# taz.de -- Berliner Szenen: Berlin kann nicht
       
       > Berlin ist wild und gefährlich. Und unsere AutorInnen sind immer
       > mittendrin. Ihre schrecklichsten, schönsten und absurdesten Momente in
       > der Großstadt erzählen sie hier.
       
       Im Schreibwarenladen in unserer Straße kann man inzwischen Postkarten
       kaufen mit dem Spruch: „Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu
       eröffnen.“ Es gibt dort auch eine Postkarte, auf der steht: „Wir können
       alles, außer“, und darunter drei runde Bildchen: ein S-Bahn- und ein
       Flughafen-Symbol und ein Fußball. Was, natürlich, glatt gelogen ist.
       
       Berlin kann auch keine großen Bahnhöfe (fallen in 20- bis 1.350-kg-Stücken
       auseinander, siehe Hauptbahnhof 2007 und Friedrichstraße 2012). Berlin kann
       keine Charité und keinen Alexanderplatz. Berlin konnte mal Loveparade, aber
       das ist lange her. Berlin konnte mal Mauer, aber das ist noch länger her.
       Berlin konnte mal Knut, den Eisbären, aber der ist ertrunken. Berlin konnte
       mal Tacheles, kann das aber auch nicht mehr, und jetzt fragt dort niemand
       mehr „How long is now“, denn „now“ ist vorbei. Berlin konnte mal ganz gut
       Unter den Linden, aber da fehlen jetzt die Linden, und da, wo sonst die
       U-Bahn fuhr, muss man heute mit Tausenden anderen Menschen zu Fuß über
       gelbe Fußsticker durch eine Baustelle gehen. Berlin kann nicht richtig
       Touristen, denn es hasst seine Touristen. Berlin kann noch nicht mal
       richtig Weltuntergang, nicht mal das kann Berlin.
       
       Während ich diesen Text in mein Handy tippe, warte ich an der
       Bushaltestelle des M 41, der gerade eigentlich alle fünf Minuten fährt,
       aber seit 20 Minuten nicht da war. Neben mir überbieten sich zwei Männer
       gegenseitig in BVG-Witzen. „BVG, kennste, wa? Abkürzung für: Bisher
       vergeblich gewartet, hehe“, sagt der eine. „Nee“, sagt der andere, „bitter
       vergeudetes Geld!“ Beide lachen. „Besser Verkehr gemieden“, sagt der Erste
       wieder, und „Biste vollkommen gearscht“, der Zweite. „Beachtliche
       Verspätung garantiert!“, triumphiert der Erste. Berlin kennt nämlich immer
       noch einen. Und dann kommt auch der Bus.
       
       8 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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