spahn ist im ganzen breiten Parteienspektrum ebenso wie in der
       vielzitierten Vielfalt schwulen Lebens.
       
       27 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elmar Kraushaar
       
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