# taz.de -- Eskapaden im Fußball: Zähmung der schwarzen Schafe
       
       > Unruhestifter werden im deutschen Fußball von Kindesbeinen an auf Linie
       > gebracht. Möglicherweise werden so große Talente ausgesiebt.
       
 (IMG) Bild: Bremens Aaron Hunt – vom „verhaltensauffälligen Rowdy zum Musterschüler“.
       
       Was können sie froh sein heutzutage all die Profiklubs in
       Fußballdeutschland. Lange her scheinen die Zeiten, in denen sich ihre
       Problemkicker lieber auf den Tanzflächen der lokalen Großraumdiscos
       austobten als in den Stadien der Bundesliga. In Bremen ist Aaron Hunt vom
       verhaltensauffälligen Rowdy zum Musterschüler von Trainer Thomas Schaaf
       avanciert, und selbst der egozentrische Marko Arnautovic wird immer öfter
       dabei erwischt, wie er Lobeshymnen auf seine Mitspieler anstimmt, anstatt
       seine eigenen Leistungen zu preisen.
       
       Es ist eine unvollständige Liste, sorgen doch auch der Bayern-Verteidiger
       Jerome Boateng, Schalkes Jermaine Jones, Wolfsburgs Diego und Herthas Ronny
       inzwischen überwiegend für sportliche Schlagzeilen.
       
       Bezeichnend ist, dass derzeit schon ein Ivan Perisic als „Enfant terrible“
       gilt, weil er mit seinem Reservistendasein beim Meister Borussia Dortmund
       unzufrieden ist und öffentlich mit einem Wechsel kokettiert – und von
       Trainer Jürgen Klopp prompt abgewatscht wird.
       
       Die Gründe für die wundersame Metamorphose der einstigen Sorgenkinder sind
       vor allem bei den Vereinen zu suchen. Funktionäre und Trainer haben bei der
       Betreuung ihrer Spieler in den vergangenen Jahren enorm dazugelernt, wie
       Sportpsychologe Werner Mickler findet, der mitverantwortlich für die
       Fußballlehrer-Ausbildung an der Akademie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)
       ist.
       
       Als Trendsetter sieht er den früheren Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Vor
       der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land und später als Bayern-Trainer
       hatte dieser die Zusammenarbeit mit Psychologen zu einer tragenden Säule
       seines Konzeptes gemacht – eine Entwicklung, die viele Vereine zur
       Nachahmung animierte.
       
       ## Dem Nachwuchs wird Benehmen beigebracht
       
       Der wichtigste Grund, warum die Zahl der Eskapaden von Fußballprofis in
       Deutschland abnimmt, liegt jedoch in der Struktur der deutschen
       Talentförderung. In den Nachwuchsleistungszentren der Klubs wird großer
       Wert auf das Benehmen der Heranwachsenden gelegt. Im Zweifelsfalle werde
       ein fügsamer Spieler einem eigenwilligen vorgezogen, sagt Mickler. Zudem
       wurde es zur Auflage gemacht, dass jede der Einrichtungen mit ausgebildeten
       Pädagogen und Psychologen zusammenarbeiten muss.
       
       Doch der grundsätzliche Kurs wird bereits hinterfragt. Inzwischen gebe es
       intensive Diskussionen darüber, ob die leichtfertig vorgenommene Trennung
       von schwierigen Spielertypen richtig sei. „Das könnten vielleicht die Leute
       sein, die uns später als kreative Personen weiterhelfen“, sagt Mickler.
       Vielleicht müssten die Grenzen in manchen Fällen weiter gesteckt werden,
       gibt er zu bedenken.
       
       Die allgemeine Entwicklung in der Nachwuchsarbeit stößt bei Experten und
       Exprofis, die mehr Ecken und Kanten bei der jungen Spielergeneration
       einfordern, immer wieder auf scharfe Kritik. Nach dem verlorenen
       Champions-League-Finale des FC Bayern und dem EM-Aus der DFB-Elf gegen
       Italien entbrannte schlagartig eine Debatte, in der die Konformität der
       Spieler zum Grundsatzproblem erhoben wurde. „Keine Typen, keine Titel“,
       lautete die These der Kritiker.
       
       Auch der frühere DFB-Sportdirektor Matthias Sammer stimmte in diesen Chor
       mit ein und verlieh damit auch der Diskussion über fehlende Führungsspieler
       in der Nationalelf neuen Schwung. „Eine komplett flache Hierarchie
       widerspricht jeglicher Realität, wir dürfen nicht alle Spieler über einen
       Kamm scheren“, sagte er vor rund einem Jahr, was in den Medien als
       Distanzierung vom System von Bundestrainer Joachim Löw gedeutet wurde.
       
       Unterstützung bekommen die Fans klarer Hackordnungen von der Wissenschaft.
       In seiner Doktorarbeit kommt Hans-Dieter Tippenhauer, selbst ehemaliger
       Bundesligatrainer, zu dem Schluss, dass die Führungsspieler im Fußball eine
       starke Rolle bei der Motivierung ihrer Mitspieler haben. Die Trainer
       sollten allerdings berücksichtigen, dass die Leitwölfe im Gegenzug dann
       auch bei taktischen Entscheidungen mitreden wollen.
       
       12 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Holger Vieth
       
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