# taz.de -- Deutsche Handballer im WM-Viertelfinale: Der Trotz der Verkannten
       
       > Dem deutschen Team hat vor der WM kaum einer etwas Großes zugetraut. Und
       > jetzt strahlt plötzlich einer der Anführer auch noch Torgefahr aus.
       
 (IMG) Bild: Mit vereinten Kräften in die nächste Runde: Oliver Roggisch (rechts) and Michael Haaß (links) stoppen Naumce Mojsovski.
       
       BARCELONA taz | Das Mittelmeer war nah. Und die Sonne schien warm. Doch die
       deutschen Handballer hatten gestern keine Zeit, im Hotel Princess in
       Barcelona die angenehmen Dinge des Lebens zu genießen. Der nächste Auftrag
       wartete ja. Das Team von Bundestrainer Martin Heuberger verließ die
       katalanische Metropole gestern Mittag mit dem Mannschaftsbus gen Saragossa,
       wo es am Mittwochabend das WM-Viertelfinale bestreitet.
       
       Und die Profis platzen inzwischen vor Selbstvertrauen. „Mit uns ist
       mittlerweile zu rechnen“, sagte Spielmacher Michael Haaß (Göppingen), sein
       Blick verriet Entschlossenheit. „Ich bin sicher, dass wir die Spannung
       jetzt nicht verlieren“, sagte der Bundestrainer.
       
       Nach dem [1][28:23-Achtelfinalsieg] am Sonntag gegen Mazedonien, das wissen
       alle, können sie nun Handballgeschichte schreiben. Sollte dem Team um
       Kapitän Oliver Roggisch tatsächlich noch ein Sieg gelingen, dann wäre dies
       erst das dritte WM-Halbfinale in den letzten drei Jahrzehnten – und dies
       mit einem Kader, dem einige Experten nicht einmal das Überstehen der
       Vorrunde zugetraut hatten.
       
       Derlei Prognosen haben einige Profis erkennbar gefuchst, aber gleichzeitig
       auch angestachelt. „Ich versuche, aus negativer Presse Motivation zu
       ziehen“, ließ Abwehrchef Roggisch wissen. „Ich wollte es ein paar Leuten
       noch einmal beweisen. Mir selbst auch.“
       
       ## Eine Schlüsselfigur
       
       Er ist erkennbar einer der Anführer, eine Schlüsselfigur in der Auswahl des
       Deutschen Handballbundes (DHB). „Großes Kompliment“, sagt der
       Bundestrainer, „nicht nur, wie er als Kapitän der Mannschaft agiert. Er ist
       auch sehr stark auf dem Feld.“ Roggisch strahlt nämlich plötzlich Torgefahr
       aus, gegen Mazedonien stahl er zwei Bälle und verwertete diese in
       Tempogegenstößen. Zuvor waren dem Südbadener in 188 Länderspielen lediglich
       40 Tore gelungen. „Ich hoffe, dass wir weiter einen sprintfähigen Oli
       erleben“, juxte Heuberger.
       
       Im Alter von 34 Jahren, am Ende seiner Karriere, hat Roggisch sogar noch
       eine Eigenschaft abgelegt, die seine Teams oft in Nachteil gebracht haben.
       Er meckert nicht mehr in jeder Szene. „Er lässt das Lamentieren, das
       Kommentieren jeder Schiedsrichterentscheidung“, freut sich Heuberger, das
       hätten beide aber in einem Gespräch vor der WM auch so besprochen.
       
       Roggisch, das war stets die Verkörperung von Härte, auch gegen sich selbst.
       Unvergessen die Szene in dem Film „Projekt Gold“, in dem er vom Arzt
       während eines Länderspiels gefragt wird, ob er eine Betäubung brauche, als
       eine Fleischwunde an der Stirn getackert werden sollte. „Ohne“, sagte
       Roggisch. „Aber pass auf meine Frisur auf.“ Bei diesem Turnier schmerzt der
       Rücken. „Und der Zehennagel tut weh“, sagt er. „Trainieren kann ich heute
       wohl nicht, aber fürs Spiel muss es dann reichen.“
       
       Roggisch, das ist nun auch jemand, der den vielen jüngeren Profis im Team
       nun erzählen kann, wie ein solches Turnier erfolgreich gespielt wird; beim
       Viertelfinalsieg 2007 gegen Spanien zählte er schon zu den Stützen in der
       Defensive. Nun ist er, gemeinsam mit Haaß, wieder derjenige, der alles
       zusammenhält, und der mit Ruhe und Gelassenheit auch die Kritiken zu Beginn
       lässig wegsteckte.
       
       ## „Alle ziehen voll mit“
       
       „Die Abwehr hat zwei Spiele gebraucht. In der Bundesliga wächst sie eben
       schneller zusammen. Das Feintuning ist immer besser geworden.“ Dass er
       selbst eine große Leistungssteigerung dabei vollzog, dafür seien seine
       Nebenleute mit verantwortlich. „Ich profitiere davon, wenn die Jungs neben
       mir Vollgas geben in der Abwehr. Alle ziehen voll mit.“
       
       Roggisch wird noch ein paar Turniere spielen, aber wenn er irgendwann
       aufhört, dann verliert der deutsche Handball einen Typ. Einen Handballer,
       der sich auch nicht scheut, deutliche Worte zu finden, wenn ihm irgendetwas
       in die Quere kommt. Als vor der WM über den Bundestrainer diskutiert wurde,
       da zeterte er, das sei „respektlos“. Jetzt, da diese Mannschaft sich in
       einen Rausch hineingesteigert hat, kostet er die Stunden mit dieser
       Mannschaft aus. „Ich genieße es, dabei zu sein“, sagt er. „Die Arbeit hat
       sich gelohnt.“ Auch wenn sie noch nicht beendet ist.
       
       21 Jan 2013
       
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