# taz.de -- Wohnungsnot in Universitätsstadt: Erst Verständnis, dann Räumung
       
       > In Göttingen fordern Studierende bezahlbare Wohnungen und besetzen ein
       > ehemaliges Wohnheim. Die Uni versteht das Anliegen, ruft aber trotzdem
       > die Polizei.
       
 (IMG) Bild: Besetztes Wohnheim in Göttingen: Zehn Studierende wurden von Polizisten herausgetragen.
       
       GÖTTINGEN taz | Ulrike Beisiegel hat sich entschieden: Sie wird das Gebäude
       räumen lassen. Beisiegel ist Präsidentin der Georg-August-Universität
       Göttingen. Rund 20 ihrer Studierenden haben in der Nacht zum Donnerstag ein
       ehemaliges Wohnheim besetzt. Sie fordern bezahlbare Wohnungen.
       
       Lynn ist einer von ihnen. Er führt im ersten Stock durch die staubigen
       Flure und öffnet Tür um Tür. Rund 60 Wohnplätze hatte es hier bis Anfang
       2010 gegeben. „Es gibt eine Wohnraumproblematik in Göttingen“, sagt er,
       „und hier steht einfach ein riesiges Studentenwohnheim leer.“
       
       Das Gebäude gehört der Universität. Es wurde bis Anfang 2010 vom
       Studentenwerk verwaltet, das die Zimmer an Studierende vermietete. Dann
       meldete die Uni Bedarf an und der Vertrag mit dem Studentenwerk wurde nicht
       verlängert. Rainer Bolli vom Gebäudemanagement der Hochschule sagt, man
       habe ursprünglich Forschungsprojekte in den Räumen unterbringen wollen.
       
       Allerdings hing die Finanzierung von Geldern aus der sogenannten
       Exzellenzinitiative ab und da hatte sich die Universität verkalkuliert.
       Mitte vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Göttingen in der dritten Runde
       keine Mittel aus dem Bund-Länder-Programm für seine Forschung bekommen
       würde. Jetzt soll die Akademie der Wissenschaften in das Gebäude ziehen.
       Ein Wohnheim wird es dort also nicht mehr geben.
       
       ## Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware
       
       Tatsächlich sind bezahlbare innenstadtnahe Wohnungen in Göttingen
       Mangelware, offizielle Daten über die Entwicklung der Mieten gibt es
       allerdings nicht. „Was an Preisen steigt, sind aber kleine Wohnungen“, sagt
       Cornelius Blessin vom Göttinger Mieterverein. „Neubau findet eben in einem
       anderen Segment statt“, sagt er und verweist auf teure Wohnanlagen am
       Leinebogen oder am Nonnenstieg, die zum Teil bereits gebaut oder noch in
       Planung sind.
       
       Die kommen für Studierende kaum in Frage. Aber nicht nur auf dem freien
       Markt werden Wohnungen knapper. Nach aktuellen Zahlen des Göttinger
       Statistikdienstes Gösis gab es Ende 2011 rund 5.300 Wohnheimsplätze. Zehn
       Jahre zuvor waren es rund 500 Plätze mehr gewesen.
       
       „Es ist total wichtig, dass neue Wohnheimsplätze geschaffen werden“, sagt
       deswegen auch Pauline Wildenauer, die Referentin für Transparenz und
       Öffentlichkeit des Göttinger Allgemeinen Studierenden Ausschusses (Asta).
       Vor allem in der Innenstadt zahle man „locker 350 Euro warm“ für ein
       Zwölf-Quadratmeter-Zimmer. „Die Wohnsituation ist für Studierende extrem
       angespannt“, sagt Wildenauer.
       
       Im Präsidium der Universität hat man deswegen scheinbar auch Verständnis
       für die Besetzung. Beisiegel kam und diskutierte mit den Studierenden. „Wir
       als Uni verstehen ihr Anliegen super gut. Wir haben das gleiche Ziel: mehr
       Wohnungen! Und das erreichen wir am besten gemeinsam“, sagte Beisiegel. In
       der kommenden Woche könne man sich ja zusammensetzen und eine Lösung
       finden. Es solle einen Termin am kommenden Dienstag geben. Allerdings
       müssten die Studierenden dafür das Gebäude freiwillig verlassen. Die
       wollten aber bleiben und bis Dienstag vor Ort „Ideen entwickeln und Plena
       abhalten“.
       
       Dafür fehlte dann aber doch das Verständnis. „Wir empfinden das als eine
       gute Aktion“, sagt Präsidentin Beisiegel zwar, aber sollten die
       Studierenden nicht gehen, werde man die Polizei einschalten. Und so trugen
       Polizeibeamte gegen Mittag zehn Personen aus dem Haus. Eine Person wurde
       leicht an der Lippe verletzt und alle BesetzerInnen wegen
       Hausfriedensbruchs angezeigt.
       
       17 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jakob Epler
 (DIR) Jakob Epler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Studenten
 (DIR) Göttingen
 (DIR) Wohnungen
 (DIR) Universität Göttingen
 (DIR) Universität Göttingen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Studierende kaufen Wohnheim: Göttinger Häuserkampf
       
       Nach einem langen Streit verkauft das Göttinger Studentenwerk ein Wohnheim
       an dessen Bewohner*innen.
       
 (DIR) Spionage unter Studierenden: Linker AStA in Göttingen ausgespäht
       
       An der Uni Göttingen sollen E-Mails mitgelesen worden sein. Studenten des
       RCDS hatten eine interne Mail des linken AStA veröffentlicht.