# taz.de -- Die Wahrheit: Fetzen, Fragmente, Fantasien
       
       > Ausgangs der Zielkurve hat man noch eins auf die Zwölf gekriegt, kurz
       > danach hat’s dreizehn geschlagen. Prosit!
       
       Wie originell ist das denn? Ausgangs der Zielkurve hat man noch eins auf
       die Zwölf gekriegt, kurz danach hat’s dreizehn geschlagen. Prosit! Schönen
       Dank. Und daraufhin pirschen sich obligate Fragen heran: Reihen sich nach
       diesem Jahreswechsel 365 Freitage aneinander? Sagt uns der frische Kalender
       überhaupt etwas? Flüstert, säuselt, raunt er etwas zu? Lassen wir lieber
       diese Fragezeichen unbeachtet schweben, derweil wir rüstig voranschreiten
       ins Ungewisse auf einer der Wohlstandsinseln am Rande des gleichzeitig
       Straf- und Lieblingsplaneten.
       
       Zuvor blicken wir auf Fragezeichen aus den jüngst verflossenen Tagen. Denn
       konfus kleinkarierte Spießer wie ich sortieren und ordnen zwischen den
       Jahren, was sich so an losen Papieren, Zetteln, Schnipseln angehäuft hat.
       Der herkulische Mut, einiges sogar zu zerfetzen, wird gestärkt durch den
       Namen des Schredderapparats, der sich hier im Büro anbietet: „Genie mini“
       nennt sich der „Aktenvernichter“. Das minimal Geniale besteht demnach im
       Beseitigen. Denn man tau.
       
       Aus dem Gerümpel klaube ich eine seltsame Notiz aus zwei Stichworten. Das
       erste lautet „Nietzsche“ und meint mit an Sicherheit grenzender
       Wahrscheinlichkeit den bedeutenden Philosophen. Doch das zweite Stichwort
       lässt mich stutzen, wirft ein neues Licht auf Nietzsche: In welchem Verein,
       in welchem Klub hat Nietzsche ein Amt übernommen? Denn hinter seinem Namen
       prangt schlicht „Vereinsamt“. Steht überdies im Bürgerlichen Gesetzbuch, §
       35, wo es um „das Recht auf ein Vereinsamt“ geht, „etwa auf Aufnahme in den
       Vorstand“.
       
       Es bedarf schätzungsweise drei Hundertstelsekunden oder dreizehn Minuten,
       bis ich begreife, dass Nietzsche keineswegs nach einem Amt trachtete,
       sondern über den Zustand dichtete, dem manche ob ihrer Vereinsamung
       ausgeliefert sind: „… Bald wird es schnein, / Weh dem, der keine Heimat
       hat!“
       
       Zweitens stoße ich im Ordner „Unveröffentlichtes“ auf einen Texttorso, der
       angesichts der alten Rechtschreibung vor etlichen Jahren zusammengestöpselt
       sein muss. Oder irgendwo abgeschrieben ist: „Endlich neue Diskursformel
       entdeckt: Dialog im direkten Gespräch“ lautet der Titel. Dies ist der
       Einstieg: „Wenn zwei sich streiten, bangt die Synthese. Aber muß das denn
       so sein? Können wir nicht im Konsens gemeinschaftlich miteinander
       kooperieren?“ Aus dem Bruchstück fingere ich einen weiteren Satz heraus:
       „Wenn Worte reden könnten, endete das nonverbale Gespräch im Apriori der
       Aporie. Dies gehört auf die Tagesordnung der Agenda zeitnah weit nach oben,
       dorthin, wo der einsame Rufer vom Elfenbeinturm herab die neuen
       Diskursformeln deklamiert.“
       
       Nun ja. Statt das Fragment zu bewerten, krame ich einen letzten
       Papierfetzen heraus. Er beruft sich auf den Superhelden Darkwing Duck, der
       Schrecken der Bösewichte in einer nach ihm benannten Zeichentrickserie, der
       zu sagen pflegte: „Zwo, eins, Risiko!“ Das ist es! Ein Minimum Genialität,
       das wir als Botschaft verstehen, aufsaugen und dessen schriftliche Fassung
       hiermit vernichten.
       
       2 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich zur Nedden
       
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