# taz.de -- Die Wahrheit: Ministerium inkontinent
       
       > Jetzt auch Razzia bei der Rentner-„Bravo“.
       
 (IMG) Bild: Auch für den Artikel „Rollator-Rallye zum Nordkap“ nutzte die Apo Material aus dem Datenleck.
       
       „Arthrose-Alarm bei den Best Agern“, „Rollator-Rallye zum Nordkap“, „Tipps
       und Tricks fürs Treppenlift-Tuning“ – mit Artikeln wie diesen hat sich die
       Apotheken Umschau, die wir gern auch Apo nennen, über die Jahrzehnte eine
       treue Leserschaft aufgebaut.
       
       Egal ob es um neueste medizinische Forschungsergebnisse, brisante
       Enthüllungsstorys oder Hintergrundberichte über geplante Gesetzesänderungen
       ging – die kostenlos in Apotheken ausliegende und besonders bei Rentnern
       beliebte Zeitschrift war stets bestens informiert und versorgte ihr
       Millionenpublikum zuverlässig mit Lesefutter zu Volkskrankheiten und
       Vorsorgethemen.
       
       Doch dann schlug die Staatsanwaltschaft zu. Im Morgengrauen wurden die
       Redaktionsräume durchsucht, Computer, CDs und andere Datenträger
       beschlagnahmt. Der unglaubliche Verdacht: Ein Journalist der Apotheken
       Umschau soll sich jahrelang geheime Daten aus dem
       Bundesgesundheitsministerium beschafft haben.
       
       Das wäre allerdings ein besonderer Skandal, denn der zweite in kurzer
       Folge. Vor kurzem war bereits im Gesundheitsministerium ein externer
       IT-Dienstleister aufgeflogen, der Zugang zu E-Mails, Beschlüssen,
       Gesetzentwürfen und anderen Daten hatte und sämtliche Informationen an
       einen Lobbyisten übermittelt und dafür Geld kassiert haben soll.
       
       Die erneuten Spionage-Vorwürfe versetzen das politische Berlin wieder
       einmal in Alarmstimmung: Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Sollte sich der
       Verdacht der Ermittler bestätigen, steht die Berliner Republik vor ihrem
       bisher größten Lobby-Skandal – ist die Apotheken Umschau doch Sprachrohr
       der deutschen Apothekerschaft.
       
       Nun hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr nochmals mit scharfen Worten
       auf den mutmaßlichen Datenklau in seiner Behörde reagiert. Lassen sich die
       Vorwürfe erhärten, sei es nicht nur „keine Lappalie“, sondern „ein Unding“.
       Und darüber hinaus wie schon im ersten Fall „auch eine ganz große Sauerei“.
       
       Besonders brisant: Nach Informationen der Wahrheit handelt es sich bei den
       ausspionierten Daten unter anderem um neueste Forschungsergebnisse aus den
       Labors renommierter Universitäten und den Giftküchen der Pharmaindustrie.
       Ziel der systematischen Spionage war es offenbar, sich die noch geheimen
       Hintergrundinformationen des Ministeriums zu beschaffen, um mit diesem
       Material investigative Artikel wie „Gicht – Geisel der Generation Beige“
       verfassen zu können.
       
       Das Gesundheitsministerium selbst hatte die Anzeige bei der
       Staatsanwaltschaft gestellt. Immer wieder habe man sich darüber gewundert,
       wie gut die Apotheken Umschau informiert gewesen sei, heißt es im Haus. Und
       was der Leser bislang für das Ergebnis knallharter Recherche der
       Apo-Journalisten hielte, muss nun in ganz neuem und ziemlich trübem Licht
       betrachtet werden.
       
       Teilweise seien sogar streng geheime Gesetzesvorhaben des Ministeriums in
       der Zeitschrift veröffentlicht worden, wie zum Beispiel die äußerst
       umstrittene Einführung einer Fußgängermaut für Übergewichtige. „Es war
       schon extrem auffällig, wie genau die Apotheken Umschau über unsere Pläne
       informiert war“, plaudert ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums aus
       dem Nähkästchen, „da musste irgendwo ein Maulwurf sein, der sehr fleißig
       gebuddelt hat.“
       
       Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hat die
       Spionagevorwürfe in gewohnt gestelzter Diktion zurückgewiesen. „Wir lehnen
       eine auf solche Weise erfolgte Informationsbeschaffung strikt ab und
       distanzieren uns davon ausdrücklich“, erklärt die ABDA. „Wir sehen mit
       Sorge, dass die bisher untadelige Arbeit der Apotheken Umschau unter
       Generalverdacht gerät.“
       
       Deshalb verfolge man die Berichterstattung über den Fall „mit großer
       Bestürzung“. Interessant ist auch, wie die Apotheken Umschau in ihrer
       aktuellen Ausgabe das Datenleck im Gesundheitsministerium auf ihre Weise
       verarbeitet. Überschrift der zweideutigen Titelstory: „Inkontinenz – wenn
       der Organismus nicht mehr dicht hält.“
       
       4 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rüdiger Kind
       
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