# taz.de -- Geschenke in letzter Minute: Spätkauf
       
       > Ihnen fällt nichts mehr ein, womit Sie Ihren Lieben eine Freude machen
       > können? Keine Panik. Die taz-Kultur- Redaktion weiß Rat.
       
 (IMG) Bild: Was du auch machst, mach es nicht selbst: Andere können's besser
       
       ## Mecklenburg - regional und japanisch
       
       Eine gute Stunde nördlich von Berlin liegt der Flecken Triepkendorf.
       Rotwild quert die Landstraße, ein Milan schwebt in der Luft. Wir befinden
       uns am Rande der Feldberger Seenplatte im südlichen Mecklenburg. Hier haben
       sich Katarina Hering und Marcus Sapion niedergelassen, die alte Dorfschule
       restauriert und 2009 ihren Gasthof Tenzo eröffnet.
       
       Tenzo komme aus dem Japanischen und bedeute so viel wie "der Koch in einem
       Kloster, der seine Gäste umwöhnt, sie versorgt und sich um sie kümmert".
       Ganz schön viel für ein Wort. Aber es umreißt ganz gut den Anspruch, den
       die Gastleute haben. Bis zum Mauerfall führten sie ein vegetarisches
       Restaurant an der Urania im alten Westberlin, bevor sie sich dann noch
       einmal neu orientierten. Triepkendorf, eine weise Entscheidung.
       
       Sapion ist als Koch ganz schön in der Welt herumgekommen. Von den Schweizer
       Bergen bis zu den japanischen Inseln hat er sich kulinarisch beeinflussen
       lassen. Seine zweimal jährlich angebotenen sechsgängigen japanischen Menüs
       sind schnell ausgebucht, erstaunlicherweise vor allem von Einheimischen.
       
       Die berüchtigte Berlin-Mitte-Nörgel-Klientel befindet sich in dem neu
       errichteten Gastraum - in traditioneller Lehmbauweise! - klar in der
       Unterzahl. Viel Natur, regionale Küche, gemütliche Zimmer, das Ganze zu
       sehr moderaten Preisen (Doppelzimmer 75 Euro). ANDREAS FANIZADEH 
       
       ## Werkzeuge zur Erkenntnis der digitalen Krise
       
       „Als Konsumenten im Netz sehen wir uns ständig von einem ,unsichtbaren
       Publikum' umgeben“, schreibt Aaron Rose in „The Death of Subculture“. Und
       weiter: „Unzählige Menschen erfahren über unsere kollektive Geschichte
       durch ihre angeschlossenen Computer, niemand ist physisch anwesend.“ Rose,
       einer Künstlerszene in L. A. entstammend, hat diese Streitschrift zusammen
       mit einem lesenswerten Essay von Mandy Kahn und dem Designer Brian
       Roettinger in Buchform veröffentlicht.
       
       „Collage Culture. Examining the 21st Century's Identity Crisis“ lohnt den
       Blick schon allein wegen konkurrierend gesetzter Schrifttypen und -größen.
       Begleitend ist ein Vinyl-only-Album erschienen, auf dem 34 KünstlerInnen
       einzelne Passagen der beiden Texte lesen. „Wir müssen danach trachten,
       unsere Existenz in vollkommene Innovation zu überführen“, heißt es auf dem
       Cover prophetisch. Dazu hat die Band No Age einen fantastischen Score
       eingespielt.
       
       Kein Geschenk für Zweckmäßigkeitsapostel also. Aber eine ästhetisch
       ansprechende Absage an den Alltag der Digitalisierung und den Terror der
       Transparenz. JULIAN WEBER 
       
       Mandy Kahn (Hg.), „Collage Culture. Examining the 21st Century's Identity
       Crisis“. JRP Ringier, Zürich, 2012, 96 S., ca. 13 Euro. Das Album ist bei
       PPM Records erschienen 
       
       ## Kneifen und Knicken vermeiden
       
       Nee, das macht jetzt keinen Spaß. Man hat mit Freunden seit Stunden
       getrunken und gegessen, ja, auch den Nachtisch noch, als eigentlich nichts
       mehr ging, und jetzt soll man sich bücken? Über die ganzen niedlichen
       Speckröllchen hinweg nach den Schuhen greifen, die in dem Schmutzwetter und
       bei der Kälte draußen unerlässlich sind?
       
       Sollte Ihnen dieses Leiden nicht ganz unbekannt vorkommen, dann wissen Sie
       einen Schuhlöffel sicher zu schätzen, besonders einen stabilen mit langem
       Griff. Okay, vielleicht braucht man ein gewisses Alter, um die Vorzüge
       dieses kleinen Helfers zu erkennen, dann aber ist er ein feines Geschenk.
       Er dient nicht nur der Bequemlichkeit, sondern schützt auch die Schuhe vor
       geknickten Fersenkappen, die Socken vorm Verrutschen und beides vor
       schneller Abnutzung durch unnötige Reibung. Beim Erwerb sollte man auf
       Stabilität achten und fersengerechte Form - dann aber gibt es eine große
       Auswahl von günstigen Schuhlöffeln in Edelstahl (ab 3 Euro) über warm den
       Händen schmeichelnde aus verschiedenen Hölzern bis zu den sehr eleganten
       Luxusvarianten aus dem Horn von afrikanischen Rindern, die schnell mehr als
       100 Euro kosten können. So vielfältig allerdings, wie die Angebote im
       Internet wirken, war der Gegenstand noch in keinem Schuhladen zu sehen.
       KATRIN BETTINA MÜLLER 
       
       ## Als man noch Kodachrome kannte
       
       Im digitalen Zeitalter ist selbstverständlich alles anders. Da werden
       Bilder mit der gleichen Selbstverständlichkeit aufgenommen, mit der man
       atmet. Aber früher! Früher, da war Weihnachten noch die Zeit von
       Kodachrome. Der glitzernde, geschmückte Baum, das bunte Geschenkpapier, die
       festlichen Kleider, das konnte nur auf Farbfotos festgehalten werden.
       Kodachrome, das war die moderne heilige Botschaft: Bilder für alle! Luigi
       Ghirris Kodachromes freilich waren, als er sie 1978 veröffentlichte,
       keineswegs Bilder für jedermann. Dafür sind sie zu schlicht. Ist ein
       simples Kinder-Drehkarussel im Sandstrand überhaupt ein Motiv? Gleichzeitig
       sind sie viel zu komplex. Was für ein vielschichtiges Bild ein
       Kinder-Drehkarussel im Sandstrand doch ist! Also wurde Luigi Ghirri,
       Kodachrome, 1978 bei der edizione punto evirgola veröffentlicht, ein
       Kultbuch. Die Präzisierung der Kampfzone - der Wahrnehmung. Mack
       ([1][mackbooks.co.uk]) hat es endlich in zweiter Auflage wieder aufgelegt.
       BRIGITTE WERNEBURG 
       
       ## Lektürefelder von der Größe Kasachstans
       
       Es gibt ein arabisches Sprichwort, das besagt, ein Buch sei wie ein Garten,
       den man in der Tasche trägt. Wenn das Sprichwort zutrifft - und als
       ehemalige Studentin der Literaturwissenschaft bin ich mir sicher, dass es
       das tut -, dann ist ein elektronisches Lesegerät wie ein
       Landschaftsschutzgebiet, das man in die Tasche stecken kann, obwohl es
       mindestens die Fläche von Kasachstan oder Kanada einnimmt. Ich möchte an
       dieser Stelle keinem der diversen Modelle den Vorzug geben, Vor- und
       Nachteile haben sie schließlich alle, und Sie werden selbst viel besser
       wissen, welche besonderen Bedürfnisse der oder die Beschenkte hat. Ich
       möchte lieber von dem großartigen Gefühl schwärmen, das mich überkommt,
       wenn ich heute eine Reise antrete, ohne sieben schwere Schwarten zu
       schleppen. Oder davon, wie toll es ist, wenn ich beim Filmfestival von
       Cannes die Adaption eines Romans von Don Delillo sehe und mir das Buch
       gleich danach herunterladen kann. Und das Französisch-Wörterbuch ist
       sowieso dabei, mit allen regelmäßigen und unregelmäßigen Verbformen,
       Indikativ und Subjonctif.
       
       Mit anderen Worten: Für all die milde neurotischen Seelen, zu deren
       Urängsten es gehört, keine passende Lektüre dabeizuhaben, ist
       elektronisches Papier bzw. ein Tablet mit entsprechender Software ein
       Segen. CRISTINA NORD 
       
       ## Selber basteln? Andere können's besser
       
       Wer bis Weihnachten keine Socken mehr stricken kann und auch sonst nicht
       handwerklich begabt ist, findet individuelle, hübsche und auch preiswerte
       Dinge oft bei regionalen Künstlern. Oder im Internet. Von der Berliner
       Künstlerin [2][Mareike Felsch] zum Beispiel. Ihre filigranen Städte- und
       Naturbilder puzzelt sie aus hauchdünnen Serviettenfetzen zusammen. Die
       Ergebnisse sind skurril, ein wenig kitschig und verträumt - auf jeden Fall
       wunderschön!
       
       Eine Französin in Brandenburg: Mathilde Melois produziert in ihrer
       Werkstatt Künstlerbücher (zum Beispiel mit Klosprüchen von Berliner
       Damenklos oder den wirren Sätzen einer Lehrerin), und sie macht entzückende
       Daumenkinos mit und ohne Ton. Die Berliner U-Bahn, der Buchstabensalat, der
       zu "I love you" wird, und der tanzende Hund. Auch untendrunter soll es
       weihnachtlich schön sein. [3][Berlin Underwear] fertigt individuelle
       Unterwäsche, sie passt super und ist angenehm zu tragen.
       
       Radierungen, Aquarelle, Zeichnungen, Ölbilder und Airbrush: Der fränkische
       Künstler [4][Manfred Hönig] hat ein unglaubliches Repertoire an
       Maltechniken. Seine Bilder sind realistisch, manchmal im Stil der alten
       Meister und immer ein wenig fremd.Elke Eckert 
       
       ## Eine Mütze Schlaf am Schreibtisch
       
       Wer kennt das nicht: Das Mittagessen liegt schwer im Magen, die Augenlider
       bewegen sich abwärts, der Ellenbogen rutscht vom Bürotisch - es gibt viel
       zu tun, aber man braucht ganz dringend ein Schläfchen. Doch am
       Arbeitsplatz? Der Kollege würde die Nase rümpfen, seinem strafenden Blick
       wäre man schutzlos ausgeliefert.
       
       Es ist daher ein Rätsel, warum es ihn erst jetzt gibt: den
       Schreibtischschlafsack. Das ideale Geschenk. Man stülpt sich den
       gepolsterten Plüschsack über den Kopf und taucht ab ins kuschlige Dunkel,
       Geräusche werden vom dicken Stoff gedämpft, die Hände kann man in zwei
       Öffnungen zwischen Tischplatte und Kopf versenken. Und los gehts mit dem
       Büronickerchen!
       
       Zukünftig wird es im Großraumoffice auf keinen Fall mehr ohne gepolsterten
       Kopfschlüpfer gehen. Und auch modisch wird sich das Utensil - irgendwo
       zwischen Sturmhaube und E.T.s Alienschädel - durchsetzen. Wer es edel mag,
       kann sich die Version mit dem Namen "Ostrich" (passend: Vogelstrauß)
       anschaffen, entworfen von einem japanisch-iranischen Designerteam. Einer
       der Designer verriet jüngst seine Inspiration: ein Kollege, der, vom Essen
       ermattet, ein Schläfchen auf dem Schreibtisch einlegte - den Kopf durch den
       Halsausschnitt in den Pulli gesteckt, die Hände in den nach innen
       geschlagenen Ärmeln. Mit etwas handwerklichem Geschick kann man den
       Prototyp aus einem ausgedienten Nickipulli nachbasten! Ihr Bekanntenkreis
       wird es Ihnen garantiert danken! SONJA VOGEL 
       
       ## French Lover: Das Parfüm auf deiner Haut
       
       In Zeiten, in denen das Buch als gedrucktes zu verschwinden droht, kann man
       doch mal an das sinnliche Ereignis erinnern, das mit ihm zusammen
       untergeht: An das zarte Streichen über das Papier beim ersten Aufschlagen,
       an den zaghaften Move Richtung Nase, um seinen Geruch zu erschnuppern. So
       ungefähr mögen sich das die Schöpfer von "Paper Passion" vorgestellt haben,
       einem Parfüm, das den Geruch von Papier wiedergibt, kreiert von dem
       Berliner Geza Schön, herausgebracht von Gerhard Steidl und
       Wallpaper-Magazine-Chef Tomy Chambers. Wer nicht nach Druckerschwärze
       riechen will, kann es als Raumduft nutzen und zumindest olfaktorisch eine
       bibliophile Aura zaubern, auch um den Elektrosmoggeruch von Tablet und PC
       zu überdecken. Leider ist das Parfüm nur zusammen mit einem Gedicht von
       Günter Grass zu erwerben, und das riecht etwas streng.
       
       Deshalb ein weiterer Tipp: In Paris nämlich hat Frédéric Malle, einer der
       Topparfümeure, für seine "Edition Frédéric Malle" den Spieß umgedreht und
       versteht sich gleich als Verleger und seine Parfümeure als Autoren, ganz
       ohne in Papier zu machen. Sein Ladengeschäft in der Pariser Rue de Grenelle
       gleicht denn auch konsequent eher einem Verlegerbüro als einer Parfümerie,
       an einem Schreibtisch empfängt der Consultant zu einem qualifizierten
       Gespräch über die Kreationen des Hauses. Und die sind absolut fantastisch!
       Der Duft "Carnal Flower" beispielweise hat die reinste und höchste
       Tuberosekonzentration, die es derzeit gibt auf dem Markt. Man muss nicht
       nach Paris fahren, um einen der Düfte zu erwerben, andererseits: Den Besuch
       in der Rue de Grenelle kann man gleich mitverschenken. TANIA MARTINI 
       
       ## Ein warmer Schein vom Wolframdraht
       
       Irgendwann wird man sie vermissen. Seit dem 1. September ist die vierte
       Stufe des Glühlampenausstiegs in Kraft getreten, herkömmliche Glühbirnen
       dürfen nicht mehr hergestellt und vertrieben werden. Allein die schwach
       gelblich leuchtenden 10-Watt-Lampen fallen noch nicht unter die
       EU-Richtlinie, die Glühlampen mit geringer Energieeffizienz verbietet.
       
       Wer sich längst mit den nüchternen Energiesparlampen arrangiert hat, mag
       darüber mit den Achseln zucken, doch Weihnachten als Fest des Lichts ist
       eine gute Gelegenheit, eines verschwindenden Kulturguts zu gedenken. In den
       Läden gibt es als Restbestände noch 25- und 40-Watt-Birnen, online bekommt
       man sogar bis zu 100 Watt.
       
       Mit den zerbrechlichen Gaben kann man für feiertagstauglichen Mehrwert
       sorgen: Die Lampen lassen sich dekorativ zu Christbaumkugeln umwidmen, als
       farbneutraler Weihnachtstellerschmuck verwenden - oder man arrangiert sie
       zu einer strahlenden Skulptur, wie es etwa der kubanische Künstler Félix
       González-Torres vorgemacht hat.
       
       Als Weihnachtsgeschenk eignet sich die Glühbirne zudem, weil sie, anders
       als ihr sparsamerer Nachfolger, nebenbei noch Wärme erzeugt. Man sollte sie
       daher nicht als Relikt aus Vorenergiewendezeiten belächeln. Wie sagte doch
       Oskar Maria Graf - zitiert nach Helmut Höge - im Jahr 1940: "Die Glühbirne
       hat das Leben des einzelnen Menschen mehr verändert als etwa, ich will das
       durchaus nicht spöttisch verstanden wissen, die Gründung des Deutschen
       Reichs durch Bismarck." TIM CASPAR BOEHME 
       
       ## Begrabt die alten bösen Lieder
       
       Die Tage sind dunkel, über den Hamsterrädern der Büros brennt selbst
       mittags grell das Neonlicht. Nur nicht nachlassen! Schön weiter rennen! Die
       Maschine muss weiterlaufen. Bald aber wird für ein paar Tage Ruhe
       herrschen. Wenn am dunkelsten der Tage die von Ihnen Beschenkte das neue
       Album von Daniel Kahn & The Painted Bird zur Hand hat, das leise in die
       Stille hineinpulsiert, dann ist es gut. Klezmer nervt. Nicht aber der
       Verfremdungsklezmer von Daniel Kahn & The Painted Bird. In ein besseres
       Morgen blickende Arbeiterlieder jüdischer russischer Sozialdemokraten aus
       den Zwanzigerjahren haben sie gespielt, traurige Chansons gesungen und
       schaurige Moritaten vorgetragen. Auf den "Bad Old Songs" wird eher sachte
       getrommelt und gefidelt. Die Toten werden beweint, verschwundenen Welten
       wird nachgesonnen.
       
       Ein altes Liebeslied aus Warschau ist dabei über "a sheyn meydele fin der
       shtut Berlin", das stirbt, bevor es der Geliebte wiedersieht. Kahn hat
       Degenhardts "Die alten Lieder" auf Jiddisch und Englisch übersetzt: "Tot
       sind unsre Lieder, unsre alten Lieder. Lehrer haben sie zerbissen,
       Kurzbehoste sie verklampft, braune Horden totgeschrien, Stiefel in den
       Dreck gestampft." Die Band spielt majestisch Leonard Cohens "Story of
       Isaac". Ein Waisenkind klagt über Sorge überall, die wie eine Wolke sich
       wickelt um die Welt. Aber Hoffnung gibt es immer. "Die alten bösen Lieder,
       die Träume bös und arg, die lasst uns jetzt begraben, holt einen großen
       Sarg." Wer zuhört, den geleitet Daniel Kahn mit Heinrich Heine ins neue
       Jahr. ULRICH GUTMAIR
       
       22 Dec 2012
       
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 (DIR) Weihnachten auf St. Pauli: Heilige Scheiße
       
       Zu Weihnachten sind in Hamburgs St. Pauli die mütterlichen Huren
       ausgebucht. Und zwei Mädchen suchen ein Glas Rotkohl.
       
 (DIR) Kirche am Heiligabend: „Ängsten eine Stimme geben“
       
       Für die evangelische Theologin Ellen Ueberschär ist die Kirche am
       Heiligabend ein Ort zum Nachdenken. Soziale Probleme sollten zur Sprache
       kommen.