# taz.de -- Neuer TV-Journalismus: Bloß nicht wehtun!
       
       > Reporter Daniel Bröckerhoff will das Fernsehen mit dem Internet
       > verknüpfen. Aber so richtig mitreden sollen seine Zuschauer dann auch
       > wieder nicht.
       
 (IMG) Bild: Pragmatisch: Fernsehjournalist Daniel Bröckerhoff.
       
       Mal kommt Daniel Bröckerhoff in einem spießigen Anzug mit drolliger Fliege
       daher, um – mit Bierflaschen und Wurstsemmeln bewaffnet – Jugendlichen in
       der Fußgängerzone illegal kopierte Musik abzuknöpfen. Ein anderes mal
       kleidet er sich bunt und jagt mit einem ARD-Mikrofon entlang einer
       Kundgebung junge Neonazis. Und dann wieder mischt er sich unter junge
       Polizisten, um zu ergründen, wie es ist, mit Schlagstöcken im Anschlag
       krawalllaunige Fußballfans im Zaum zu halten.
       
       Der 34-Jährige ist einer dieser jungen TV-Macher, die das
       Informationsfernsehen mit Albernheiten und einer Portion Narzissmus
       aufbrechen, die ständig experimentieren und die vor allem auch das Digitale
       lieben. Als „Doktordab“ ist er in sozialen Netzwerken präsent, plaudert
       über seine Arbeit und spürt Geschichten auf. Immer wieder findet er dort
       sogar Protagonisten für seine Filme, die oft arg verspielt daherkommen und
       nicht selten am Rande der deutschen Fernsehlandschaft versendet werden, sei
       es auf dem Spartenkanal EinsPlus oder dem neuerdings schon wieder
       verkümmernden ZDFinfo.
       
       „Bisher schließt man sich als Fernsehjournalist ein paar Monate ein und
       kommt mit einem Film heraus“, sagt Bröckerhoff. „Das soll aufhören!“ Er
       will den TV-Journalismus mit den neuen Möglichkeiten verknüpfen, mit den
       Menschen da draußen, die bestenfalls nicht nur Nutzer sind, sondern auch
       Publikum. Häufig geht er mit gutem Beispiel voran.
       
       ## Reportage „Die Patientenfabrik“
       
       Neulich begann er etwa damit, für das ZDF der Frage nachzugehen, wie es
       sein kann, dass Krankenhäuser in unserer Gesellschaft Gewinne einfahren –
       statt das Geld weiter in die Gesundheit ihrer Patienten zu investieren.
       „Nachdem ich bei Twitter und Facebook gefragt habe, wer Klinikmitarbeiter
       kennt, die über die Zustände in ihrem Haus sprechen würden, hatte ich gut
       ein Dutzend Insider“, sagt Bröckerhoff. Sein Film „Die Patientenfabrik“
       läuft an diesem Mittwochabend. Er ist sehenswert.
       
       Das aber ist bloß der Anfang, denn Bröckerhoffs eigentliche Arbeit fand
       dann doch wieder abseits der Transparenz statt, auf die er so scharf ist.
       In diesem Jahr will er nun völlig Neues wagen: Er arbeitet derzeit zusammen
       mit einer Produktionsgesellschaft an einem Konzept, um als „ansprechbarer
       Journalist“ für das Publikum da zu sein, wie er seine noch eher vagen Pläne
       umreißt. Von einer „Crowdsourcing-Reportagereihe“ ist die Rede. Irgendwann
       in diesem Jahr soll es losgehen, vielleicht erst mal ohne einen Sender.
       
       Bröckerhoff wurde einst von RTL ausgebildet. Dort haben sie ihm
       eingetrichtert, dass Reporter in ihren Filmen nicht immer bloß
       zurückhaltende Randfiguren sein müssen, sondern im Bild agieren dürfen. Wie
       weit diese Masche ausgereizt werden kann, lebt Bröckerhoff im Jugendmagazin
       „Klub Konkret“ vor, das er mit aufgebaut hat. EinsPlus will hier bis zu
       30-jährige Zuschauer mit Gesellschaftskritik versorgen. Sollte wirklich ein
       ARD/ZDF-Jugendkanal kommen, wäre die Sendung aus dem Stand übernahmefähig.
       
       ## Konsensjournalismus
       
       „Wir hetzen niemanden aufeinander“, sagt Bröckerhoff. Das Format, das
       Magazin mit Talk-Elementen mischt, wartet am ehesten mit so etwas wie
       Konsensjournalismus auf. Bröckerhoff sagt selbst: „Wir entscheiden uns
       nicht für eine Seite und finden dann die andere konsequent scheiße. Wir
       moderieren lieben, statt einen Gewinner oder einen Verlierer zu suchen.“
       
       Für Bröckerhoff heißt das, nicht nur in eine Polizeiuniform zu schlüpfen,
       sondern sich auch mit Krawalltouristen zu Stadien zu bewegen. Er, der dabei
       im Mittelpunkt steht, erfährt dann für den Zuschauer, wie es ist, von der
       Staatsmacht eingekesselt zu sein. Es ist der Versuch, nicht eine
       mitgebrachte These zu untermauern, sondern beiden Seiten eine Chance zu
       geben. Das steht dem Fernsehen als Gegenstück zu thesengetriebene
       Politmagazine wie „Monitor“ und Co. gut, hat aber auch seine Grenzen. Der
       Zuschauer kann sich nur selten an dem Format reiben.
       
       ## Auf Augenhöhe mit dem Publikum
       
       Worauf „Klub Konkret“ wiederum eine brauchbare Antwort liefert, das ist die
       Frage, was es heißt, mit seinem Publikum auf Augenhöhe in den Dialog zu
       treten. Das heißt eben nicht, ein Postfach zu schalten oder nach der
       Sendung zur Telefonsprechstunde zu laden. So hat die Redaktion ihre Fans
       vor dem Jahreswechsel im Netz gefragt, was sie 2013 beschäftigen wird.
       Jetzt entsteht eine Folge zur Altersvorsorge. Bröckerhoff: „Dass hier schon
       das Thema ’Rente‘ bewegt, hätten wir erst einmal nicht vermutet.“
       
       Für seine Generation ist das Netz sowohl ständiger Begleiter als auch
       Helfer zugleich. Bröckerhoff erzählt etwa von einem Dreh bei den
       Occupy-Aktivisten in Frankfurt am Main. Er hatte sich dort vor der
       Europäischen Zentralbank für eine Nacht einquartiert und irgendwann am
       Abend sei dann ein aufgebrachter Aktivist zu ihm gekommen, mit einem
       elektronischen Bauteil in der Hand – angeblich ein Störsender für das
       Funknetz.
       
       Raubte das Establishment den Aktivisten den Anschluss an die weite Welt?
       Bröckerhoff stellte mit seinem Handy bei Twitter ein Foto ein und fragte,
       ob das sein könne. Binnen Minuten antworteten fachkundige Nutzer, der
       Baustein könne nur aus einem Monitor stammen, nicht aber aus einem
       Funkmodul. „Beeindruckend, wie schnell das ging.“
       
       Nun ist diese ständige Vernetzung auch für Bröckerhoff Fluch und Segen
       zugleich. „Das frisst natürlich viel Zeit“, sagt er. „Wenn ein Tweet eine
       Antwort verdient hat, dann reagiere ich dafür auch schon mal nachts um halb
       zwei.“ Feierabende gebe es für ihn kaum. Reporter zu sein, das vertrage
       sich nun mal nicht mit einer 35-Stunden-Woche.
       
       ## „Ich als Reporter habe immer das letzte Wort“
       
       Doch wirklich mitreden sollen seine Zuschauer dann auch wieder nicht. „Ich
       würde niemals einfach die Masse entscheiden lassen“, sagt Bröckerhoff, der
       sich ja immerhin bei einem nächsten Projekt der Netzgemeinde öffnen will.
       „Ich als Reporter habe immer das letzte Wort.“ Wohl aber wolle er sich
       möglichst viele Ideen und Meinungen einholen, um „bessere Entscheidungen
       treffen und stärker am Puls der Zeit sein“ zu können.
       
       In seiner jungen Karriere ist er schon in viele Rollen geschlüpft.
       Nachmittags hat er im NDR Hausfrauen Facebook erklärt. Bei n-tv haben sie
       ihn als „Netzreporter“ eingesetzt, damit er vorliest, wie Nutzer die
       Freilassung Jörg Kachelmanns kommentieren. Und im Medienmagazin „Zapp“
       berichtet er zudem fleißig über die Probleme seiner Branche.
       
       Viele klassische Fernsehprojekte hat er in den vergangenen Jahren
       allerdings auch gestemmt, Verbraucherdokumentationen etwa oder nun das
       „Zoom“-Stück zum Gesundheitswesen, für das er durchaus ein sehr glückliches
       Händchen hatte. Er kommt etwa mit einem Klinik-Controller ins Gespräch, der
       ihm die sogenannten Fallpauschalen demonstriert, die wiederum unter dem
       Verdacht stehen, Ärzte dazu zu verleiten, das Wohl ihrer Patienten der
       Gewinnmaximierung ihres Unternehmens unterzuordnen.
       
       ## Früher Gaudi, heute ernst
       
       Doch wer den Film sieht und Bröckerhoff etwa aus „Klub Konkret“ kennt, wie
       er mit Jugendlichen herumkumpelt und den naiven Reporter gibt, für den
       alles irgendwie eine große Gaudi ist, der kann auch ins Grübeln kommen:
       Warum soll er dem Reporter, dem sonst der Funfaktor über alles zu gehen
       scheint, jetzt diese ernste Rolle abnehmen?
       
       So hat Bröckerhoff in gut zehn Jahren beim Fernsehen viel ausprobiert,
       programmlich wie thematisch aber noch keine echte Heimat gefunden. Ob er
       denn letztlich lieber im klassischen Fernsehen verortet sein will oder im
       flapsigen? „Am klassischen Fernsehen kommst du in den nächsten Jahren nicht
       vorbei, wenn du davon leben willst“, sagt er pragmatisch. Journalistisch
       bringe ihn ein Projekt wie „Zoom“ zudem „extrem weiter“.
       
       Und dann sagt Daniel Bröckerhoff noch: „Am schönsten wäre es natürlich,
       wenn hier eine Gratwanderung möglich wäre.“ Er will sich nicht entscheiden,
       das passt ins Bild: Wenn Konsensjournalisten eines suchen, dann vor allem
       möglichst viel Harmonie. Ein klares Profil ist ihr Ding nicht.
       
       Am Mittwoch läuft seine Reportage „Die Patientenfabrik“ (22.50 Uhr, ZDF).
       
       9 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bouhs
       
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