# taz.de -- Die Wahrheit: Auf Wiedersehen im Ungefähren
       
       > Neues vom Mayakalender: Letzte Reise- und Ausgehtipps der Wahrheit zum
       > Weltuntergang.
       
 (IMG) Bild: Erdogan am Tempelberg (Archivbild 2005)
       
       Nun endlich ist es geschafft, die quälende Wartezeit ist vorüber, das
       letzte Türchen am Mayakalender ist geöffnet. In Japan geht die Welt
       aufgrund der Zeitzonen zuerst unter und in Kalifornien zuletzt, wir können
       also circa bis zur Hälfte noch live vor den Bildschirmen dabei sein. Ist
       das geschmacklos? Ach was! Das ist pragmatisch, und stets
       serviceorientiert, wie die Wahrheit ist, verrät sie Ihnen ein paar
       ausgesuchte Ziele und Veranstaltungen, die Sie heute auf jeden Fall meiden
       sollten.
       
       Die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) in Dresden erlebte
       schon in den letzten Wochen und Monaten einen Besucheransturm. Die
       Menschenmassen stürmten die Schatzkammer der Einrichtung, ließen sämtliche
       Kulturschätze links und rechts liegen und stürzten sich auf den aus
       Feigenbaumrinde gefertigten Dresdner Kodex, eine von drei originalen
       Mayaschriften, die den Mayakalender enthält. Der aktuelle Besucherstrom
       wurde in der Presse mit der Angst begründet, den Mayakodex nach dem 21. 12.
       2012 nicht mehr sehen zu können.
       
       Mitarbeiter dementierten dies bereits. Dabei ist doch das Problem, mit dem
       sich die Bibliothek bald herumschlagen muss, vermutlich viel eher der
       enorme Einbruch der Besucherzahlen ab dem 22. Dezember. Denn wer will dann
       noch einen Mayakodex sehen, den ohnehin keiner versteht, wenn man auch Boot
       fahren und ein Stück Kuchen essen kann, ohne nach Dresden zu müssen?
       
       Am heutigen Freitag kann man den Kodex noch bis 18 Uhr ansehen, danach
       schließt die Schatzkammer und öffnet erst morgen wieder, wenn das dann
       allerdings noch möglich ist. Aber das Abendprogramm der SLUB hat es dafür
       in sich: Zunächst gibt es die Veranstaltung „Apokalypse – Lesung/Gespräch“
       mit Peter Sloterdijk und anschließend ein schon seit Wochen ausverkauftes
       „Konzert zum Ende der Zeit“. Wer diesen Abend durchhält, hat gute Chancen,
       jeden Weltuntergang zu überleben.
       
       Eine andere nette Location für die letzten 24 Stunden oder auch weniger ist
       das Dorf Bugarach in den südfranzösischen Pyrenäen. Seit Jahren schon
       geistert die Nachricht durch die einschlägigen Esoterikportale, dort sei
       der einzig sichere Ort während des Weltuntergangs am 21. 12. 2012. Der
       Berg, an dessen Fuß das Dorf errichtet wurde, soll eine Startbahn für
       Außerirdische sein.
       
       Nur auf der obersten Spitze soll man wirklich überleben können. Doch um die
       Horden von durchgeknallten Esofreaks vom Aufstieg abzuhalten, ist der
       Zutritt zum 1.231 Meter hohen Pic de Bugarach zwischen dem 19. und 23.
       Dezember verboten. Selbst ein Überflugverbot gibt es – offiziell, um
       besonders Schlaue vom Landen mit Leichtflugzeugen auf dem Berg abzuhalten,
       womöglich aber auch, um die Außerirdischen daran zu hindern, ihre Kumpels
       von der Erde abzuholen.
       
       Es könnte also heute durchaus lustig sein, zu beobachten, wie die erzürnten
       Aufstiegswilligen von einer Hundertschaft Gendarmen an ihrer Rettung
       gehindert werden und der letzte Ausweg aus der Katastrophe versperrt
       bleibt.
       
       In der Türkei gibt es auch ein Dorf, das Sicherheit vor dem Weltuntergang
       bietet. In Sirince nahe der Ägäis-Küste bei Ephesus lebt eine spirituelle
       sogenannte blaue Energiegruppe und wartet meditierend auf die Ankunft des
       Erlösers. Dort findet man den Weltuntergang bisher gar nicht so schlecht,
       wie ein Hotelangestellter der Nachrichtenagentur AFP sagte: „Die Gerüchte
       hier haben uns mehr Kundschaft verschafft.“ Was bei anderen Zeitgenossen
       Angst und Schrecken auslöst, lässt in Sirince die Hoteliers und
       Ladeninhaber strahlen.
       
       Man rechnet im Ort mit mehreren tausend Besuchern. Im Internet verbreitete
       sich in den vergangenen Tagen auch noch das Gerücht, der
       Hollywood-Scientology Tom Cruise habe sich in dem Städtchen angesagt, um
       dem Weltuntergang zu entgehen. Die Nachricht verlieh dem Sirince-Fieber
       einen zusätzlichen Schub. In türkischen Zeitungen werden inzwischen
       Besuchermassen von bis zu 60.000 Menschen genannt, die über den Ort
       hereinbrechen werden – „das wäre tatsächlich der Weltuntergang für
       Sirince“, wie AFP süffisant anmerkte.
       
       Von zahlreichen anderen Orten der Erde wird Ähnliches behauptet. Seien es
       nun aber Außerirdische, gefiederte Schlangen oder der Rettungswagen,
       irgendetwas wird heute kommen, um einen abzuholen. Aber wie kommt man jetzt
       noch nach Frankreich oder in die Türkei? Mit einem nagelneuen Renault zum
       Beispiel, den man sich vorm Weltuntergang noch kaufen soll. Die Automarke
       wirbt mit einer Dame namens „Maya“, die letzten Stunden am Steuer einem
       solchen Fahrzeugs zu verbringen. Auf Wunsch wurden Airbags gar nicht mit
       eingebaut.
       
       Die Gebiete in Mittelamerika, wo einst die Maya lebten, sind seit Monaten
       ausgebucht, die Mayatempel in Chichén Itzá, Palenque und Tikal erwarten für
       heute Besucherrekorde. Doch wer es jetzt nicht mehr schafft, nach Mexiko zu
       fliegen und trotzdem teilhaben möchte, kann auch in eines der zahlreichen
       Restaurants gehen, die heute das „Letzte Gericht“ oder Ähnliches anbieten.
       Die Witze dazu sind seit Monaten im Umlauf: Wenn die Welt untergeht, muss
       nichts mehr bezahlt werden, der Überlebende gewinnt die Million und so
       weiter.
       
       Apropos Umlauf: Eine Unterhaltungsshow mit den pubertierenden Jungblödlern
       Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf lief bereits in der Nacht zu
       heute – eine Art exitio praecox des Fernsehnachwuches. Dabei sollten den
       ausgewählten Gästen letzte Wünsche erfüllt werden. Gerüchten zufolge wollte
       die eingeladene Untergangsexpertin Nina Hagen dann endlich live im
       Fernsehen ein Ufo besteigen, was auf alle Fälle sehr wünschenswert ist.
       
       Aber was wünschen sich Joko und Klaas selbst? Eine niemals endende
       Sprühflasche mit Pupsgeruchsspray für die neuen Fernsehgags 2013? Die
       Vorstellung, den Planeten mit solchen Vollpfosten auch im nächsten Jahr
       wieder teilen zu müssen, lässt einen doch auf den Weltuntergang hoffen.
       
       21 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gregor Mothes
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Weltuntergang
 (DIR) Hotline
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Frieden einfach überall
       
       Wie im Maya-Kalender schon angekündigt: Die Neue Weltordnung ist endlich da
       und bringt auch gleich den Weltfrieden mit.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Himmlische Hotline
       
       Über Paranormales: Auch Schutzengel leiden unter Stress und Burn-out.
       Außerdem haben sie überraschend gewöhnliche Namen.