# taz.de -- Hochschul-App fürs Smartphone: Nur keine falsche Scham
       
       > Mit einer App können Studierende in Echtzeit ihren Dozenten steuern. Wer
       > zu schüchtern zum Sprechen ist, kann bald sogar seine Frage digital
       > senden.
       
 (IMG) Bild: Der da vorn redet zu schnell? Abhilfe im Freiberger Audimax
       
       FREIBERG taz | Auf den ersten Blick sieht alles nach einer normalen
       Vorlesung an der kleinen, aber feinen Bergakademie im sächsischen Freiberg
       aus. Professor Konrad Froitzheim spricht an der Technischen Universität
       über Grundlagen der Informatik. Einige Studenten spielen, wie auch in
       anderen Hörsälen der Republik, mit ihren Smartphones, verschicken
       Nachrichten, schauen sich Bilder an.
       
       Aber auf einigen Displays ist eine Zeitachse zu sehen, die den Verlauf der
       Vorlesung abbildet. Wem es mit dem Stoff zu schnell geht, der kann per
       Touch gewissermaßen auf die Vorlesungsbremse treten. Und wem der Faden ganz
       gerissen ist, dem bleibt als Ultima Ratio noch das „Stop“-Schild für den
       Professor.
       
       In diesem Wintersemester testen Freiberger Informatik-Studenten erstmals
       diese Sonderfunktion der „myTU-App“. Sie gibt dem Dozenten über dessen
       Smartphone oder Tablet-PC während der Vorlesung eine Rückmeldung. Anonym
       können die Studenten intervenieren, wenn ihnen das Vorlesungstempo zu hoch
       erscheint. Drücken mehrere Studenten gar auf „Stop“, sollte der Professor
       innehalten und einen neuen Erklärungsversuch starten.
       
       Es ist die spektakulärste Weiterentwicklung der ohnehin in Deutschland
       ziemlich einzigartigen Freiberger TU-App. Sie enthält einen
       Vorlesungsplaner, Möglichkeiten, über das Handy Bücher in der Bibliothek zu
       bestellen oder den Mensa-Speiseplan zu inspizieren. Doktorand Frank
       Gommlich vom Lehrstuhl Professor Froitzheims und zwei Kommilitonen haben
       vor zwei Jahren mit der Programmierung begonnen.
       
       Aber warum genügt bei manchmal nur 20 Studenten im Saal nicht ein
       traditionelleres Mittel – etwa ein Zwischenruf oder eine Frage? In solchen
       Fällen natürlich, nickt Gommlich, aber bei 200 bis 400 Studenten sehe das
       schon anders aus. Da wage nämlich niemand eine Frage, aus Angst, als der
       Dumme dazustehen.
       
       ## Isolation des Einzelnen in der Gesellschaft
       
       Professor Froitzheim würde sich allerdings über Zwischenrufe freuen und
       hätte nichts dagegen, wenn die Vorlesung etwas mehr Seminarcharakter
       bekäme. Rund zwanzig Jahre lehrt er jetzt und hat die Erfahrung gemacht,
       dass die Studierenden immer weniger nachfragen. Es sei, meint er, ein
       Hinweis auf Isolationstendenzen des Einzelnen in der Gesellschaft. „Wir
       wollen aber alle mitnehmen, nicht nur eine Elite“, sagt Froitzheim. Den
       Zurückhaltenden könne die Echtzeit-Vorlesungssteuerung per Smartphone also
       helfen.
       
       Die Daten der Stopp-den-Prof-App werden sofort nach der Vorlesung wieder
       gelöscht, münden also nicht in einen Professoren-TÜV. Froitzheim versteht
       das Hilfsmittel auch als Anregung für didaktisch schwache Kollegen. „Viele
       von uns sind keine guten Kommunikatoren, wenn wir ehrlich sind.“ Ablenkung
       durch den kleinen Wächter auf dem Pult verspürt er nicht. „Bisher beobachte
       ich ja auch schon die Reaktionen im Hörsaal.“
       
       Rund 2.000 Zugriffe auf die App gab es seit November bereits. Sie läuft
       bisher allerdings nur mit dem Apple-Betriebssystem iOS. Und wird im April
       noch aufgerüstet. Dann soll es auch möglich sein, inhaltliche Fragen per
       App an den Professor zu senden. Der steht zwar direkt vor ihnen – doch
       viele Studenten hätten sich diese Möglichkeit trotzdem gewünscht.
       
       21 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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