# taz.de -- Die Wahrheit: Brummelnde Bauern
       
       > Aufruhr im Acker: Das Landvolk rebelliert gegen seine Pastoren.
       
 (IMG) Bild: Einsam und verlassen zieht der Bauer seines Weges, selbst der Gottesmann steht nicht mehr an seiner Seite.
       
       Dass die Pastoren mit und ohne Bart zu den Engagierten in der
       DDR-„Umweltbewegung“ gehörten, das lehrt die eingewestete Geschichte, neu
       ist jedoch, dass jetzt allenthalben die Evangelen von der Kanzel herab
       gegen die „industrielle Landwirtschaft“ anpredigen. Das hat in den
       protestantischen Gauen Westdeutschlands bereits solche Ausmaße angenommen,
       dass der niedersächsische Bauernverband meint, gegen diese Öko-Agitatoren
       endlich vorgehen zu müssen.
       
       Der Verband nennt sich „Landvolk“ und erinnert damit bereits an die
       norddeutsche „Landvolkbewegung“, die Ende der zwanziger Jahre gegen die
       Berliner Bauernpolitik protestierte und dabei unter anderem Finanzämter in
       die Luft sprengte. Man kann dort also auch anders.
       
       Erst mal beließ es die Landvolk-Führung jedoch bei einem Rundbrief an ihre
       Mitglieder, in denen sie vor den als schwarze Schafe getarnten Wölfen in
       den dörflichen Herden warnten, die „ungerechtfertigte und überzogene
       Kritik“ an den hart arbeitenden – das heißt: rationalisierenden und
       expandierenden – Landwirten ihres Sprengels üben. Diese sollte man flugs
       mit Namen und Datum versehen dem Verband melden, damit dessen Führung diese
       priesterlichen Verfehlungen im nächsten Frühjahr deren Führer – dem
       Landesbischof – in Form einer sachlich fundierten Beschwerde vortragen
       könne.
       
       Der „Aufruf“ des Großbauernverbandes „zur Denunziation von Pastoren“ wurde
       sogleich von dessen Konkurrenz, der „Arbeitsgemeinschaft (klein)bäuerliche
       Landwirtschaft“, als Pressemitteilung verbreitet. Woraufhin die Grünen im
       niedersächsischen Landtag ebenfalls von einem „unerhörten“
       Denunziationsaufruf sprachen.
       
       Der Referent für Kirche und Landwirtschaft in der Evangelischen
       Landeskirche teilte danach der Presse mit, dass dieser landvölkische
       Einschüchterungsversuch an der lutherisch gefestigten Burg Gottes abprallen
       werde wie nix Gutes: „Unsere Pastoren sind frei, nach bestem Wissen und
       Gewissen zu urteilen“, versicherte er.
       
       Und das scheint auch zu stimmen, in Bremen zum Beispiel kann selbst ein
       anarchistischer Pfarrer, der reihenweise seine verspießerte Herde in einem
       proletarischen Reihenhaus-Neubauviertel aufs Areligiöseste vor den Kopf
       stößt, nur von der Gemeinde selbst – also von unten – abgesetzt werden.
       Dies geschah zuletzt in den siebziger Jahren, organisiert ausgerechnet von
       einer Gruppe in der Gemeinde sozial beschäftigter Marxisten-Leninisten, die
       sich dabei von Lenins Kampf gegen den ukrainischen Anarchoführer Nestor
       Machno leiten ließ. Kein Witz!
       
       Diesmal kriegt die Kirche es jedoch nicht mit einer Handvoll
       Post-Achtundsechziger zu tun, sondern mit einem ganzen „Landvolk“-Verband,
       hinter dem etwa 60.000 Agrarbetriebe stehen, die auch weiterhin auf eine
       „Steigerung der Arbeitsproduktivität von jährlich über 6 %“ hoffen. Auf der
       anderen Seite sind es itzo jedoch mehr als bloß ein Pastor, sondern
       anscheinend so gut wie alle Pastoren.
       
       Der hannoversche Pfarrverband hat 1.550 Mitglieder. Und diese sind auch
       keine antireligiös eifernden Anarchisten mehr, sondern kreuzbrave Ökos mit
       Obstgarten und allem drum und dran, die partout die letzten Reste der
       Schöpfung Gottes außerhalb des Menschenwerks in ihre Fürbitte mit
       einschließen wollen. Dazu muss die Vielfalt („Bio-Diversity“ auf gut
       Deutsch) aber erst mal erhalten bleiben – und zwar möglichst „artgerecht“.
       
       Die evangelischen Pastoren (die katholischen sind da eher
       päpstlich-populistisch), haben in ihrem Schöpfungserhaltungswillen jedoch
       ein Handicap: Da ihr Engagement vor allem mit Worten geschieht, brauchen
       sie mindestens einen (menschlichen) Zuhörer, den sie in der Kirche
       „ansprechen“ können und der noch nicht dement (altersmilde gestimmt) ist.
       
       Das wird jedoch schwierig, wenn dieser „Andere“ ein Bauer ist, der sich
       gerade wie verrückt zu einem Hightech-gestützten Agrarmanager mausert, um
       noch weit mehr als 120 Menschen (Städter, die keine Ahnung haben!) mit
       seinen Produkten zu ernähren. 1960 waren es noch zehn zu ernährende
       Menschen, wobei sich damals in einem Dorf noch zehn Bauern diesen kleinen
       Konsumenten-Kuchen teilten, während dort heute nur noch höchstens einer wie
       blöd ackert.
       
       Und das ist nämlich er – der Bauer, der sich nun während des
       Erntedank-Gottesdienstes ausgerechnet von „seinem“ Pastor sagen lassen
       musste: Lass es sein! Es ist alles eitel! Und vor allem sind die von dir
       auf den Supermarkt geworfenen Lebensmittel alle vergiftet, außerdem
       schmecken sie scheiße, nach nichts!
       
       Anscheinend haben die Öko-Priester den Zeitgeist auf ihrer Seite, und der
       industriell wirtschaftende Bauer steht offenbar schon auf verlorenem Posten
       – oder wie sonst soll man es verstehen, dass sein „Landvolk“-Verband sich
       gerade in dieser Woche beim Pfarrverein für sein „harmloses Info-Schreiben“
       offiziell entschuldigt hat, also vor der Kirche zu Kreuze gekrochen ist?
       
       14 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Helmut Höge
       
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