# taz.de -- Schwedens Quizshow „På spåret“: Die schönsten Bahnstrecken
       
       > In der beliebtesten Quizshow Schwedens müssen die Kandidaten das
       > Reiseziel eines Zuges erraten. Rassisten haben bei diesem Spiel keine
       > Chance.
       
 (IMG) Bild: Na, wohin führt denn diese kleine süße schwedische Bahnstrecke?
       
       „Man konnte aufatmen. Das Programm sieht genauso aus wie immer.“ So schrieb
       vor einigen Wochen Göteborgs Posten in einer zufriedenen Rezension nach der
       ersten Folge der diesjährigen Staffel von Schwedens populärster
       Fernsehserie „På spåret“, bei der die Zeit stillsteht – und genau das
       scheint das Publikum an dieser Rateshow zu schätzen.
       
       „På spåret“, was sowohl „Auf dem Gleis“ wie „Auf der Spur“ heißt, feiert in
       diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum. Wenn die Sendung in der Herbst- und
       Wintersaison läuft, ist sie der unumstrittene Zuschauermagnet. Dann sind
       jeden Freitagabend ab 20 Uhr regelmäßig rund zwei Drittel aller TV-Geräte
       auf SVT1, das erste Programm des öffentlich rechtlichen Fernsehens,
       eingestellt. „Das Programm ist einfach Kult“, meint die Produzentin
       Katarina Sahlin: „Auch 25-Jährige schauen sich das an. Als eine Art
       Einstimmung, bevor sie ausgehen.“
       
       Es geht um Züge. Konkret um das Reiseziel einer mit Zeitraffer aus dem
       „Cockpit“ der Lokomotive gefilmten Eisenbahnreise – musikalisch passend mit
       einem vor 170 Jahren komponierten „Dampflokomotivengalopp“ unterlegt. „Vart
       är vi på väg?“, fragt der Programmleiter (Wohin geht unsere Reise?), und
       zwei Mannschaften, bestehend aus je zwei Prominenten, dürfen raten. Sie
       bekommen umso mehr Punkte, je schneller sie die Notbremse ziehen und das
       Reiseziel erraten haben. Als Hilfe gibt es verklausulierte Hinweise,
       Wortwitze oder kleine Rätsel zum Um-die-Ecke-Denken.
       
       ## Geografische Kenntnisse gefragt
       
       Und natürlich sind geografische Kenntnisse gefragt. So sollte man bei der
       Erwähnung der Aphrodite an Paris denken, und es ist beispielsweise nützlich
       zu wissen, dass der „lange Hermann“ und die „dicke Margarethe“ im
       estnischen Tallinn stehen. Hat man das Reiseziel erreicht, werden Fragen zu
       diesem Ort gestellt.
       
       Nicht zu leicht und nicht zu schwer, damit der durchschnittliche Zuschauer
       zwischendurch ein Erfolgserlebnis hat und sich sagen kann: „Das habe ich
       aber auch gewusst“, erklärt Katarina Sahlin das Konzept: „Die Schweden
       lieben Fragesendungen. Aber intelligent sollen sie sein und ohne
       überflüssige und ablenkende Elemente.“ Lagom eben. Lagom steht im
       Schwedischen in etwa für maßvoll, genau richtig, nicht aus der Norm
       ausbrechend. Als lagom schätzen die Schweden nicht nur sich selbst gern
       ein, sondern auch ihr Land. „Lagom lustig, lagom bildend, lagom lange,
       lagom gemütlich, lagom lagom“ sei das erfolgreiche Rezept der Show, meint
       der Kulturjournalist Mikael van Reis: „Glänzende Unterhaltung, vielleicht
       die beste, die wir haben. Familiär wie die Kernfamilie und einladend wie
       ein Ikea-Sofa.“
       
       Lagom ist die einstündige Sendezeit – in Schweden erntet ungläubiges
       Staunen, wer von deutschen Unterhaltungssendungen berichtet, die zwei
       Stunden dauern oder wie „Wetten, dass …?“ gar noch länger. Lagom
       spartanisch sind die Kulissen des Fernsehstudios, in dem „På spåret“ vor
       einem Publikum aufgezeichnet wird: zwei Boxen für die Rateteams, ein Pult
       für die Programmleiter und eine Ecke für die Showband. Und zu gewinnen gibt
       es nur die Ehre und einen Wanderpokal.
       
       Schwedische Promis stehen trotzdem Schlange, um teilnehmen zu können.
       Stefan Holm, Hochsprung-Olympiasieger von 2004, zweifacher „På
       spåret“-Gewinner und auch in diesem Jahr wieder dabei, erzählt, er sei vor
       dem Programm nicht nur ähnlich geladen wie vor einem
       Leichtathletikwettkampf, sondern er trainiere für die Sendung auch
       intensiv: alte Programme ansehen, Geografiebücher studieren,
       Fragesportspiele machen.
       
       Sogar eine politische Botschaft glaubte kürzlich ein Kolumnist der
       Tageszeitung Aftonbladet im „På spåret“-Konzept entdecken zu können: Man
       müsse neugierig, allgemein gebildet, offen, verständnisvoll sein und die
       Welt als dynamisches Ganzes sehen, als „weltweites Gewebe aus Wissen und
       Gemeinschaft“. Weshalb auch kein Anhänger der ausländerfeindlichen Partei
       Schwedendemokraten bei diesem Spiel auch nur den Hauch einer Chance hätte.
       
       Auch wenn es schon alle wichtigen schwedischen Fernsehpreise gewonnen hat,
       konnte SVT1 das Format auf dem internationalen TV-Markt nicht verkaufen.
       Lediglich das norwegische NRK testete es ein Jahr lang und stellte es wegen
       mangelnden Publikumsinteresses wieder ein. Nicht etwa, dass man dort
       Eisenbahnreisen nicht mag. Aber wenn, dann bitte die im eigenen Land.
       
       Als diesjähriges Weihnachtsprogramm bescherte NRK seinem Publikum zur
       besten Sendezeit die neun Stunden und 50 Minuten lange Reise mit der
       Nordlandbahn von Trondheim nach Bodø. Und das gleich jeweils im Frühling,
       Sommer, Herbst und Winter. In Echtzeit.
       
       30 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bahnstrecke
       
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