# taz.de -- „Soulfood“, ein Kochbuch mit Songs: Eichhörnchen und Alligator
       
       > Ein bayerischer Hip-Hopper entdeckt die Weihen des Soulfood. In einem
       > Kochbuch verbindet er Rezepte mit Black Music.
       
 (IMG) Bild: Weder Schweinsfüße noch Eichhörnchen: Auch Hühnerbeine dürfen auf den lokomotivgroßen Grill.
       
       Fett ist ein Geschmacksträger. Und es hält den Körper bei schwerer
       körperlicher Arbeit zusammen. Außerdem macht es glücklich – jedenfalls für
       den Moment. So ist es gar nicht abwegig, dass ein junger Mann aus Bayern,
       der die fetten Weihen seiner regionalen Küche zu schätzen weiß, sich
       ebenfalls für das seligmachende, in den Südstaaten der USA beheimatete
       Soulfood interessiert.
       
       Da Sven „Katmando“ Christ nicht nur Koch sondern auch DJ ist, hat er seinem
       Kochbuch eine Compilation mit Songs, die Soulfood besingen, beigefügt.
       Soulfood bezeichnet ursprünglich das Essen der armen schwarzen Bevölkerung,
       die es verstand, aus Schlachtabfällen wie Schweinsohren oder Innereien,
       billigem Gemüse und Getreide prächtige und sättigende Gerichte zu zaubern.
       Zeit ist ein wichtiger Faktor, viel Zeit, niedrige Temperaturen, Gewürze
       wie gemahlene Sassafrasblätter und Zucker. Letzterer, um den Geschmack des
       minderwertigen Fleisches aufzuwerten.
       
       Sven Christ sammelt seit Jahren die Familienrezepte, die die Großmütter,
       Mütter und Tanten seiner Freunde ihm verraten haben. Und so sind die
       Mengenangaben für Gumbos und ausgebackenen Chitterlins, also Schweinedarm
       und Magen, für größere Runden geeignet. Soulfood ist eine
       Gemeinschaftssache.
       
       ## Kalb statt Aligator
       
       Eine ungefähre Angabe, wie viele Mäuler ein Gericht zu stopfen vermag, wäre
       dennoch schön gewesen. Hervorzuheben ist, dass Christ keine Konzessionen an
       geschmäcklerische Gewohnheiten macht. Schweinsfüße oder Eichhörnchen stehen
       hierzulande selten auf dem Speiseplan. Drum ist man froh über Alternativen.
       Das Eichhörnchen kann weiter im Hinterhof rumoren, stattdessen muss der
       Hase dran glauben, und anstatt des Aligators - laut Christ in gut
       sortierten Fachgeschäften tiefgefroren zu erwerben – kann Kalb geschmort
       werden, abgeschmeckt mit ein wenig Fischsoße.
       
       Weil es hierzulande nicht die Kohlsorte Greens zu kaufen gibt, schlägt
       Christ vor, Kohlrabiblätter zu dünsten. Seine improvisatorisches Talent ist
       ganz im Soulfood-Sinn: Verwendet wird, was zu kriegen ist. Und zwar
       gänzlich. In der Soulfood-Küche findet sich kein Rezept, in dem man drei
       Eigelbe benötigt und dann mit dem übrig gebliebenen Eiweiß herumhüsern
       muss.
       
       Die im Selbstversuch zubereitete Kürbissuppe mundete köstlich. Allerdings
       ließ Christ unerwähnt, wann und wie der Knoblauch eingerührt werden soll.
       Eine zu vernachlässigende Nachlässigkeit, dennoch ist sein Kochbuch ob der
       eher knappen Arbeitsanweisungen nur versierteren Köchen zu empfehlen. Ein
       Glossar hilft weiter, wenn man Grits (Maisgries) und Gravy (Bratensoße)
       nicht kennt. Eine Umrechnungstabelle erleichtert Lesern der auch auf
       Englisch abgedruckten Rezepte das Hantieren mit deutschen Messbechern.
       
       ## Geschmackvolles Album
       
       Auf dem ebenfalls geschmackvoll zusammengestellten Album werden in den
       Songtexten, von Willie Bobos „Fried Neck Bones And Some Homefries“ bis zu
       RZA‘s „Grits“, viele Soulfood-Gerichte verhandelt. Dabei geht es oft um
       etwas ganz anderes – aber Liebe geht nun einmal durch den Magen. Die Musik
       versetzt einen nach Mississippi, an eine der Crossroads, an denen Robert
       Johnson einst seine Seele verkauft hat. Oder direkt ins berühmte „Napoleon
       House“ nach New Orleans, wo die Po‘ Boys-Sandwiches in Perfektion serviert
       werden.
       
       Christ hat von diesem Klassiker eine sehr schöne Variante mit
       Rinderschulter im Programm. Die Sandwiches werden nicht eben schnell mit
       Wurst und Käse bestückt, die verwendete Rinderschulter köchelt zunächst ein
       paar Stunden vor sich hin. In der Aufmachung ordnet sich das schlichte und
       handliche Buch seinem bodenständigen Gegenstand unter.
       
       Statt kinky Fooddesign-Fotos sind ein paar schwarzweiße Bilder abgegessener
       Plastikteller, Vorratsregale mit Eingelegtem und massenhaft Rippchen, die
       in lokomotivgroßen Grills mit Deckel grillgeräuchert werden, abgedruckt.
       Diese Rippchen werden während des stundenlangen Garprozesses stetig mit
       einer eingekochten Soße aus Cola, Soja, Curry, Zitronengras und weiteren
       Gewürzen bestrichen. Ein Genuss, für eine zusätzliche torfige Note wird
       beispielsweise in Chicago Bourbon zugefügt. Posh wird es erst zum Schluss,
       wenn Christ einen „modern touch on soulfood“ vornimmt. Da brütet das
       Perlhuhn dann auf Kaffeebohnen.
       
       19 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sylvia Prahl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Südstaaten
 (DIR) Ananas
       
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