# taz.de -- Brot statt Böller: Wider besseres Wissen
       
       > Jedes Jahr gibt die Hilfsorganisation ihren Apell „Brot statt Böller“
       > heraus. Dieser basiert auf einer perfiden Gleichung.
       
 (IMG) Bild: Sieht auf jeden Fall besser aus als Brot.
       
       Verlässlich rechnet die evangelische Hilfsorganisation „Brot für die Welt"
       jedes Jahr vor, wie viele Brote sie für das Summe kaufen könnte, die die
       Deutschen in der Silvesternacht für Feuerwerk ausgeben. Seit 30 Jahren
       verbreitet sie den Aufruf „Brot statt Böller“: Den Appell, für die Armen in
       der Welt zu spenden statt in der Silvesternacht „sinnlos Werte zu
       vernichten“.
       
       Angesichts großen Mitgliederschwunds haben es sich die christlichen Kirchen
       hierzulande etwas abgewöhnt, die Menschen allzu penetrant mit moralischer
       Orientierung zu behelligen. Doch zum Jahresende fällt Brot für die Welt in
       alte Gewohnheiten zurück: Die Böllerei sei ein „sehr kurzer Spaß, der
       niemandes Leben lebenswerter macht – auch das eigene nicht", schreibt die
       Organisation.
       
       Mit „Spaßverderberei“ habe dies nichts zu tun, denn „unserer Gesellschaft
       fehlt es nicht an Spaß“. Im Gegenteil: „Wir denken eher, dass wir vor
       lauter Spaßorientierung verpassen könnten, was das Leben an echtem Glück
       und Freude bereit hält“: Spenden, zum Beispiel.
       
       Die Predigt ließe sich getrost ignorieren, wenn die Spendensammler nicht
       wider besseren Wissens eine perfide Gleichung aufmachen würden: Denn der
       Zusammenhang zwischen dem Hunger in Afrika und dem Geböller ist
       konstruiert: „Genauso gut könnte man dazu aufrufen, keine Weihnachtsbäume,
       Bücher oder Jogginganzüge zu kaufen“, schreibt die Aktion Dritte Welt Saar,
       die seit Jahren von Brot für die Welt verlangt, den „Brot statt
       Böller“-Appell einzustellen.
       
       Tatsächlich herrscht über die Gründe dafür, dass derzeit rund 870 Millionen
       Menschen weltweit chronisch unterernährt sind, weitgehende Einigkeit:
       Tierfutterexporte, Agrarsubventionen, Landraub, Bodenerosion durch
       verfehlte Umweltpolitik, industrielle Fleischproduktion, ungerechte
       Landverteilung, der wachsende Anbau von Biodiesel und schließlich: der
       absichtsvolle Ausschluss der Mehrheit der Menschen von den vollen
       Lagerhäusern der Erde zum Zweck des Profits.
       
       Die Haustheologen der Spendensammler schweigen darüber, getrieben von der
       Hoffnung, das so beim Normalbürger erzeugte schlechte Gewissen werde die
       Leute zum Spenden animieren. Stattdessen suggerieren sie punktuelles,
       individuelles Konsumverhalten habe irgendwie was mit dem Elend in Afrika zu
       tun und ignorieren so mutwillig praktisch jede entwicklungspolitische
       Debatte der letzten 40 Jahre.
       
       Denn wie abwegig es ist, den Hunger der Afrikaner als Schicksal
       hinzustellen, dem mit milden Gaben beizukommen wäre, weiß Brot für die Welt
       ganz genau: Den Rest des Jahres weist es schließlich selbst auf die
       tatsächlichen Ursachen für die Hungersnöte hin. Erst vor vier Wochen fand
       es die Chefin Cornelia Füllkrug-Weitzel „nicht hinnehmbar“, dass
       „angesichts fast einer Milliarde Hungernder mehr als die Hälfte der Ernten
       für Futtermittel, Agrotreibstoffe und industrielle Zwecke genutzt werde.“
       
       Warum der Appell dann nicht „Brot statt Biodiesel“ oder „Brot statt
       Landraub“ heißt, wird das Geheimnis von Brot für die Welt bleiben. Die
       Aktion Dritte Welt Saar erklärt sich das folgendermaßen: Neben einer
       „gehörigen Portion“ typisch protestantischer „Lustfeindlichkeit“ sei es
       „auffällig“; dass die Kritik am Silvesterfeuerwerk „ansetzt, wenn die
       breite Masse“ Raketen zündet, nicht aber beispielsweise bei
       Klassik-Open-Air-Konzerten“. Also nicht bei Vergnügen, die der Oberschicht
       Freude bereiten.
       
       31 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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