# taz.de -- Nagisa Oshima ist tot: Ein radikaler Filmarbeiter
       
       > Mit „Im Reich der Sinne“ schuf Regisseur Nagisa Oshima eines der
       > Meisterwerke der Filmgeschichte. Am Dienstag ist er im Alter von 80
       > Jahren gestorben.
       
 (IMG) Bild: Nagisa Oshima (m.) zusammen mit den Schauspielern Ryuichi Sakamoto (l.) und Takeshi Kitano (re.) bei einer Pressekonferenz für seinen Film " Merry Christmas, Mr. Lawrence " in Tokyo 1982.
       
       Der japanische Filmemacher Nagisa Oshima gelangte 1976 aufgrund eines
       Missverständnisses zu Weltberühmtheit: Seine neunzehnte Regiearbeit mit dem
       Titel „Im Reich der Sinne“ („Ai no korida“), welche ganz explizit von einer
       körperlich ausgetragenen Amour fou im Japan der 1930er Jahre erzählt, stand
       umgehend unter Pornografieverdacht, obwohl der Film klar dem künstlerischen
       Kino zuzurechnen ist. So ließ etwa die Berliner Staatsanwaltschaft die
       Kopie beschlagnahmen, während der Film seine Premiere im Rahmen der
       Berlinale feierte. Auch später wurde der Film oft nur zensiert für den
       Kinoeinsatz freigegeben.
       
       Der Skandal verstellte lange den Blick auf ein unspekulatives, höchst
       konsequentes Werk. Aber er passte ganz gut zur Biografie des 1932 in Kioto
       geborenen Oshima, der zunächst Jura studierte und in der linken
       Studentenbewegung aktiv war. Mitte der 1950er Jahre fand er wie viele
       seiner Generation bei einem der großen japanischen Filmstudios Aufnahme,
       eckte bei der Firma Shochiku aber bald an. In den 1960ern, als sich die
       sozialen und politischen Erneuerungsbewegungen auch auf dem Feld des Kinos
       kurzschlossen und weltweit „neue Wellen“ in Schwung kamen, machte er sich
       als Produzent selbstständig.
       
       Schon Oshimas erste Filme für Shochiku, „Stadt der Liebe und der Hoffnung“
       (1959) oder „Nackte Jugend“ (1960), behandelten die japanische
       Nachkriegsgegenwart; die lebenshungrigen Protagonisten stießen hart an
       gesellschaftliche Grenzen. Das auch in Texten formulierte politische
       Projekt, als Filmemacher den Zuschauer mit der Wirklichkeit zu
       konfrontieren und dabei formal neue Wege zu beschreiten, setzte Oshima im
       Lauf der folgenden Dekade unermüdlich um – zu den radikalsten Arbeiten
       zählen „Tod durch Erhängen“ (1968) und „Tagebuch eines Shinjuku-Diebes“
       (1969).
       
       Auf „Im Reich der Sinne“, der mit französischen Partnern realisiert worden
       war, folgten mit „Empire of Passion“ (1978), „Merry Christmas, Mr.
       Lawrence“ (1983, mit David Bowie und Takeshi Kitano) und „Max, mon amour“
       (1985) weitere internationale Produktionen. Mitte der 90er Jahre erlitt
       Oshima einen ersten Schlaganfall, 1999 konnte er den Spielfilm „Gohatto“
       inszenieren, aber sein Gesundheitszustand machte keine weiteren
       Regiearbeiten möglich. Anderthalb Monate vor seinem 81. Geburtstag ist der
       Regisseur am Dienstag in seinem Wohnort Fujisawa gestorben.
       
       15 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Isabella Reicher
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Japanischer Film
       
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